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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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Wir wenden uns zu der dritten, größten und deshalb maßgebenden Partei,
die sich um die Fahne der "positiven Union" gesammelt hatte. Der Charakter
derselben war ein vermittelnder; schloß sie Elemente in sich, die der konfessio¬
nellen Partei zuneigten, so auch wieder andere, die ebensowohl in der "Evan¬
gelischen Vereinigung" hätten ihren Platz nehmen können- Und so kam es
denn, daß die Partei der positiven Union bald mit den Konfessionellen gegen
die "Evangelische Vereinigung", bald mit dieser gegen die Konfessionellen stimmte.
Mit der "Evangelischen Vereinigung" war sie durch die Vertretung der Union
verbunden und eben dadurch von den Konfessionellen getrennt. Was sie mit
diesen einte und von jener schied, war dieselbe autoritative Tendenz, die wir
bei den Konfessionellen wahrgenommen und in ihrem relativen Werthe gewür¬
digt haben. Wir finden sie auch hier, aber frei von der Abneigung gegen die
Union und eben deshalb gemäßigt und gemildert. Objektiv betrachtet, besteht
zwischen der "Evangelischen Vereinigung" und der Partei der positiven Union
kein prinzipieller Gegensatz; es ist wesentlich Sache des Temperaments, der
Stimmung, die darüber entscheiden wird, ob die Wahl nach dieser oder jener
Seite ausschlägt. Optimisten, die auch bei einem größeren Maße freier Be¬
wegung das Heil der Kirche gewahrt glauben, werden sich hierhin, Pessimisten,
die als Voraussetzung desselben enger gezogene Schranken ansehen, sich dorthin
wenden. Für die nahe Verwandtschaft beider Gruppen war nichts charakteri¬
stischer, als daß rheinländische Synodalen aus taktischen Interesse bei gleicher
kirchenpolitischer Stellung die einen hier, die andern dort sich anschlössen.

Es ist als ein besonders günstiges Ergebniß der Generalsynode anzusehen,
daß diese beiden Gruppen sich näher getreten sind, und wir glauben wohl keinen
Widerspruch erwarten zu dürfen, wenn wir behaupten, daß die Wahlen zum
Präsidium und in den Synodalvorstand für die "Evangelische Vereinigung"
ein günstigeres Resultat gehabt hätten, wenn das freundliche Verhältniß, das
zwischen beiden Gruppen am Schluß der Synode sich gebildet hatte, schon bei
Beginn derselben vorhanden gewesen wäre. In Folge der Verstimmungen
aber, die vorher zwischen ihnen Platz gegriffen hatten, ließ sich für die "Evan¬
gelische Vereinigung" nur ein bescheidener Gewinn retten, der zu den Ansprü¬
chen, die sie vermöge ihrer Stärke erheben durfte, nicht im Verhältniß stand.
Die Marschroute der positiven Union war durch Verpflichtungen, die sie gegen¬
über der konfessionellen Partei eingegangen war, schon vorgezeichnet.

Noch eine Bemerkung sei uns gestattet, bevor wir uns zu den Arbeiten
der Synode selbst wenden. Wir bedauern es, daß bei 'den Wahlen die
Linke völlig ignorirt worden ist. Im Synodalvorstand einen Platz einzu¬
nehmen, konnte sie ja in Folge ihrer numerischen Schwäche nicht beanspruchen;
und wir gestehen anch, daß wir einer Partei, deren Stellung zum evangelischen


Wir wenden uns zu der dritten, größten und deshalb maßgebenden Partei,
die sich um die Fahne der „positiven Union" gesammelt hatte. Der Charakter
derselben war ein vermittelnder; schloß sie Elemente in sich, die der konfessio¬
nellen Partei zuneigten, so auch wieder andere, die ebensowohl in der „Evan¬
gelischen Vereinigung" hätten ihren Platz nehmen können- Und so kam es
denn, daß die Partei der positiven Union bald mit den Konfessionellen gegen
die „Evangelische Vereinigung", bald mit dieser gegen die Konfessionellen stimmte.
Mit der „Evangelischen Vereinigung" war sie durch die Vertretung der Union
verbunden und eben dadurch von den Konfessionellen getrennt. Was sie mit
diesen einte und von jener schied, war dieselbe autoritative Tendenz, die wir
bei den Konfessionellen wahrgenommen und in ihrem relativen Werthe gewür¬
digt haben. Wir finden sie auch hier, aber frei von der Abneigung gegen die
Union und eben deshalb gemäßigt und gemildert. Objektiv betrachtet, besteht
zwischen der „Evangelischen Vereinigung" und der Partei der positiven Union
kein prinzipieller Gegensatz; es ist wesentlich Sache des Temperaments, der
Stimmung, die darüber entscheiden wird, ob die Wahl nach dieser oder jener
Seite ausschlägt. Optimisten, die auch bei einem größeren Maße freier Be¬
wegung das Heil der Kirche gewahrt glauben, werden sich hierhin, Pessimisten,
die als Voraussetzung desselben enger gezogene Schranken ansehen, sich dorthin
wenden. Für die nahe Verwandtschaft beider Gruppen war nichts charakteri¬
stischer, als daß rheinländische Synodalen aus taktischen Interesse bei gleicher
kirchenpolitischer Stellung die einen hier, die andern dort sich anschlössen.

