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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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Die zweite Vorlage betraf die Trauordnnng. Einer besondern Trau¬
ordnung bedarf die Kirche dann nicht, wenn die Eheschließung des Staats
denselben Prinzipien folgt, welche sich der Kirche aus ihrem biblisch normirten
sittlichen Bewußtsein ergeben. Wo dies der Fall ist, wird bürgerliche Ehe¬
schließung und kirchliche Trauung in einen Akt zusammenfallen; hört diese
Uebereinstimmung auf, so ist die nothwendige Konsequenz auf der einen Seite
eine besondere staatliche Regelung der Eheschließung, auf der andern Seite eine
kirchliche Trauordnung. Daß daher eine solche von der ersten ordentlichen
Generalsynode berathen wurde, entsprach einem lebhaft und allseitig empfun¬
denen Bedürfniß. Die Vorlage derselben ist auch keineswegs als eine Aende¬
rung in den Anschauungen des Oberkirchenraths anzusehen, sie ist vielmehr in
ihren ersten Anfängen eine Hinterlassenschaft des Präsidenten Herrmann.

Die Grundgedanken des vorgelegten Entwurfs wurden von der Synode
gebilligt; eine wesentliche Modifikation desselben, die von der Kommission
empfohlen und von der Synode in erster Lesung angenommen war, fiel in der
zweiten Lesung. Es ist das Verdienst des Antrags, der die Namen v. Goßler
und Graf Nothkirch - Trans trägt, daß diese prinzipielle Abweichung von der
Vorlage wieder beseitigt wurde. Die Frage, die hier in Betracht kam, betraf
die Instanz, welche entscheiden sollte, ob eine Eheschließung Geschiedener nach
gemeiner Auslegung des göttlichen Worts in der evangelischen Kirche als
sündhaft zu bezeichnen und daher die Trauung in einem solchen Falle zu ver¬
sagen sei. Hier hatte die Kommission und die Synode in erster Lesung den
Geistlichen als erste Instanz völlig beseitigt und an dessen Stelle den Kreis-
Synodalvorstand gesetzt, der nach Anhörung des Gemeinde-Kirchenraths ent¬
scheiden sollte. Nur in denjenigen Fällen war der Geistliche als erste Instanz
zugelassen, wo die Ehescheidung wegen Ehebruchs oder höflicher Verlassung
erfolgt oder die Ehe zwar aus anderen Gründen getrennt, der andere Theil
aber bereits verstorben oder wieder verheirathet sei. Diese Bestimmung schloß
ein unbegründetes Mißtrauensvotum gegen den Geistlichen in sich, und wir
sind sehr befriedigt, daß in der zweiten Lesung auf die Bahn der Vorlage
zurückgelenkt und das erwähnte Amendement, angenommen wurde, nach welchem
in den genannten Fällen die Entscheidung des Kreis-Synodalvorstandes nach


jedem, Rechte auf Ruhegehalt gewährenden geistlichen Amte ist nach Höhe des Dienstein¬
kommens ein jährlicher Beitrag zu dem Pensionsfvnds zu leisten. Derselbe wird, wenn das
Einkommen unter 4000 Mark beträgt, auf 1 Proc., wenn es höher ist, aber unter 6000
Mark bleibt, auf 1^ Proc. und bei noch höheren Einkommen auf 2 Proc. des durch
100 Mark theilbaren Gcsammtbetrages berechnet. Z 14. Vom Tage der Emeritirung eines
Geistlichen ab hat dessen letzte Stelle acht Jahre lang ein Viertel ihres gesammten Pfrün¬
den- oder etatsmäßigen Einkommens in einem nach Mark abgerundeten Betrage an den
Pensionsfonds abzugeben.

Die zweite Vorlage betraf die Trauordnnng. Einer besondern Trau¬
ordnung bedarf die Kirche dann nicht, wenn die Eheschließung des Staats
denselben Prinzipien folgt, welche sich der Kirche aus ihrem biblisch normirten
sittlichen Bewußtsein ergeben. Wo dies der Fall ist, wird bürgerliche Ehe¬
schließung und kirchliche Trauung in einen Akt zusammenfallen; hört diese
Uebereinstimmung auf, so ist die nothwendige Konsequenz auf der einen Seite
eine besondere staatliche Regelung der Eheschließung, auf der andern Seite eine
kirchliche Trauordnung. Daß daher eine solche von der ersten ordentlichen
Generalsynode berathen wurde, entsprach einem lebhaft und allseitig empfun¬
denen Bedürfniß. Die Vorlage derselben ist auch keineswegs als eine Aende¬
rung in den Anschauungen des Oberkirchenraths anzusehen, sie ist vielmehr in
ihren ersten Anfängen eine Hinterlassenschaft des Präsidenten Herrmann.

