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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Batava (Passau) andrerseits in Verbindung gesetzt wurde. Erst damals er¬
hielt so die ganze militärische Donaugrenze ihren Abschluß.

In der That ein imposantes System, wie es seit dem Zusammensturze des
römischen Reichs so nie wieder bestanden hat! Von Regensburg bis Belgrad
schloß sich seit M. Aurel Castell an Castell, Standlager an Standlager, in
welchen fünf Legionen, also etwa 30000 Mann, mit mindestens derselben Zahl
von Provinzialtruppen der Grenze hüteten, während eine Kriegsflotille, schon
von Kaiser Claudius errichtet, von Vespasianus neu organisirt und deshalb die
"Flavische" zubenannt, den mächtigen Strom beherrschte. Niemals hat seitdem
dieser Theil der Donau eine ähnliche Entfaltung maritimer Machtmittel gesehen.
Wenden wir uns jedoch zurück zu Carnuntum.

Bis ans Diocletianus garnisonirten die Heerestheile der römischen Kaiser¬
zeit niemals in Städten, sondern in festen Lagern, die sie sich selbst erbauten.
Freilich aus dem rasch aufgeworfenen Erdwall des beweglichen Heerlagers der
republikanischen Zeit wurden unter den Kaisern starke Mauern mit ragenden
Thürmen und mächtigen Thorbauten, aus den Lederzelten der Legionare mas¬
sive Casernen. Die Größe dieser Anlagen wechselte je nach dem Bedürfniß.
Selten oder niemals werden sie die Ausdehnung des Polybianischen Normal¬
lagers erreicht haben, welches zwei Legionen und die dazu gehörigen bundes-
genössischen Truppen aufnehmen sollte, deshalb auch 2500 römische Fuß im
Quadrat maß. Auch die Form entspricht diesem häufig nicht, vielmehr herrscht
in den Standlagern der Kaiserzeit an Stelle des Quadrats das Oblong, wie
es auch der sogenannte Hyginus (frühestens aus der Zeit Caracallas 211--217)
für das Feldlager feiner Zeit vorschreibt, so daß die eine Schmalseite die dem
Feinde zugewandte Front darstellte. Die Befestigung bestand entweder aus
einem Erdwall, oder bei den größeren Lagern aus festem Mauerwerk, das z. B.
in der bekannten Saalburg am Taunus und in den Castellen des brittischen
Hadrianswalles etwa 5 Fuß, in dem Castell von Nieder-Biber bei Neuwied 6,
in Lacus Felicis gar 7--8 Fuß dick ist und in vielen Fällen durch einen vor¬
liegenden Erdwall, sicher aber durch einen tiefen und breiten, mit Steinen aus¬
gesetzten Graben verstärkt wurde. Vier Thore, die xorta praotoria nach der
Front, die xorta älzczuinan^ nach der Rückseite, und je eins, bei größeren Anlagen
auch je zwei rechts und links eröffneten den Zutritt, jedes durch vorspringende
Werke gegen einen feindlichen Angriff gedeckt.

In dieser Weise war auch das Standlager von Carnuntum angelegt. Bei
dem Flecken Petronell wendet sich die hier vielgetheilte Donau nordostwärts.
Ihr zur Rechten streicht eine breite Hochfläche, welche nach Norden und Osten
sich terrassenförmig abdacht und nach Osten dann in mehrere Zungen ausläuft.
Die nördlichste und längste derselben endet mit einer allmählichen Senkung bei


Batava (Passau) andrerseits in Verbindung gesetzt wurde. Erst damals er¬
hielt so die ganze militärische Donaugrenze ihren Abschluß.

In der That ein imposantes System, wie es seit dem Zusammensturze des
römischen Reichs so nie wieder bestanden hat! Von Regensburg bis Belgrad
schloß sich seit M. Aurel Castell an Castell, Standlager an Standlager, in
welchen fünf Legionen, also etwa 30000 Mann, mit mindestens derselben Zahl
von Provinzialtruppen der Grenze hüteten, während eine Kriegsflotille, schon
von Kaiser Claudius errichtet, von Vespasianus neu organisirt und deshalb die
„Flavische" zubenannt, den mächtigen Strom beherrschte. Niemals hat seitdem
dieser Theil der Donau eine ähnliche Entfaltung maritimer Machtmittel gesehen.
Wenden wir uns jedoch zurück zu Carnuntum.