Es ist als ein besonders günstiges Ergebniß der Generalsynode anzusehen,
daß diese beiden Gruppen sich näher getreten sind, und wir glauben wohl keinen
Widerspruch erwarten zu dürfen, wenn wir behaupten, daß die Wahlen zum
Präsidium und in den Synodalvorstand für die „Evangelische Vereinigung"
ein günstigeres Resultat gehabt hätten, wenn das freundliche Verhältniß, das
zwischen beiden Gruppen am Schluß der Synode sich gebildet hatte, schon bei
Beginn derselben vorhanden gewesen wäre. In Folge der Verstimmungen
aber, die vorher zwischen ihnen Platz gegriffen hatten, ließ sich für die „Evan¬
gelische Vereinigung" nur ein bescheidener Gewinn retten, der zu den Ansprü¬
chen, die sie vermöge ihrer Stärke erheben durfte, nicht im Verhältniß stand.
Die Marschroute der positiven Union war durch Verpflichtungen, die sie gegen¬
über der konfessionellen Partei eingegangen war, schon vorgezeichnet.

Noch eine Bemerkung sei uns gestattet, bevor wir uns zu den Arbeiten
der Synode selbst wenden. Wir bedauern es, daß bei 'den Wahlen die
Linke völlig ignorirt worden ist. Im Synodalvorstand einen Platz einzu¬
nehmen, konnte sie ja in Folge ihrer numerischen Schwäche nicht beanspruchen;
und wir gestehen anch, daß wir einer Partei, deren Stellung zum evangelischen


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[0440] Wir wenden uns zu der dritten, größten und deshalb maßgebenden Partei, die sich um die Fahne der „positiven Union" gesammelt hatte. Der Charakter derselben war ein vermittelnder; schloß sie Elemente in sich, die der konfessio¬ nellen Partei zuneigten, so auch wieder andere, die ebensowohl in der „Evan¬ gelischen Vereinigung" hätten ihren Platz nehmen können- Und so kam es denn, daß die Partei der positiven Union bald mit den Konfessionellen gegen die „Evangelische Vereinigung", bald mit dieser gegen die Konfessionellen stimmte. Mit der „Evangelischen Vereinigung" war sie durch die Vertretung der Union verbunden und eben dadurch von den Konfessionellen getrennt. Was sie mit diesen einte und von jener schied, war dieselbe autoritative Tendenz, die wir bei den Konfessionellen wahrgenommen und in ihrem relativen Werthe gewür¬ digt haben. Wir finden sie auch hier, aber frei von der Abneigung gegen die Union und eben deshalb gemäßigt und gemildert. Objektiv betrachtet, besteht zwischen der „Evangelischen Vereinigung" und der Partei der positiven Union kein prinzipieller Gegensatz; es ist wesentlich Sache des Temperaments, der Stimmung, die darüber entscheiden wird, ob die Wahl nach dieser oder jener Seite ausschlägt. Optimisten, die auch bei einem größeren Maße freier Be¬ wegung das Heil der Kirche gewahrt glauben, werden sich hierhin, Pessimisten, die als Voraussetzung desselben enger gezogene Schranken ansehen, sich dorthin wenden. Für die nahe Verwandtschaft beider Gruppen war nichts charakteri¬ stischer, als daß rheinländische Synodalen aus taktischen Interesse bei gleicher kirchenpolitischer Stellung die einen hier, die andern dort sich anschlössen. Es ist als ein besonders günstiges Ergebniß der Generalsynode anzusehen, daß diese beiden Gruppen sich näher getreten sind, und wir glauben wohl keinen Widerspruch erwarten zu dürfen, wenn wir behaupten, daß die Wahlen zum Präsidium und in den Synodalvorstand für die „Evangelische Vereinigung" ein günstigeres Resultat gehabt hätten, wenn das freundliche Verhältniß, das zwischen beiden Gruppen am Schluß der Synode sich gebildet hatte, schon bei Beginn derselben vorhanden gewesen wäre. In Folge der Verstimmungen aber, die vorher zwischen ihnen Platz gegriffen hatten, ließ sich für die „Evan¬ gelische Vereinigung" nur ein bescheidener Gewinn retten, der zu den Ansprü¬ chen, die sie vermöge ihrer Stärke erheben durfte, nicht im Verhältniß stand. Die Marschroute der positiven Union war durch Verpflichtungen, die sie gegen¬ über der konfessionellen Partei eingegangen war, schon vorgezeichnet. Noch eine Bemerkung sei uns gestattet, bevor wir uns zu den Arbeiten der Synode selbst wenden. Wir bedauern es, daß bei 'den Wahlen die Linke völlig ignorirt worden ist. Im Synodalvorstand einen Platz einzu¬ nehmen, konnte sie ja in Folge ihrer numerischen Schwäche nicht beanspruchen; und wir gestehen anch, daß wir einer Partei, deren Stellung zum evangelischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/440>, abgerufen am 23.07.2024.