Die Grundgedanken des vorgelegten Entwurfs wurden von der Synode
gebilligt; eine wesentliche Modifikation desselben, die von der Kommission
empfohlen und von der Synode in erster Lesung angenommen war, fiel in der
zweiten Lesung. Es ist das Verdienst des Antrags, der die Namen v. Goßler
und Graf Nothkirch - Trans trägt, daß diese prinzipielle Abweichung von der
Vorlage wieder beseitigt wurde. Die Frage, die hier in Betracht kam, betraf
die Instanz, welche entscheiden sollte, ob eine Eheschließung Geschiedener nach
gemeiner Auslegung des göttlichen Worts in der evangelischen Kirche als
sündhaft zu bezeichnen und daher die Trauung in einem solchen Falle zu ver¬
sagen sei. Hier hatte die Kommission und die Synode in erster Lesung den
Geistlichen als erste Instanz völlig beseitigt und an dessen Stelle den Kreis-
Synodalvorstand gesetzt, der nach Anhörung des Gemeinde-Kirchenraths ent¬
scheiden sollte. Nur in denjenigen Fällen war der Geistliche als erste Instanz
zugelassen, wo die Ehescheidung wegen Ehebruchs oder höflicher Verlassung
erfolgt oder die Ehe zwar aus anderen Gründen getrennt, der andere Theil
aber bereits verstorben oder wieder verheirathet sei. Diese Bestimmung schloß
ein unbegründetes Mißtrauensvotum gegen den Geistlichen in sich, und wir
sind sehr befriedigt, daß in der zweiten Lesung auf die Bahn der Vorlage
zurückgelenkt und das erwähnte Amendement, angenommen wurde, nach welchem
in den genannten Fällen die Entscheidung des Kreis-Synodalvorstandes nach


jedem, Rechte auf Ruhegehalt gewährenden geistlichen Amte ist nach Höhe des Dienstein¬
kommens ein jährlicher Beitrag zu dem Pensionsfvnds zu leisten. Derselbe wird, wenn das
Einkommen unter 4000 Mark beträgt, auf 1 Proc., wenn es höher ist, aber unter 6000
Mark bleibt, auf 1^ Proc. und bei noch höheren Einkommen auf 2 Proc. des durch
100 Mark theilbaren Gcsammtbetrages berechnet. Z 14. Vom Tage der Emeritirung eines
Geistlichen ab hat dessen letzte Stelle acht Jahre lang ein Viertel ihres gesammten Pfrün¬
den- oder etatsmäßigen Einkommens in einem nach Mark abgerundeten Betrage an den
Pensionsfonds abzugeben.
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[0442] Die zweite Vorlage betraf die Trauordnnng. Einer besondern Trau¬ ordnung bedarf die Kirche dann nicht, wenn die Eheschließung des Staats denselben Prinzipien folgt, welche sich der Kirche aus ihrem biblisch normirten sittlichen Bewußtsein ergeben. Wo dies der Fall ist, wird bürgerliche Ehe¬ schließung und kirchliche Trauung in einen Akt zusammenfallen; hört diese Uebereinstimmung auf, so ist die nothwendige Konsequenz auf der einen Seite eine besondere staatliche Regelung der Eheschließung, auf der andern Seite eine kirchliche Trauordnung. Daß daher eine solche von der ersten ordentlichen Generalsynode berathen wurde, entsprach einem lebhaft und allseitig empfun¬ denen Bedürfniß. Die Vorlage derselben ist auch keineswegs als eine Aende¬ rung in den Anschauungen des Oberkirchenraths anzusehen, sie ist vielmehr in ihren ersten Anfängen eine Hinterlassenschaft des Präsidenten Herrmann. Die Grundgedanken des vorgelegten Entwurfs wurden von der Synode gebilligt; eine wesentliche Modifikation desselben, die von der Kommission empfohlen und von der Synode in erster Lesung angenommen war, fiel in der zweiten Lesung. Es ist das Verdienst des Antrags, der die Namen v. Goßler und Graf Nothkirch - Trans trägt, daß diese prinzipielle Abweichung von der Vorlage wieder beseitigt wurde. Die Frage, die hier in Betracht kam, betraf die Instanz, welche entscheiden sollte, ob eine Eheschließung Geschiedener nach gemeiner Auslegung des göttlichen Worts in der evangelischen Kirche als sündhaft zu bezeichnen und daher die Trauung in einem solchen Falle zu ver¬ sagen sei. Hier hatte die Kommission und die Synode in erster Lesung den Geistlichen als erste Instanz völlig beseitigt und an dessen Stelle den Kreis- Synodalvorstand gesetzt, der nach Anhörung des Gemeinde-Kirchenraths ent¬ scheiden sollte. Nur in denjenigen Fällen war der Geistliche als erste Instanz zugelassen, wo die Ehescheidung wegen Ehebruchs oder höflicher Verlassung erfolgt oder die Ehe zwar aus anderen Gründen getrennt, der andere Theil aber bereits verstorben oder wieder verheirathet sei. Diese Bestimmung schloß ein unbegründetes Mißtrauensvotum gegen den Geistlichen in sich, und wir sind sehr befriedigt, daß in der zweiten Lesung auf die Bahn der Vorlage zurückgelenkt und das erwähnte Amendement, angenommen wurde, nach welchem in den genannten Fällen die Entscheidung des Kreis-Synodalvorstandes nach jedem, Rechte auf Ruhegehalt gewährenden geistlichen Amte ist nach Höhe des Dienstein¬ kommens ein jährlicher Beitrag zu dem Pensionsfvnds zu leisten. Derselbe wird, wenn das Einkommen unter 4000 Mark beträgt, auf 1 Proc., wenn es höher ist, aber unter 6000 Mark bleibt, auf 1^ Proc. und bei noch höheren Einkommen auf 2 Proc. des durch 100 Mark theilbaren Gcsammtbetrages berechnet. Z 14. Vom Tage der Emeritirung eines Geistlichen ab hat dessen letzte Stelle acht Jahre lang ein Viertel ihres gesammten Pfrün¬ den- oder etatsmäßigen Einkommens in einem nach Mark abgerundeten Betrage an den Pensionsfonds abzugeben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/442>, abgerufen am 23.07.2024.