Bis ans Diocletianus garnisonirten die Heerestheile der römischen Kaiser¬
zeit niemals in Städten, sondern in festen Lagern, die sie sich selbst erbauten.
Freilich aus dem rasch aufgeworfenen Erdwall des beweglichen Heerlagers der
republikanischen Zeit wurden unter den Kaisern starke Mauern mit ragenden
Thürmen und mächtigen Thorbauten, aus den Lederzelten der Legionare mas¬
sive Casernen. Die Größe dieser Anlagen wechselte je nach dem Bedürfniß.
Selten oder niemals werden sie die Ausdehnung des Polybianischen Normal¬
lagers erreicht haben, welches zwei Legionen und die dazu gehörigen bundes-
genössischen Truppen aufnehmen sollte, deshalb auch 2500 römische Fuß im
Quadrat maß. Auch die Form entspricht diesem häufig nicht, vielmehr herrscht
in den Standlagern der Kaiserzeit an Stelle des Quadrats das Oblong, wie
es auch der sogenannte Hyginus (frühestens aus der Zeit Caracallas 211—217)
für das Feldlager feiner Zeit vorschreibt, so daß die eine Schmalseite die dem
Feinde zugewandte Front darstellte. Die Befestigung bestand entweder aus
einem Erdwall, oder bei den größeren Lagern aus festem Mauerwerk, das z. B.
in der bekannten Saalburg am Taunus und in den Castellen des brittischen
Hadrianswalles etwa 5 Fuß, in dem Castell von Nieder-Biber bei Neuwied 6,
in Lacus Felicis gar 7—8 Fuß dick ist und in vielen Fällen durch einen vor¬
liegenden Erdwall, sicher aber durch einen tiefen und breiten, mit Steinen aus¬
gesetzten Graben verstärkt wurde. Vier Thore, die xorta praotoria nach der
Front, die xorta älzczuinan^ nach der Rückseite, und je eins, bei größeren Anlagen
auch je zwei rechts und links eröffneten den Zutritt, jedes durch vorspringende
Werke gegen einen feindlichen Angriff gedeckt.

In dieser Weise war auch das Standlager von Carnuntum angelegt. Bei
dem Flecken Petronell wendet sich die hier vielgetheilte Donau nordostwärts.
Ihr zur Rechten streicht eine breite Hochfläche, welche nach Norden und Osten
sich terrassenförmig abdacht und nach Osten dann in mehrere Zungen ausläuft.
Die nördlichste und längste derselben endet mit einer allmählichen Senkung bei


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[0016] Batava (Passau) andrerseits in Verbindung gesetzt wurde. Erst damals er¬ hielt so die ganze militärische Donaugrenze ihren Abschluß. In der That ein imposantes System, wie es seit dem Zusammensturze des römischen Reichs so nie wieder bestanden hat! Von Regensburg bis Belgrad schloß sich seit M. Aurel Castell an Castell, Standlager an Standlager, in welchen fünf Legionen, also etwa 30000 Mann, mit mindestens derselben Zahl von Provinzialtruppen der Grenze hüteten, während eine Kriegsflotille, schon von Kaiser Claudius errichtet, von Vespasianus neu organisirt und deshalb die „Flavische" zubenannt, den mächtigen Strom beherrschte. Niemals hat seitdem dieser Theil der Donau eine ähnliche Entfaltung maritimer Machtmittel gesehen. Wenden wir uns jedoch zurück zu Carnuntum. Bis ans Diocletianus garnisonirten die Heerestheile der römischen Kaiser¬ zeit niemals in Städten, sondern in festen Lagern, die sie sich selbst erbauten. Freilich aus dem rasch aufgeworfenen Erdwall des beweglichen Heerlagers der republikanischen Zeit wurden unter den Kaisern starke Mauern mit ragenden Thürmen und mächtigen Thorbauten, aus den Lederzelten der Legionare mas¬ sive Casernen. Die Größe dieser Anlagen wechselte je nach dem Bedürfniß. Selten oder niemals werden sie die Ausdehnung des Polybianischen Normal¬ lagers erreicht haben, welches zwei Legionen und die dazu gehörigen bundes- genössischen Truppen aufnehmen sollte, deshalb auch 2500 römische Fuß im Quadrat maß. Auch die Form entspricht diesem häufig nicht, vielmehr herrscht in den Standlagern der Kaiserzeit an Stelle des Quadrats das Oblong, wie es auch der sogenannte Hyginus (frühestens aus der Zeit Caracallas 211—217) für das Feldlager feiner Zeit vorschreibt, so daß die eine Schmalseite die dem Feinde zugewandte Front darstellte. Die Befestigung bestand entweder aus einem Erdwall, oder bei den größeren Lagern aus festem Mauerwerk, das z. B. in der bekannten Saalburg am Taunus und in den Castellen des brittischen Hadrianswalles etwa 5 Fuß, in dem Castell von Nieder-Biber bei Neuwied 6, in Lacus Felicis gar 7—8 Fuß dick ist und in vielen Fällen durch einen vor¬ liegenden Erdwall, sicher aber durch einen tiefen und breiten, mit Steinen aus¬ gesetzten Graben verstärkt wurde. Vier Thore, die xorta praotoria nach der Front, die xorta älzczuinan^ nach der Rückseite, und je eins, bei größeren Anlagen auch je zwei rechts und links eröffneten den Zutritt, jedes durch vorspringende Werke gegen einen feindlichen Angriff gedeckt. In dieser Weise war auch das Standlager von Carnuntum angelegt. Bei dem Flecken Petronell wendet sich die hier vielgetheilte Donau nordostwärts. Ihr zur Rechten streicht eine breite Hochfläche, welche nach Norden und Osten sich terrassenförmig abdacht und nach Osten dann in mehrere Zungen ausläuft. Die nördlichste und längste derselben endet mit einer allmählichen Senkung bei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/16>, abgerufen am 03.07.2024.