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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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ist erhebend und macht uns zugleich bescheiden, indem es uns die Beschränktheit
des menschlichen Könnens und Wollens eindringlich zum Bewußtsein bringt.

In dem Suchen nach Lebensspuren im Kosmos sind wir für immer auf
unser Planetensystem beschränkt. Aber dies genügt auch. Von ihm aus dürfen
wir einen Schluß auf das Ganze ziehen. Auch dürfen und müssen wir uns
mit der Durchforschung der nächsten und größten Planeten begnügen; ein Mehr
gestatten unsere Hilfsmittel nicht. Kennen wir das Stadium der Entwickelung
einiger Planeten, fo werden wir im Stande sein, daraus Gesetze sowohl unor¬
ganischer wie organischer Natur für das Planetensystem und darüber hinaus
zu entwickeln. Die Vorbedingungen solcher Kenntniß sind lange Dauer der
Beobachtung und stetige Verbesserung unserer Hilfsmittel für die Beobachtung.

Der einzige Planet, von dem wir mit den heutigen Hilfsmitteln einiger¬
maßen Genaueres erfahren haben, ist der Mars, jener mit hellrothen Scheine am
Nachthimmel glänzende Stern. Zwar kommt uns die Venus von Zeit zu Zeit
näher als der Mars, allein wir können diese Nähe zur Beobachtung nicht be¬
nutzen; denn die Venus steht alsdann, da sie der Sonne näher ist als die
Erde, zwischen Erde und Sonne und kehrt uns somit ihre dunkle Seite zu,
und wenn sie sich ein wenig aus dieser Stellung entfernt hat, so erscheint sie
uns immer erst als eine schmale Sichel. Der Mars dagegen steht von der
Sonne weiter ab als die Erde, er ist folglich immer sichtbar. Unter günstigen
Verhältnissen kann er uns auf etwa 7^2 Millionen Meilen nahe kommen und
zeigt uns dann seine ganze erleuchtete Seite. Auch umhüllt kein undurchdring¬
licher Schleier auf die Dauer seine gesammte Oberfläche, und da er sich gleich
der Erde um seine Achse dreht, so gelingt es, fast die ganze Oberfläche genau
zu beobachten und etwaige Veränderungen, welche darauf im Laufe der Jahre
erfolgen, zu verzeichnen. Der günstige Umstand der größten Nähe tritt, obwohl
Mars und Erde etwa alle zwei Jahre auf ihrem Laufe um die Sonne an
einander vorbeigehen, doch nur ungefähr alle 50 Jahre ein. Die letzte gün¬
stigste Stellung fiel in die zweite Hälfte des Jahres 1877, und die Beobach¬
tung ist mit den jetzt wesentlich verbesserten Teleskopen nicht ohne glückliche
Resultate geblieben. Der Amerikaner Hall entdeckte zwei Monde des Mars,
von denen man bisher keine Ahnung hatte, und Schiaparelli in Mailand gab
uns genauere Kenntniß von der Beschaffenheit der Oberfläche des Planeten
selbst.*)

Die Monde des Mars sind höchst interessant. Sie haben bei weitem nicht



*) Schiaparcllis Resultate sind in der Schrift: 0s8srvÄi!ioni g-stronoraiviis e tisivns oto.
niedergelegt, aus welcher dem größeren deutschen Publikum durch Schmick soeben das Jnteres¬
santeste zugänglich gemacht worden ist. S. Schmick: Der Planet Mars, eine zweite Erde.
Leipzig, Georgi, 1880.

ist erhebend und macht uns zugleich bescheiden, indem es uns die Beschränktheit
des menschlichen Könnens und Wollens eindringlich zum Bewußtsein bringt.

In dem Suchen nach Lebensspuren im Kosmos sind wir für immer auf
unser Planetensystem beschränkt. Aber dies genügt auch. Von ihm aus dürfen
wir einen Schluß auf das Ganze ziehen. Auch dürfen und müssen wir uns
mit der Durchforschung der nächsten und größten Planeten begnügen; ein Mehr
gestatten unsere Hilfsmittel nicht. Kennen wir das Stadium der Entwickelung
einiger Planeten, fo werden wir im Stande sein, daraus Gesetze sowohl unor¬
ganischer wie organischer Natur für das Planetensystem und darüber hinaus
zu entwickeln. Die Vorbedingungen solcher Kenntniß sind lange Dauer der
Beobachtung und stetige Verbesserung unserer Hilfsmittel für die Beobachtung.

Der einzige Planet, von dem wir mit den heutigen Hilfsmitteln einiger¬
maßen Genaueres erfahren haben, ist der Mars, jener mit hellrothen Scheine am
Nachthimmel glänzende Stern. Zwar kommt uns die Venus von Zeit zu Zeit
näher als der Mars, allein wir können diese Nähe zur Beobachtung nicht be¬
nutzen; denn die Venus steht alsdann, da sie der Sonne näher ist als die
Erde, zwischen Erde und Sonne und kehrt uns somit ihre dunkle Seite zu,
und wenn sie sich ein wenig aus dieser Stellung entfernt hat, so erscheint sie
uns immer erst als eine schmale Sichel. Der Mars dagegen steht von der
Sonne weiter ab als die Erde, er ist folglich immer sichtbar. Unter günstigen
Verhältnissen kann er uns auf etwa 7^2 Millionen Meilen nahe kommen und
zeigt uns dann seine ganze erleuchtete Seite. Auch umhüllt kein undurchdring¬
licher Schleier auf die Dauer seine gesammte Oberfläche, und da er sich gleich
der Erde um seine Achse dreht, so gelingt es, fast die ganze Oberfläche genau
zu beobachten und etwaige Veränderungen, welche darauf im Laufe der Jahre
erfolgen, zu verzeichnen. Der günstige Umstand der größten Nähe tritt, obwohl
Mars und Erde etwa alle zwei Jahre auf ihrem Laufe um die Sonne an
einander vorbeigehen, doch nur ungefähr alle 50 Jahre ein. Die letzte gün¬
stigste Stellung fiel in die zweite Hälfte des Jahres 1877, und die Beobach¬
tung ist mit den jetzt wesentlich verbesserten Teleskopen nicht ohne glückliche
Resultate geblieben. Der Amerikaner Hall entdeckte zwei Monde des Mars,
von denen man bisher keine Ahnung hatte, und Schiaparelli in Mailand gab
uns genauere Kenntniß von der Beschaffenheit der Oberfläche des Planeten
selbst.*)

Die Monde des Mars sind höchst interessant. Sie haben bei weitem nicht



*) Schiaparcllis Resultate sind in der Schrift: 0s8srvÄi!ioni g-stronoraiviis e tisivns oto.
niedergelegt, aus welcher dem größeren deutschen Publikum durch Schmick soeben das Jnteres¬
santeste zugänglich gemacht worden ist. S. Schmick: Der Planet Mars, eine zweite Erde.
Leipzig, Georgi, 1880.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/238>, abgerufen am 23.07.2024.