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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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lichst bald einen in ihrem Sinne zuverlässigen Koadjutor zu geben und somit
die von ihm eingeschlagene Richtung der Mainzer Politik auch für die Zukunft
zu sichern. Als mögliche Kandidaten erschienen dabei gegenüber dem öster¬
reichisch gesinnten Domherrn Fechenbach die Domherren Dienheim und Dal¬
berg, und ohne Zweifel hat Karl August, in Verbindung mit Stein, die Auf¬
merksamkeit Preußens auf den letzteren gelenkt, der ihm seit Jahren genau
bekannt war. Freilich begünstigte der Kurfürst aus persönlicher Abneigung
gegen den Statthalter von Erfurt Dienheim, und Dalberg selbst erleichterte in
einer Art von idealistischer Auffassung seinen Parteigenossen das Spiel nicht
nur nicht, sondern erschwerte es ihnen sogar, indem er sich sträubte, seine Wahl
auswärtigen, uicht im Mainzer Domkapitel selbst entsprungenen Einflüssen zu
verdanken. Die Sache wurde aber zur rascheren Entscheidung dadurch getrie¬
ben, daß ein von der österreichischen Partei wenigstens begünstigtes Gerücht
behauptete, der Kurfürst-Erzbischof befördere die Wahl eines preußischen Prinzen,
der dann übertreten solle. Diese Eventualität mußte viele bis dahin schwankende
oder arti-österreichisch gesinnte Domherren unfehlbar kopfscheu machen und ins
österreichische Lager treiben, weil offenbar die Unabhängigkeit des Mainzer
Kapitels sehr in Frage gestellt wurde, wenn hinter einem seiner Mitglieder die
norddeutsche Großmacht stand. Dies drängte denn Preußen zu raschem Vor¬
gehen. Aber statt nun auf die Vorschläge einzugehen, welche ihm in preußi¬
schem Auftrage Herzog Karl August im März 1787 unterbreitete, statt, wie
jener wünschte, zu weiterer Besprechung nach Weimar zu kommen, setzte Dal¬
berg seine Mitkapitularen von dem ihnen bisher unbekannten Plane des Kur¬
fürsten, den sehr unbeliebten Dienheim wählen zu lassen, in Kenntniß und
drohte damit alles zu verderben. Sofort unterschrieben 14 Kapitulare von 24
eine Erklärung des Inhalts, daß sie niemals Dienheim wählen würden. Da¬
mit schien aber Fechenbachs Wahl wahrscheinlich zu werden, denn von jenen
14 waren nur 4 für Dalberg, 10 für Fechenbach. Wenn trotzdem des ersteren
Wahl gelang, so verdankte dies Dalberg nicht seinen Bemühungen, sondern
zunächst der Selbstverleugnung des Kurfürsten, der, um seine Politik nicht vom
Nachfolger umwerfen zu lassen, seine Abneigung gegen Dalberg überwand und
die sür Dienheim gewonnenen Stimmen für den Gegenkandidaten zur Dispo¬
sition stellte, dann aber auch, und sogar hauptsächlich, der Käuflichkeit seiner
Mitkapitulare. Denn durch die im ganzen nicht erhebliche Summe von
180000 si. gewann Preußen Dienheim selbst, der auf seinen Antheil 60 000 si.
erhielt, und eine Reihe der andern. So erfolgte am 1. April die Ernennung
Dalbergs zum Koadjutor. Da nun auch Papst Pius VI. das nöthige Lrsvo
ÄissMIitÄtis am 17. April ertheilte, weil er im Fttrstenbunde ein erwünschtes
Gegengewicht gegen Josephs II. Vorgehen in den österreichischen Kirchenver-


lichst bald einen in ihrem Sinne zuverlässigen Koadjutor zu geben und somit
die von ihm eingeschlagene Richtung der Mainzer Politik auch für die Zukunft
zu sichern. Als mögliche Kandidaten erschienen dabei gegenüber dem öster¬
reichisch gesinnten Domherrn Fechenbach die Domherren Dienheim und Dal¬
berg, und ohne Zweifel hat Karl August, in Verbindung mit Stein, die Auf¬
merksamkeit Preußens auf den letzteren gelenkt, der ihm seit Jahren genau
bekannt war. Freilich begünstigte der Kurfürst aus persönlicher Abneigung
gegen den Statthalter von Erfurt Dienheim, und Dalberg selbst erleichterte in
einer Art von idealistischer Auffassung seinen Parteigenossen das Spiel nicht
nur nicht, sondern erschwerte es ihnen sogar, indem er sich sträubte, seine Wahl
auswärtigen, uicht im Mainzer Domkapitel selbst entsprungenen Einflüssen zu
verdanken. Die Sache wurde aber zur rascheren Entscheidung dadurch getrie¬
ben, daß ein von der österreichischen Partei wenigstens begünstigtes Gerücht
behauptete, der Kurfürst-Erzbischof befördere die Wahl eines preußischen Prinzen,
der dann übertreten solle. Diese Eventualität mußte viele bis dahin schwankende
oder arti-österreichisch gesinnte Domherren unfehlbar kopfscheu machen und ins
österreichische Lager treiben, weil offenbar die Unabhängigkeit des Mainzer
Kapitels sehr in Frage gestellt wurde, wenn hinter einem seiner Mitglieder die
norddeutsche Großmacht stand. Dies drängte denn Preußen zu raschem Vor¬
gehen. Aber statt nun auf die Vorschläge einzugehen, welche ihm in preußi¬
schem Auftrage Herzog Karl August im März 1787 unterbreitete, statt, wie
jener wünschte, zu weiterer Besprechung nach Weimar zu kommen, setzte Dal¬
berg seine Mitkapitularen von dem ihnen bisher unbekannten Plane des Kur¬
fürsten, den sehr unbeliebten Dienheim wählen zu lassen, in Kenntniß und
drohte damit alles zu verderben. Sofort unterschrieben 14 Kapitulare von 24
eine Erklärung des Inhalts, daß sie niemals Dienheim wählen würden. Da¬
mit schien aber Fechenbachs Wahl wahrscheinlich zu werden, denn von jenen
14 waren nur 4 für Dalberg, 10 für Fechenbach. Wenn trotzdem des ersteren
Wahl gelang, so verdankte dies Dalberg nicht seinen Bemühungen, sondern
zunächst der Selbstverleugnung des Kurfürsten, der, um seine Politik nicht vom
Nachfolger umwerfen zu lassen, seine Abneigung gegen Dalberg überwand und
die sür Dienheim gewonnenen Stimmen für den Gegenkandidaten zur Dispo¬
sition stellte, dann aber auch, und sogar hauptsächlich, der Käuflichkeit seiner
Mitkapitulare. Denn durch die im ganzen nicht erhebliche Summe von
180000 si. gewann Preußen Dienheim selbst, der auf seinen Antheil 60 000 si.
erhielt, und eine Reihe der andern. So erfolgte am 1. April die Ernennung
Dalbergs zum Koadjutor. Da nun auch Papst Pius VI. das nöthige Lrsvo
ÄissMIitÄtis am 17. April ertheilte, weil er im Fttrstenbunde ein erwünschtes
Gegengewicht gegen Josephs II. Vorgehen in den österreichischen Kirchenver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/356>, abgerufen am 23.07.2024.