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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Freigelassener des Legaten C. Vettius Sabinianus eine Capelle (asäieulg.); zu
Ehren desselben Gottes ließ ein Veteran der 14. Legion ein verfallenes Heilig-
thum sammt dem Säulengange 211 n. Chr. wieder herstellen. Ueberaus zahl¬
reich dagegen sind die Widmungen, welche meist zur Einlösung von Gelübden
der hilfreichen Gottheit von dankbaren Verehrern jeden Standes dargebracht
worden, dein Juppiter, Mars und Hercules, der Diana, Fortuna und Venus.
Keltische oder orientalische Götter kommen in Curnuntum selbst nicht vor.

Ihre Ruhestätte nach dem Tode fanden die Bewohner Carnuntuius, wie
es scheint, nicht überwiegend an den Landstraße!?, was sonst wohl üblich war,
sondern in einem ausgedehnten Friedhofe am südwestlichen Ende der Stadt, den
jetzt ein Weingarteir bedeckt. Er ist zu einer Zeit entstanden, wo die Sitte des
Begrabens bereits die des Verbrennens verdrängt hatte, denn er zeigt eine
Menge großer, regelmäßig nebeneinander gesetzter Steinsärge oder Gräber, welche
mit Ziegelplatten ausgelegt sind und so die Leichen ohne Sarg aufzunehmen
bestimmt waren. Von den Beigaben, mit welchem die Hinterbliebenen ihre
verstorbenen Angehörigen ausstatteten, sind freilich fast nur werthlose Gefäße
aus Thon und Glas erhalten, denn schon früher haben räuberische Hände die
Sargdeckel zertrümmert und den Inhalt durchwühlt. Desto größer ist die Meuge
der Grabsteine, die freilich auch zum Theil von ihrem Standorte verschleppt
und namentlich in Petronell selbst zu baulicher Zwecken verwendet worden sind.
Nur selten aber gehen ihre Inschriften über die schlichte Bezeichnung des Namens
des Verstorbenen und derer, welche den Stein setzen ließen, hinaus, und nur
in zwei Beispielen bricht die Empfindung der Hinterlassenen in Versen hervor,
welche besser gemeint als gerathen sind.

Das ist so ziemlich Alles, was von dem Leben und Treiben, den Ballten
Ulld Denkmälern einer großen Garnison und einer rührigen Stadtbevölkerung,
die ein paar Jahrhunderte hier am Steilufer der Donan lebten und litten,
mit einiger Sicherheit sich erkennen läßt. Wenig genug in der That, und doch
immer noch mehr, als die Reste des unweit davon gelegenen Vindobona
gestatten, das mit Carnuntum zusammen gewissermaßen eine große Dvppelfestung
bildete.'")

Wenn heute ein römischer Legionär den Boden seines alten Standlagers
beträte, er würde höchstens an den unveränderten Linien des nahen Gebirges
und der weiten Flüche des Marchfeldes die Localität wieder zu erkennen ver¬
mögen. Wo heute das Häusermeer der Kaiserstadt sich breitet, da streckten sich
damals über eine doch nur kleine Fläche um den hohen Markt unweit des
Donaucanals die Wälle der Castra, davon weit getrennt die bürgerlichen An-



*) Zur Orientirung genügt jeder Plan lon Wien.

Freigelassener des Legaten C. Vettius Sabinianus eine Capelle (asäieulg.); zu
Ehren desselben Gottes ließ ein Veteran der 14. Legion ein verfallenes Heilig-
thum sammt dem Säulengange 211 n. Chr. wieder herstellen. Ueberaus zahl¬
reich dagegen sind die Widmungen, welche meist zur Einlösung von Gelübden
der hilfreichen Gottheit von dankbaren Verehrern jeden Standes dargebracht
worden, dein Juppiter, Mars und Hercules, der Diana, Fortuna und Venus.
Keltische oder orientalische Götter kommen in Curnuntum selbst nicht vor.

Ihre Ruhestätte nach dem Tode fanden die Bewohner Carnuntuius, wie
es scheint, nicht überwiegend an den Landstraße!?, was sonst wohl üblich war,
sondern in einem ausgedehnten Friedhofe am südwestlichen Ende der Stadt, den
jetzt ein Weingarteir bedeckt. Er ist zu einer Zeit entstanden, wo die Sitte des
Begrabens bereits die des Verbrennens verdrängt hatte, denn er zeigt eine
Menge großer, regelmäßig nebeneinander gesetzter Steinsärge oder Gräber, welche
mit Ziegelplatten ausgelegt sind und so die Leichen ohne Sarg aufzunehmen
bestimmt waren. Von den Beigaben, mit welchem die Hinterbliebenen ihre
verstorbenen Angehörigen ausstatteten, sind freilich fast nur werthlose Gefäße
aus Thon und Glas erhalten, denn schon früher haben räuberische Hände die
Sargdeckel zertrümmert und den Inhalt durchwühlt. Desto größer ist die Meuge
der Grabsteine, die freilich auch zum Theil von ihrem Standorte verschleppt
und namentlich in Petronell selbst zu baulicher Zwecken verwendet worden sind.
Nur selten aber gehen ihre Inschriften über die schlichte Bezeichnung des Namens
des Verstorbenen und derer, welche den Stein setzen ließen, hinaus, und nur
in zwei Beispielen bricht die Empfindung der Hinterlassenen in Versen hervor,
welche besser gemeint als gerathen sind.

Das ist so ziemlich Alles, was von dem Leben und Treiben, den Ballten
Ulld Denkmälern einer großen Garnison und einer rührigen Stadtbevölkerung,
die ein paar Jahrhunderte hier am Steilufer der Donan lebten und litten,
mit einiger Sicherheit sich erkennen läßt. Wenig genug in der That, und doch
immer noch mehr, als die Reste des unweit davon gelegenen Vindobona
gestatten, das mit Carnuntum zusammen gewissermaßen eine große Dvppelfestung
bildete.'")

Wenn heute ein römischer Legionär den Boden seines alten Standlagers
beträte, er würde höchstens an den unveränderten Linien des nahen Gebirges
und der weiten Flüche des Marchfeldes die Localität wieder zu erkennen ver¬
mögen. Wo heute das Häusermeer der Kaiserstadt sich breitet, da streckten sich
damals über eine doch nur kleine Fläche um den hohen Markt unweit des
Donaucanals die Wälle der Castra, davon weit getrennt die bürgerlichen An-



*) Zur Orientirung genügt jeder Plan lon Wien.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/24>, abgerufen am 03.07.2024.