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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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bauten Blumenständen u. s. w. Kommen wirklich einmal impersonelle Sätze
vor, so treibt der Verfasser die Narrheit so weit, daß er nun auch diese wieder
verdreht, sodaß das "es" glücklich aus Eude zu stehen kommt: Elf Uhr schlägt
es -- Abend wird es.

3) Substantivs werden asyndetisch, ohne Bindewort, ueben einander gestellt:
Das sind keine heimischen Conturen, Häuser, Dächer, keine bekannten Regionen,
Farben, Tinten, Töne. Das sind wildfremde Eindrücke, so fremd wie die Worte,
welche uns das Ufer Kataloniens zusendet: andere Menschen, Trachten, Sitten,
Leute*) -- ein Lebewohl dem rauchenden Schlot, den Masten, Wimpeln des
eisernen Hauses -- seine Bazar's, Cass's, Theater -- ein Blickewerfen, Scherzen,
Lachen -- bei allen Erhebungen, Pronunciamentvs.

Wenn uun vollends zwei solche Schrullen, das Asyndeton und die Ver¬
drehung von Subject und Prädicat, in einem Satze mit einander verbunden
vorkommen, so kann man sich denken, was dann für eine Wirkung entsteht.
So heißt es S. 4: "Es arbeiten unermüdlich Kolben, Kurbeln, Achsen", und
S. 13 steht folgender unglaubliche Satz: "Eisenwaaren, Baumwolle, Häute,
Glas, Seite, Tücher brachten vor Einführung der Eisenbahnen unzählige Schiffe."

Ist man auf diese ganz trivialen Kniffe des Verfassers einmal aufmerksam
geworden, so verfolgen sie einen geradezu; man wird nervös dabei und wartet
sörmlich darauf, ob und wann sie wiederkehren werden.

Abgesehen von dieser Manierirtheit zeigt die Darstellung aber auch selt¬
same grammatische und logische Verstöße. Auch hiervon einige Proben. S. 2:
"einen jener Glücklichen, den Poesie und Kunst schon im Jünglingsalter mütter¬
lich umfingen" -- S. 11: Vier lustige Maulthiere an einem vierrädrigen Ge¬
stelle, und sausend geht es im catalonischen Staube stadtwärts" -- S. 13:
"Catalonien zählt an fünf Hafenplätze" -- S. 16: "Der Chor in der Kirche
Mitte ist eine wahre Verschwendung an Reliefs, die in ein Gitterwerk einge¬
schlossen sind" -- S. 21: "Eine rothe Mütze vollendet dieses eigenthümliche
catalonische Kostüm, zu welchem fast immer auch die nie ausgehende Cigarette
gehört."

Wie ist es möglich, wird der Leser fragen, daß ein Schriftsteller, der ein¬
mal ein so tüchtiges und erfreuliches Buch geschrieben hat, wie die Cultur¬
bilder "Aus altrömischer Zeit", auf eine so abschüssige Bahn hat gerathen können?
Nun, diese Umwandlung hat sich keineswegs mit einem Schlage vollzogen.
Schon die eingangs erwähnte Prachtausgabe jener Culturbilder zeigt alle die
stilistischen Manieren, die bei dem vorliegenden "Prachtwerke" bis zur Ungenieß-
barkeit ausgeartet sind. Simons hat schon damals geglaubt, seine Culturbilder



*) Welcher Unterschied ist hier zwischen Menschen und Leuten?

bauten Blumenständen u. s. w. Kommen wirklich einmal impersonelle Sätze
vor, so treibt der Verfasser die Narrheit so weit, daß er nun auch diese wieder
verdreht, sodaß das „es" glücklich aus Eude zu stehen kommt: Elf Uhr schlägt
es — Abend wird es.

3) Substantivs werden asyndetisch, ohne Bindewort, ueben einander gestellt:
Das sind keine heimischen Conturen, Häuser, Dächer, keine bekannten Regionen,
Farben, Tinten, Töne. Das sind wildfremde Eindrücke, so fremd wie die Worte,
welche uns das Ufer Kataloniens zusendet: andere Menschen, Trachten, Sitten,
Leute*) — ein Lebewohl dem rauchenden Schlot, den Masten, Wimpeln des
eisernen Hauses — seine Bazar's, Cass's, Theater — ein Blickewerfen, Scherzen,
Lachen — bei allen Erhebungen, Pronunciamentvs.

Wenn uun vollends zwei solche Schrullen, das Asyndeton und die Ver¬
drehung von Subject und Prädicat, in einem Satze mit einander verbunden
vorkommen, so kann man sich denken, was dann für eine Wirkung entsteht.
So heißt es S. 4: „Es arbeiten unermüdlich Kolben, Kurbeln, Achsen", und
S. 13 steht folgender unglaubliche Satz: „Eisenwaaren, Baumwolle, Häute,
Glas, Seite, Tücher brachten vor Einführung der Eisenbahnen unzählige Schiffe."

Ist man auf diese ganz trivialen Kniffe des Verfassers einmal aufmerksam
geworden, so verfolgen sie einen geradezu; man wird nervös dabei und wartet
sörmlich darauf, ob und wann sie wiederkehren werden.

