Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.Lduard WöriKe. Geräuschlos, wie es seine eigene Weise war, ist vor Jahresfrist eine Ed. Mörikes Gesammelte Schriften. 4 Bde. Stuttgart, Göschen, 1378. 1. Bd. Gedichte und Idylle vom Bodensee, 2. Bd. Erzählungen. 3. und 4. Bd. Maler Rollen. **) Vgl. die werthvollen Mittheilungen über Mörike von I. E. Günthert in Bir- lingers Alemannia 3, S. 193 ff. Grenzboten IV. 1879. 23
Lduard WöriKe. Geräuschlos, wie es seine eigene Weise war, ist vor Jahresfrist eine Ed. Mörikes Gesammelte Schriften. 4 Bde. Stuttgart, Göschen, 1378. 1. Bd. Gedichte und Idylle vom Bodensee, 2. Bd. Erzählungen. 3. und 4. Bd. Maler Rollen. **) Vgl. die werthvollen Mittheilungen über Mörike von I. E. Günthert in Bir- lingers Alemannia 3, S. 193 ff. Grenzboten IV. 1879. 23
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Lduard WöriKe.
Geräuschlos, wie es seine eigene Weise war, ist vor Jahresfrist eine
Sammlung von Mörikes Schriften ausgegangen.*) Im größeren Publikum
fast unbekannt, wird der Dichter, dessen Lebensertrag in diesen vier Bändchen
vor uns liegt, um so eifriger von einer kleinen „Gemeinde" verehrt. Dies
Verhältniß kann nur schädlich sein. Während anf der einen Seite auch der
Hochgebildete das Recht hat, den Dichter nicht zu keimen, geht auf der andern
dem Konventikel nnr zu leicht der Maßstab für seinen Heiligen verloren. Und
gewinnt etwa der Dichter dabei? Es hat Mörike tief geschmerzt, als ihm einer
unserer gelesensten Literarhistoriker seine „Idylle vom Bodensee" zerfetzte, wie
jener Altfuchs bei Goethe dem Knaben sein Täubchen zerrupft, weit ärger
aber war es ihm, daß nun ein wohlmeinender Retter ihn „über den Uhland"
stellen wollte. Indessen, schädlich oder nicht, ein Verhältniß, das so lange
konstant bleiben konnte, kann nicht ohne Grund sein. Und zwar hat es ohne
Zweifel den doppelten Grund, daß Mörike ein echter Dichter, und daß er ein
im höchsten Grade individueller Dichter ist. Wie es aber nicht das Erste allein
ist, was die „Gemeinde" an ihn fesselt, so ist es leider nicht das Andere allein,
was die Menge von ihm fernhält. Wer einem Dichter, zumal einem so indi¬
viduellen, gerecht werden will, muß sich ihm hingeben, muß lernen ihm nach¬
zuempfinden. „Von Meistern lernen wir immer und in allerlei Weise. Zu¬
nächst natürlich von ihren Vorzügen, dann noch von ihren Mängeln. Besonders
lehrreich aber ist, was uns erst als Mangel erschienen war, als Vorzug erkennen
lernen." So schrieb auf seinem letzten Krankenbette David Strauß, und die
Betrachtung, die er mit diesen Worten einleitete, galt Mörike.^) Mehr als
25 Jahre früher schon hatte er Mörikes geistige Physiognomie mit wenigen
Ed. Mörikes Gesammelte Schriften. 4 Bde. Stuttgart, Göschen, 1378.
1. Bd. Gedichte und Idylle vom Bodensee, 2. Bd. Erzählungen. 3. und 4. Bd. Maler Rollen.
**) Vgl. die werthvollen Mittheilungen über Mörike von I. E. Günthert in Bir-
lingers Alemannia 3, S. 193 ff.
Grenzboten IV. 1879. 23
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