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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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Ich habe dieser Gesinnung Alles, Alles zu danken" (26. April 1777). Wieder
anders geartet ist sein Verhältniß zu Schiller, der um 15 Jahre jünger war
als er. Die ersten Anknüpfungen wurden durch Karoline v. Beulwitz (später
Wolzogen), Schillers Schwägerin, vermittelt, die mit ihrer Freundin Karoline
v. Dachröden, der Tochter des preußischen Kammerpräsidenten in Minden, seit
1774 privatistrend in Erfurt, in lebhafter Korrespondenz stand. Unterrichtet von
dem Interesse, welches der Statthalter für ihn an den Tag gelegt, wandte sich
Schiller, seit Mai 1789 bekanntlich mit sehr mäßigem Gehalte Professor der
Geschichte in Jena, im November desselben Jahres brieflich an ihn um eine
angemessene Anstellung und erhielt auch günstige Zusicherungen für den Fall
seiner Thronbesteigung, die damals bei dem schon hohen Alter des Kurfürsten-
Erzbischofs viel näher bevorzustehen schien, als sie in der That war. Seit
dem ersten persönlichen Zusammentreffen beider Männer in Jena am 4. De¬
zember 1789 wurden ihre Beziehungen bald sehr lebhaft. Schiller verweilte
mehrmals längere Zeit in Erfurt, so daß hier sein "Carlos" eher als in Weimar
zur Aufführung kam (25. Februar 1792), und wurde auch Mitglied der Er¬
furter Akademie. Seinen Arbeiten schenkte Dalberg fortwährend die regste
Theilnahme. Er ermunterte ihn, dem Drama statt der Geschichte seine beste
Kraft zu widmen (2. November 1791), empfing jede neue Dichtung mit freu¬
diger Anerkennung, drängte namentlich fortwährend auf Vollendung des "Wallen¬
stein", ja er scheint einen seiner Geistlichen beauftragt zu haben, alles Erreich¬
bare über Wallenstein für Schiller zu sammeln. Begeisterte Aufnahme fand
bei ihm das vollendete Werk (15. September 1800) wie später die "Braut von
Messina" und "Tell". Weniger erfreulich war für Schiller Dalbergs aktive
Theilnahme an den "Hören", für die er 1795 einen "unendlich elenden" Auf¬
satz "Ueber Kunstschulen" lieferte. Fortwährende Besorgniß flößte dem Statt¬
halter der leidende Gesundheitszustand des Dichters ein, der sich seit einem
heftigen Katarrhalfieber, das sich Schiller in Erfurt im Januar 1791 zuzog,
nie wieder von Grund aus besserte. Umsomehr hoffte Schiller auf eine an¬
gemessene Anstellung durch Vermittelung seines Gönners, einmal auch in Würz-
burg (Sommer 1795). Wenn sich aber diese Hoffnungen auch zerschlugen, so
hat der Kurerzkanzler Dalberg nach seiner Thronbesteigung gehalten, was der
Statthalter versprochen hatte; in den Jahren 1803 und 1804 hat er dreimal
beträchtliche Geldunterstützungen, im ganzen über 1800 Thlr., an den Dichter
abgehen lassen, auch den Hinterbliebenen eine Pension von 600 si. gewährt.
Der Tod Schillers traf ihn völlig unerwartet; noch am 17. Mai 1805 hatte
er an ihn geschrieben, getäuscht durch günstige Berichte über seinen Zustand.

Fast um dieselbe Zeit wie zu Schiller trat Dalberg zu Wilhelm v. Hum¬
boldt (geb. 1767) in Beziehung, der im Juni 1791 sich mit Karoline v. Dach-


Ich habe dieser Gesinnung Alles, Alles zu danken" (26. April 1777). Wieder
anders geartet ist sein Verhältniß zu Schiller, der um 15 Jahre jünger war
als er. Die ersten Anknüpfungen wurden durch Karoline v. Beulwitz (später
Wolzogen), Schillers Schwägerin, vermittelt, die mit ihrer Freundin Karoline
v. Dachröden, der Tochter des preußischen Kammerpräsidenten in Minden, seit
1774 privatistrend in Erfurt, in lebhafter Korrespondenz stand. Unterrichtet von
dem Interesse, welches der Statthalter für ihn an den Tag gelegt, wandte sich
Schiller, seit Mai 1789 bekanntlich mit sehr mäßigem Gehalte Professor der
Geschichte in Jena, im November desselben Jahres brieflich an ihn um eine
angemessene Anstellung und erhielt auch günstige Zusicherungen für den Fall
seiner Thronbesteigung, die damals bei dem schon hohen Alter des Kurfürsten-
Erzbischofs viel näher bevorzustehen schien, als sie in der That war. Seit
dem ersten persönlichen Zusammentreffen beider Männer in Jena am 4. De¬
zember 1789 wurden ihre Beziehungen bald sehr lebhaft. Schiller verweilte
mehrmals längere Zeit in Erfurt, so daß hier sein „Carlos" eher als in Weimar
zur Aufführung kam (25. Februar 1792), und wurde auch Mitglied der Er¬
furter Akademie. Seinen Arbeiten schenkte Dalberg fortwährend die regste
Theilnahme. Er ermunterte ihn, dem Drama statt der Geschichte seine beste
Kraft zu widmen (2. November 1791), empfing jede neue Dichtung mit freu¬
diger Anerkennung, drängte namentlich fortwährend auf Vollendung des „Wallen¬
stein", ja er scheint einen seiner Geistlichen beauftragt zu haben, alles Erreich¬
bare über Wallenstein für Schiller zu sammeln. Begeisterte Aufnahme fand
bei ihm das vollendete Werk (15. September 1800) wie später die „Braut von
Messina" und „Tell". Weniger erfreulich war für Schiller Dalbergs aktive
Theilnahme an den „Hören", für die er 1795 einen „unendlich elenden" Auf¬
satz „Ueber Kunstschulen" lieferte. Fortwährende Besorgniß flößte dem Statt¬
halter der leidende Gesundheitszustand des Dichters ein, der sich seit einem
heftigen Katarrhalfieber, das sich Schiller in Erfurt im Januar 1791 zuzog,
nie wieder von Grund aus besserte. Umsomehr hoffte Schiller auf eine an¬
gemessene Anstellung durch Vermittelung seines Gönners, einmal auch in Würz-
burg (Sommer 1795). Wenn sich aber diese Hoffnungen auch zerschlugen, so
hat der Kurerzkanzler Dalberg nach seiner Thronbesteigung gehalten, was der
Statthalter versprochen hatte; in den Jahren 1803 und 1804 hat er dreimal
beträchtliche Geldunterstützungen, im ganzen über 1800 Thlr., an den Dichter
abgehen lassen, auch den Hinterbliebenen eine Pension von 600 si. gewährt.
Der Tod Schillers traf ihn völlig unerwartet; noch am 17. Mai 1805 hatte
er an ihn geschrieben, getäuscht durch günstige Berichte über seinen Zustand.

Fast um dieselbe Zeit wie zu Schiller trat Dalberg zu Wilhelm v. Hum¬
boldt (geb. 1767) in Beziehung, der im Juni 1791 sich mit Karoline v. Dach-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/354>, abgerufen am 23.07.2024.