Abgesehen von dieser Manierirtheit zeigt die Darstellung aber auch selt¬
same grammatische und logische Verstöße. Auch hiervon einige Proben. S. 2:
„einen jener Glücklichen, den Poesie und Kunst schon im Jünglingsalter mütter¬
lich umfingen" — S. 11: Vier lustige Maulthiere an einem vierrädrigen Ge¬
stelle, und sausend geht es im catalonischen Staube stadtwärts" — S. 13:
„Catalonien zählt an fünf Hafenplätze" — S. 16: „Der Chor in der Kirche
Mitte ist eine wahre Verschwendung an Reliefs, die in ein Gitterwerk einge¬
schlossen sind" — S. 21: „Eine rothe Mütze vollendet dieses eigenthümliche
catalonische Kostüm, zu welchem fast immer auch die nie ausgehende Cigarette
gehört."

Wie ist es möglich, wird der Leser fragen, daß ein Schriftsteller, der ein¬
mal ein so tüchtiges und erfreuliches Buch geschrieben hat, wie die Cultur¬
bilder „Aus altrömischer Zeit", auf eine so abschüssige Bahn hat gerathen können?
Nun, diese Umwandlung hat sich keineswegs mit einem Schlage vollzogen.
Schon die eingangs erwähnte Prachtausgabe jener Culturbilder zeigt alle die
stilistischen Manieren, die bei dem vorliegenden „Prachtwerke" bis zur Ungenieß-
barkeit ausgeartet sind. Simons hat schon damals geglaubt, seine Culturbilder



*) Welcher Unterschied ist hier zwischen Menschen und Leuten?
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[0126] bauten Blumenständen u. s. w. Kommen wirklich einmal impersonelle Sätze vor, so treibt der Verfasser die Narrheit so weit, daß er nun auch diese wieder verdreht, sodaß das „es" glücklich aus Eude zu stehen kommt: Elf Uhr schlägt es — Abend wird es. 3) Substantivs werden asyndetisch, ohne Bindewort, ueben einander gestellt: Das sind keine heimischen Conturen, Häuser, Dächer, keine bekannten Regionen, Farben, Tinten, Töne. Das sind wildfremde Eindrücke, so fremd wie die Worte, welche uns das Ufer Kataloniens zusendet: andere Menschen, Trachten, Sitten, Leute*) — ein Lebewohl dem rauchenden Schlot, den Masten, Wimpeln des eisernen Hauses — seine Bazar's, Cass's, Theater — ein Blickewerfen, Scherzen, Lachen — bei allen Erhebungen, Pronunciamentvs. Wenn uun vollends zwei solche Schrullen, das Asyndeton und die Ver¬ drehung von Subject und Prädicat, in einem Satze mit einander verbunden vorkommen, so kann man sich denken, was dann für eine Wirkung entsteht. So heißt es S. 4: „Es arbeiten unermüdlich Kolben, Kurbeln, Achsen", und S. 13 steht folgender unglaubliche Satz: „Eisenwaaren, Baumwolle, Häute, Glas, Seite, Tücher brachten vor Einführung der Eisenbahnen unzählige Schiffe." Ist man auf diese ganz trivialen Kniffe des Verfassers einmal aufmerksam geworden, so verfolgen sie einen geradezu; man wird nervös dabei und wartet sörmlich darauf, ob und wann sie wiederkehren werden. Abgesehen von dieser Manierirtheit zeigt die Darstellung aber auch selt¬ same grammatische und logische Verstöße. Auch hiervon einige Proben. S. 2: „einen jener Glücklichen, den Poesie und Kunst schon im Jünglingsalter mütter¬ lich umfingen" — S. 11: Vier lustige Maulthiere an einem vierrädrigen Ge¬ stelle, und sausend geht es im catalonischen Staube stadtwärts" — S. 13: „Catalonien zählt an fünf Hafenplätze" — S. 16: „Der Chor in der Kirche Mitte ist eine wahre Verschwendung an Reliefs, die in ein Gitterwerk einge¬ schlossen sind" — S. 21: „Eine rothe Mütze vollendet dieses eigenthümliche catalonische Kostüm, zu welchem fast immer auch die nie ausgehende Cigarette gehört." Wie ist es möglich, wird der Leser fragen, daß ein Schriftsteller, der ein¬ mal ein so tüchtiges und erfreuliches Buch geschrieben hat, wie die Cultur¬ bilder „Aus altrömischer Zeit", auf eine so abschüssige Bahn hat gerathen können? Nun, diese Umwandlung hat sich keineswegs mit einem Schlage vollzogen. Schon die eingangs erwähnte Prachtausgabe jener Culturbilder zeigt alle die stilistischen Manieren, die bei dem vorliegenden „Prachtwerke" bis zur Ungenieß- barkeit ausgeartet sind. Simons hat schon damals geglaubt, seine Culturbilder *) Welcher Unterschied ist hier zwischen Menschen und Leuten?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/126>, abgerufen am 22.07.2024.