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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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Du -- weißt, wie ich lebe u. was ich von Litercirischem zunächst vorhabe. Möge
mir Gott beistehen, noch Viel zu schaffen, u. Besseres, als bis jetzt!

Ich bin seltsam bewegt, wie ich Dir da das nackte Geripp eines Lebens hinstelle,
von dem schon viel Lärm geschlagen, u. an dem doch im Grunde wenig ist. Um es
begreifen zu können, müßtest Du im Stande sein, zwischen den Zeilen zu lesen. Ach,
da grünt manches Grab, da quillt manche Thräne, da fehlt es nicht an durchweinten
u. durchschwelgten Nächten, ein gebrochenes Mädchenherz zuckt dazwischen -- ich bin
betrübt bis zum Tode! -- Jetzt gilt es, das Alte zu sühnen durch festes Beharren
und treues, liebendes Halten an dem neu Errungenen! Ich liebe mein Weib unendlich,
und ich hoffe zu Gott, daß ich in dieser Liebe Kraft und Muth für ein Leben finden
werde, das man später mindestens nicht ein ganz verfehltes nennen soll.


Vergib und bleib' mir gut!

Doch Du wolltest Notizen, u. ich werde sentimental.

Ein Kommentar zu diesen tiefgemüthvollen Bekenntnissen, aus welchen des
Dichters Herz in den schönsten Klängen spricht, ist wohl überflüssig.


Wilhelm Buchner.


Umpettus.

Durch die großartigen pergamenischen Funde, die vor kurzem in das
Berliner Museum gelangt sind, ist mit einem Male ein römischer Schriftsteller
aus der Kaiserzeit, der sich bisher der größten Dunkelheit erfreute, in den Vorder¬
grund des Interesses gerückt worden, insofern er der einzige antike Schriftsteller
ist, bei dem sich eine Erwähnung des Bauwerkes findet, von welchem die perga-
menischen Skulpturen stammen: Lucius Ampelius, der Verfasser eines kleinen
"Gedächtnißbuches" oder "Merkbuches" (I^idsr luömoriÄlis). Wenn auch dem ge¬
rechten und vollkommenen Archäologen von Fach Ampelius schon vorher kein
Fremdling sein durfte, da gerade dasjenige Kapitel seiner Schrift, welches die
Erwähnung des pergamenischen Gebäudes enthält, auch über andere berühmte
Kunstwerke des Alterthums Notizen, zum Theil aparter und kurioser Art, bei¬
bringt, so konnte man doch ein recht tüchtiger Philolog sein, ohne das "Merk¬
büchlein" des Ampelius jemals in der Hand gehabt zu haben. Weiteren Kreisen
vollends wird sein Name völlig neu gewesen sein.

Die Bekanntschaft mit Ampelius ist überhaupt verhältnißmäßig jung; er
wurde zum ersten Male 1638 in Leyden von Salmasius aus einer seitdem wieder
verschollenen Handschrift herausgegeben, und zwar als Anhang zur "Römischen


Du — weißt, wie ich lebe u. was ich von Litercirischem zunächst vorhabe. Möge
mir Gott beistehen, noch Viel zu schaffen, u. Besseres, als bis jetzt!

Ich bin seltsam bewegt, wie ich Dir da das nackte Geripp eines Lebens hinstelle,
von dem schon viel Lärm geschlagen, u. an dem doch im Grunde wenig ist. Um es
begreifen zu können, müßtest Du im Stande sein, zwischen den Zeilen zu lesen. Ach,
da grünt manches Grab, da quillt manche Thräne, da fehlt es nicht an durchweinten
u. durchschwelgten Nächten, ein gebrochenes Mädchenherz zuckt dazwischen — ich bin
betrübt bis zum Tode! — Jetzt gilt es, das Alte zu sühnen durch festes Beharren
und treues, liebendes Halten an dem neu Errungenen! Ich liebe mein Weib unendlich,
und ich hoffe zu Gott, daß ich in dieser Liebe Kraft und Muth für ein Leben finden
werde, das man später mindestens nicht ein ganz verfehltes nennen soll.


Vergib und bleib' mir gut!

Doch Du wolltest Notizen, u. ich werde sentimental.

Ein Kommentar zu diesen tiefgemüthvollen Bekenntnissen, aus welchen des
Dichters Herz in den schönsten Klängen spricht, ist wohl überflüssig.


Wilhelm Buchner.


Umpettus.

Durch die großartigen pergamenischen Funde, die vor kurzem in das
Berliner Museum gelangt sind, ist mit einem Male ein römischer Schriftsteller
aus der Kaiserzeit, der sich bisher der größten Dunkelheit erfreute, in den Vorder¬
grund des Interesses gerückt worden, insofern er der einzige antike Schriftsteller
ist, bei dem sich eine Erwähnung des Bauwerkes findet, von welchem die perga-
menischen Skulpturen stammen: Lucius Ampelius, der Verfasser eines kleinen
„Gedächtnißbuches" oder „Merkbuches" (I^idsr luömoriÄlis). Wenn auch dem ge¬
rechten und vollkommenen Archäologen von Fach Ampelius schon vorher kein
Fremdling sein durfte, da gerade dasjenige Kapitel seiner Schrift, welches die
Erwähnung des pergamenischen Gebäudes enthält, auch über andere berühmte
Kunstwerke des Alterthums Notizen, zum Theil aparter und kurioser Art, bei¬
bringt, so konnte man doch ein recht tüchtiger Philolog sein, ohne das „Merk¬
büchlein" des Ampelius jemals in der Hand gehabt zu haben. Weiteren Kreisen
vollends wird sein Name völlig neu gewesen sein.

Die Bekanntschaft mit Ampelius ist überhaupt verhältnißmäßig jung; er
wurde zum ersten Male 1638 in Leyden von Salmasius aus einer seitdem wieder
verschollenen Handschrift herausgegeben, und zwar als Anhang zur „Römischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/508>, abgerufen am 23.07.2024.