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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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Auch die landesherrliche Thätigkeit Dalbergs, in welcher er zum zweiten
Male die Aufgabe hatte, ein neugewonnenes Gebiet, das von Frankfurt, seinen
Staaten einzuverleiben, hat manches Verdienstliche. Freilich sollte er gleich
anfangs erfahren, daß es in Vielem weniger auf ihn, als auf den herrischen
Willen des erhabenen Protektors und seiner Marschcille ankomme. Er selbst
hatte, um die Geschäfte der Herbstmesse nicht zu stören, die Huldigung bis nach
derselben aufschieben wollen, doch auf Marschall Augereaus Befehl erfolgte die
Uebergabe der Stadt an den Fürsten-Primas schon am 9. September, in dem¬
selben Nvmersaale, der so oft die prunkende Herrlichkeit des alten Reiches ge¬
sehen hatte. In einem richtigen Gefühl hatte man die Kaiserbilder verhüllt;
sie hätten doch nur auf die Schande Deutschlands und dessen, der so oft von
seiner alten Verfassung geschwärmt hatte, herabgesehen. Der Fürst selbst kam
erst am 25. September nach Frankfurt und ließ sich am 2. Januar 1807 noch¬
mals im Römer huldigen.

Seine neuen Unterthanen verpflichtete er sich gleich anfangs dadurch,
daß er der Stadt bei Napoleon den Erlaß einer schweren Kriegsschuld von
1500000 Fras. erwirkte. Dann begab er sich eifrig an die Organisation des
neuen Gebiets. Wir können hier auf das Detail dieser Maßregeln, welche
Beaulieu im Einzelnen verfolgt, nicht eingehen. Allerorten tritt auch hier eine
wohlwollende, Vorurtheilsfreie Gesinnung hervor. Von zweifelhafterem Werthe
erscheint die Absicht Dalbergs, nach dem Vorgange Westfalens und Badens
den voäs NapolöoQ in seinem Primatialstaat einzuführen, dessen Annahme in
den Rheinbundsstaaten damals vielfach ventilirt wurde. In der That verfügte
er dieselbe, übrigens gegen die Ansicht seiner Minister, am 15. September 1809,
doch verzögerte die kurz darauf erfolgende Errichtung des Großherzogthums
Frankfurt zunächst die Ausführung des Beschlusses.

Es gefiel dem Gewaltherrscher, in demselben Jahre, welches die Einver¬
leibung Roms, Hollands und der deutschen Küstenlande bis Lübeck erlebte, das
Füllhorn seiner Gnade auch über seinen getreuen Fürsten-Primas auszuschütten.
Schon bei dessen Anwesenheit in Paris vom August 1807 bis zum März 1808
war davon die Rede gewesen, sein Gebiet durch ein paar hessische und nassau¬
ische Aemter zu vergrößern, und nur seine eigne Schwatzhaftigkeit, mit der
er damals den Gesandten beider Staaten von diesen Plänen Mittheilung machte,
hatte zunächst ihre Ausführung verhindert. Wiederum im November 1809 war
die Rede von der Uebertragung Haltaus an den Primas. Damals hatte
Albini als verständiger Mann sich entschieden dagegen erklärt, da die Erwer¬
bung dieses tief verschuldeten und verarmten Landes die erst mühsam errungene
Ordnung im Haushalte des Primatialstaats wiederum Hütte zerrütten müssen,
umsomehr als Dalberg selbst in leichtsinniger Zuvorkommenheit und Galanterie


Auch die landesherrliche Thätigkeit Dalbergs, in welcher er zum zweiten
Male die Aufgabe hatte, ein neugewonnenes Gebiet, das von Frankfurt, seinen
Staaten einzuverleiben, hat manches Verdienstliche. Freilich sollte er gleich
anfangs erfahren, daß es in Vielem weniger auf ihn, als auf den herrischen
Willen des erhabenen Protektors und seiner Marschcille ankomme. Er selbst
hatte, um die Geschäfte der Herbstmesse nicht zu stören, die Huldigung bis nach
derselben aufschieben wollen, doch auf Marschall Augereaus Befehl erfolgte die
Uebergabe der Stadt an den Fürsten-Primas schon am 9. September, in dem¬
selben Nvmersaale, der so oft die prunkende Herrlichkeit des alten Reiches ge¬
sehen hatte. In einem richtigen Gefühl hatte man die Kaiserbilder verhüllt;
sie hätten doch nur auf die Schande Deutschlands und dessen, der so oft von
seiner alten Verfassung geschwärmt hatte, herabgesehen. Der Fürst selbst kam
erst am 25. September nach Frankfurt und ließ sich am 2. Januar 1807 noch¬
mals im Römer huldigen.

Seine neuen Unterthanen verpflichtete er sich gleich anfangs dadurch,
daß er der Stadt bei Napoleon den Erlaß einer schweren Kriegsschuld von
1500000 Fras. erwirkte. Dann begab er sich eifrig an die Organisation des
neuen Gebiets. Wir können hier auf das Detail dieser Maßregeln, welche
Beaulieu im Einzelnen verfolgt, nicht eingehen. Allerorten tritt auch hier eine
wohlwollende, Vorurtheilsfreie Gesinnung hervor. Von zweifelhafterem Werthe
erscheint die Absicht Dalbergs, nach dem Vorgange Westfalens und Badens
den voäs NapolöoQ in seinem Primatialstaat einzuführen, dessen Annahme in
den Rheinbundsstaaten damals vielfach ventilirt wurde. In der That verfügte
er dieselbe, übrigens gegen die Ansicht seiner Minister, am 15. September 1809,
doch verzögerte die kurz darauf erfolgende Errichtung des Großherzogthums
Frankfurt zunächst die Ausführung des Beschlusses.

Es gefiel dem Gewaltherrscher, in demselben Jahre, welches die Einver¬
leibung Roms, Hollands und der deutschen Küstenlande bis Lübeck erlebte, das
Füllhorn seiner Gnade auch über seinen getreuen Fürsten-Primas auszuschütten.
Schon bei dessen Anwesenheit in Paris vom August 1807 bis zum März 1808
war davon die Rede gewesen, sein Gebiet durch ein paar hessische und nassau¬
ische Aemter zu vergrößern, und nur seine eigne Schwatzhaftigkeit, mit der
er damals den Gesandten beider Staaten von diesen Plänen Mittheilung machte,
hatte zunächst ihre Ausführung verhindert. Wiederum im November 1809 war
die Rede von der Uebertragung Haltaus an den Primas. Damals hatte
Albini als verständiger Mann sich entschieden dagegen erklärt, da die Erwer¬
bung dieses tief verschuldeten und verarmten Landes die erst mühsam errungene
Ordnung im Haushalte des Primatialstaats wiederum Hütte zerrütten müssen,
umsomehr als Dalberg selbst in leichtsinniger Zuvorkommenheit und Galanterie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/491>, abgerufen am 23.07.2024.