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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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nach München, wo er Anfang Januar einzutreffen gedachte. Dort soll es nun
zu einer heftigen Scene zwischen beiden gekommen sein, wobei der Erzkanzler
tapfer seinen deutschen Standpunkt behauptet haben will; und in der That ist
es nicht ganz unwahrscheinlich, daß Napoleon, welcher auch sonst durch thea¬
tralische Polterscenen zu schrecken liebte --- coiusäiMw nannte ihn Zach einer
solchen Pius VII. --, durch ein ähnliches Mittel auf Dalberg zu wirken wußte,
um ihm für die Zukunft jede" Widerspruch gründlich zu verleiden. Jedenfalls
hat der Zwischenfall den Primas von Deutschland nicht gehindert, am 14. Januar
1806 in der Hauptstadt des neuen Königreichs Baiern, das der Friede von
Preßburg aus dem Reichsverbande bereits gelöst hatte, die Trauung der
Prinzessin Auguste von Baiern mit Eugen Beauharnais, dem Vicekönig von
Italien, in Gegenwart des französischen Kaiserpaares in eigener Person zu voll¬
ziehen. Er konnte dort auch mit eigenen Augen sehen, mit welchem Jubel sich
das bairische Land von tausendjährigen Verbindungen lossagte, um als ein
souveränes "Reich" sich zu konstituiren. In Württemberg und Baden war es
kaum anders gewesen. Wie lange mochten da die sinkenden Trümmer der alten
Verfassung noch aufrecht bleiben?

Diese Betrachtung in Verbindung mit der Sorge um deu Fortbestand des
Kurstaates, welche sich nothwendig daraus ergab, mag Dalberg auf einen Ge¬
danken geführt haben, der zum ersten Male offen die Grundidee des Rheinbundes
formulirte. Von irgend einem Zwange also zu diesem Bunde ist bei ihm am
allerwenigsten die Rede. Am 19. April richtete der Erzkanzler, natürlich wie
immer in "reiner Absicht", jene Note an den französischen Gesandten in Regens¬
burg, worin er ausführte: Deutschland sei in Anarchie und bedürfe der Wieder¬
geburt; es werde diese finden dnrch die Wiederaufrichtung des abendländischen
Kaiserthums unter Napoleon als Nachfolger Karls des Großen. Gleichzeitig
schlug er in einem Schreiben an Napoleon selbst die Erhebung des Herzogs von
Cleve-Berg (Murat) zum Kurfürsten und die Ernennung des Kardinals Fesch zu
seinem Coadjutor vor; auch hier "bezeugte" ihm "sein Herz die volle Reinheit seiner
Absichten". In der That erreichte er seinen nächsten Zweck, Schon am 6. Mai
kam ein Vertrag zwischen ihm und Frankreich zu Stande, der dem Kurfürsten-
Erzkcmzler "die Integrität seiner Staaten" gewährleistete und ihn verpflichtete,
die Ernennung des Coadjutors zu vollziehen. Am 24. Mai bereits ging auch
die Anzeige dieser Ernennung an Franz II-, wobei seine Einwilligung keines¬
wegs eingeholt, sondern nur vorausgesetzt wurde; am 27. erfolgte die offizielle
Mittheilung an den Rumpf des Regensburger Reichstags, am nächsten Tage
ging dieselbe freudige Botschaft an den Kardinal Fesch. Während nun der Kaiser
in seiner Antwort vom 18. Juni dem Erzkanzler sehr deutlich das Unpassende,


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nach München, wo er Anfang Januar einzutreffen gedachte. Dort soll es nun
zu einer heftigen Scene zwischen beiden gekommen sein, wobei der Erzkanzler
tapfer seinen deutschen Standpunkt behauptet haben will; und in der That ist
es nicht ganz unwahrscheinlich, daß Napoleon, welcher auch sonst durch thea¬
tralische Polterscenen zu schrecken liebte —- coiusäiMw nannte ihn Zach einer
solchen Pius VII. —, durch ein ähnliches Mittel auf Dalberg zu wirken wußte,
um ihm für die Zukunft jede» Widerspruch gründlich zu verleiden. Jedenfalls
hat der Zwischenfall den Primas von Deutschland nicht gehindert, am 14. Januar
1806 in der Hauptstadt des neuen Königreichs Baiern, das der Friede von
Preßburg aus dem Reichsverbande bereits gelöst hatte, die Trauung der
Prinzessin Auguste von Baiern mit Eugen Beauharnais, dem Vicekönig von
Italien, in Gegenwart des französischen Kaiserpaares in eigener Person zu voll¬
ziehen. Er konnte dort auch mit eigenen Augen sehen, mit welchem Jubel sich
das bairische Land von tausendjährigen Verbindungen lossagte, um als ein
souveränes „Reich" sich zu konstituiren. In Württemberg und Baden war es
kaum anders gewesen. Wie lange mochten da die sinkenden Trümmer der alten
Verfassung noch aufrecht bleiben?

Diese Betrachtung in Verbindung mit der Sorge um deu Fortbestand des
Kurstaates, welche sich nothwendig daraus ergab, mag Dalberg auf einen Ge¬
danken geführt haben, der zum ersten Male offen die Grundidee des Rheinbundes
formulirte. Von irgend einem Zwange also zu diesem Bunde ist bei ihm am
allerwenigsten die Rede. Am 19. April richtete der Erzkanzler, natürlich wie
immer in „reiner Absicht", jene Note an den französischen Gesandten in Regens¬
burg, worin er ausführte: Deutschland sei in Anarchie und bedürfe der Wieder¬
geburt; es werde diese finden dnrch die Wiederaufrichtung des abendländischen
Kaiserthums unter Napoleon als Nachfolger Karls des Großen. Gleichzeitig
schlug er in einem Schreiben an Napoleon selbst die Erhebung des Herzogs von
Cleve-Berg (Murat) zum Kurfürsten und die Ernennung des Kardinals Fesch zu
seinem Coadjutor vor; auch hier „bezeugte" ihm „sein Herz die volle Reinheit seiner
Absichten". In der That erreichte er seinen nächsten Zweck, Schon am 6. Mai
kam ein Vertrag zwischen ihm und Frankreich zu Stande, der dem Kurfürsten-
Erzkcmzler „die Integrität seiner Staaten" gewährleistete und ihn verpflichtete,
die Ernennung des Coadjutors zu vollziehen. Am 24. Mai bereits ging auch
die Anzeige dieser Ernennung an Franz II-, wobei seine Einwilligung keines¬
wegs eingeholt, sondern nur vorausgesetzt wurde; am 27. erfolgte die offizielle
Mittheilung an den Rumpf des Regensburger Reichstags, am nächsten Tage
ging dieselbe freudige Botschaft an den Kardinal Fesch. Während nun der Kaiser
in seiner Antwort vom 18. Juni dem Erzkanzler sehr deutlich das Unpassende,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/450>, abgerufen am 25.08.2024.