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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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Die Wechselbeziehungen zwischen den? Reichshaushalts - Etat und den Budgets
der Einzelstaaten des Bundes machen es dringend wünschenswerth, daß dieses
Verhältniß durch Verwandlung des jährlichen Reichsbudgets in ein zwei¬
jähriges vereinfacht und erleichtert werde. Hingen schon bisher bezüglich der
Matrikularumlagen die Landtage der Einzelstaaten von der Entscheidung des
Reichstags ab, so wird dies künftig, nachdem der Zolltarif die Etatsangelegen¬
heiten bedeutend anders gestaltet hat, noch mehr der Fall sein. Das Reich
soll den Einzelstaaten Einnahmen zuweisen und einen Theil derselben als Lei¬
stungen zurückverlangen. Soll und Haben der Einzeletats wird folglich gar
nicht festzustellen sein, wenn nicht der Reichshaushalt schon eine Zeit lang
durchberathen und fertig vorliegt. Mit andern Worten: Nachdem beschlossen
worden ist, die Ueberschüsse aus den Zöllen und der Tabakssteuer nach Abzug
von 130 Millionen Mark für das Reich unter die Einzelstaaten zu vertheilen,
ist es in hohem Grade wünschenswerth, den Etat des Reichs für einen län¬
geren Zeitraum als ein Jahr festzustellen, weil die Einzelstaaten erst dann eine
sichere Berechnung der Summen vorzunehmen im Stande sind, welche ihnen
aus den Ueberschüsseu zu Gebote stehen werden. Es liegt im Interesse einer
wohlgeordneten Finanzwirthschaft, daß die Einzelstaaten nicht in ihren Kassen
Gelder aufbewahren, die sich zwar in ihren Händen befinden, über die sie aber
nicht verfügen können, weil sie nicht wissen, wie hoch sich die Forderungen des
Reichs stellen werden. Ist der Etat des letzteren für zwei Jahre festgestellt,
so wird es möglich sein, die Finanzen des Reichs und die der Einzelstaaten
in erforderlicher Weise auseinanderzuhalten und der Bevölkerung durch die
letzteren die Vortheile zukommen zu lassen, die sich für sie aus der Finanz¬
reform ergeben sollten.

In innigem Zusammenhange mit der Verlängerung der Budgetperiode
steht die der Legislaturperiode des Reichstags. Im Prinzip wird man so
ziemlich allgemein damit einverstanden sein, daß es sehr wünschenswerth ist,
nicht alle drei Jahre genöthigt zu sein, an die Wahlurne zu gehen, und auch
die, welche ein starkes Parlament wollen, müßten es mit Freuden begrüßen,
wenn die Abgeordneten für längere Zeit, als jetzt üblich, gewählt werden sollen.
Das Volk ist des vielen Wählers müde, die geringe Betheiligung desselben
an den Wahlen beweist das zur Genüge, es würde dankbar sein, wenn man
ihm die Opfer an Zeit und Geld, die eine allgemeine Reichstagswahl verursacht,
in längeren Zwischenrüumen auferlegen wollte, als jetzt geschieht. Nur über
einen Punkt kann man verschiedener Meinung sein. In England wird nur
alle sieben Jahre ein neues Parlament gewählt, und in Oesterreich wird der
aus Wahlen hervorgehende Theil des Reichsraths nur alle sechs Jahre erneuert,
in Deutschland will man statt alle Hrei künftig alle vier Jahre neu wählen


Die Wechselbeziehungen zwischen den? Reichshaushalts - Etat und den Budgets
der Einzelstaaten des Bundes machen es dringend wünschenswerth, daß dieses
Verhältniß durch Verwandlung des jährlichen Reichsbudgets in ein zwei¬
jähriges vereinfacht und erleichtert werde. Hingen schon bisher bezüglich der
Matrikularumlagen die Landtage der Einzelstaaten von der Entscheidung des
Reichstags ab, so wird dies künftig, nachdem der Zolltarif die Etatsangelegen¬
heiten bedeutend anders gestaltet hat, noch mehr der Fall sein. Das Reich
soll den Einzelstaaten Einnahmen zuweisen und einen Theil derselben als Lei¬
stungen zurückverlangen. Soll und Haben der Einzeletats wird folglich gar
nicht festzustellen sein, wenn nicht der Reichshaushalt schon eine Zeit lang
durchberathen und fertig vorliegt. Mit andern Worten: Nachdem beschlossen
worden ist, die Ueberschüsse aus den Zöllen und der Tabakssteuer nach Abzug
von 130 Millionen Mark für das Reich unter die Einzelstaaten zu vertheilen,
ist es in hohem Grade wünschenswerth, den Etat des Reichs für einen län¬
geren Zeitraum als ein Jahr festzustellen, weil die Einzelstaaten erst dann eine
sichere Berechnung der Summen vorzunehmen im Stande sind, welche ihnen
aus den Ueberschüsseu zu Gebote stehen werden. Es liegt im Interesse einer
wohlgeordneten Finanzwirthschaft, daß die Einzelstaaten nicht in ihren Kassen
Gelder aufbewahren, die sich zwar in ihren Händen befinden, über die sie aber
nicht verfügen können, weil sie nicht wissen, wie hoch sich die Forderungen des
Reichs stellen werden. Ist der Etat des letzteren für zwei Jahre festgestellt,
so wird es möglich sein, die Finanzen des Reichs und die der Einzelstaaten
in erforderlicher Weise auseinanderzuhalten und der Bevölkerung durch die
letzteren die Vortheile zukommen zu lassen, die sich für sie aus der Finanz¬
reform ergeben sollten.

In innigem Zusammenhange mit der Verlängerung der Budgetperiode
steht die der Legislaturperiode des Reichstags. Im Prinzip wird man so
ziemlich allgemein damit einverstanden sein, daß es sehr wünschenswerth ist,
nicht alle drei Jahre genöthigt zu sein, an die Wahlurne zu gehen, und auch
die, welche ein starkes Parlament wollen, müßten es mit Freuden begrüßen,
wenn die Abgeordneten für längere Zeit, als jetzt üblich, gewählt werden sollen.
Das Volk ist des vielen Wählers müde, die geringe Betheiligung desselben
an den Wahlen beweist das zur Genüge, es würde dankbar sein, wenn man
ihm die Opfer an Zeit und Geld, die eine allgemeine Reichstagswahl verursacht,
in längeren Zwischenrüumen auferlegen wollte, als jetzt geschieht. Nur über
einen Punkt kann man verschiedener Meinung sein. In England wird nur
alle sieben Jahre ein neues Parlament gewählt, und in Oesterreich wird der
aus Wahlen hervorgehende Theil des Reichsraths nur alle sechs Jahre erneuert,
in Deutschland will man statt alle Hrei künftig alle vier Jahre neu wählen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/57>, abgerufen am 23.07.2024.