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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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derselbe schmählich durch, nachdem der Vorstand der Münchener Künstlergenossen¬
schaft die denkwürdigen Worte gesprochen hatte: Kunstausstellungen
werden nicht abgehalten, um Allotria aus denselben zu treiben.

' Mit diesem Ausspruch war die tiefe Kluft in der Künstlerschaft gezogen.
Piloty und Lenbach und ihre mehr oder weniger talentvollen Anhänger erklärten
ihren Austritt aus der Genossenschaft und gründeten die Gesellschaft -- "Allotria".
Den Kern derselben bildete ein kleines Häuflein hervorragender Künstler, denen
sich aber bald solche Elemente anschlössen, die, um für sich selbst beim Publikum
Reklame zu machen, sür ihre Freunde und die Häupter der Partei überall Pro¬
paganda machten, dieselben zu Koryphäen aufputzten, in deren Gesellschaft sich
jeder angehende Kunstjünger bei dem Abglanz dieser leuchtenden Sterne zum
Muster erhoben fühle. So wuchsen Koryphäen in München, die, von Schmeich¬
lern umgeben und vom eigenen Wohlgeruch betäubt, in der Kunst nur noch das
Mittel sahen, ihren krankhaften Ehrgeiz zu befriedigen, die am liebsten ganz
allein auf einer internationalen Ausstellung vertreten gewesen wären. Der
natürliche Ehrgeiz eines strebenden Künstlers wurde vielfach durch diese unge¬
sunden Zustände mit angekränkelt und endigte bei manchem mit totalen Größen-
Wahnsinn. Die "Allotria" aber veranstaltete, um überall von sich reden zu
machen, großartige Kostümfeste, welche sich früheren Künstlerfesten gegenüber
durch protzenhaft prachtvolle Ausstattung auszeichneten. Der harmlos liebens¬
würdige Humor der früheren Feste wurde durch äußerliche Pracht in den Hinter¬
grund gedrängt. Der materielle Geist der Gründerzeit beförderte dieses Streben,
und die sinnbestrickende Aeußerlichkeit, die reine Dekoration kam dadurch in der
Kunst zur Herrschaft und mit ihr das technische Virtuosenthum. Nun hatte
diese Umwälzung allerdings auch ihre wohlthätige Wirkung; sie führte zu einer
malerischen Behandlung der Stoffe -- der Stoffe im materiellsten Sinne des
Wortes --, auf die früher nur wenig gehalten wurde, und die doch wesentlich
mit zur Vollendung eines Kunstwerkes beiträgt. So gewann die "Allotria" durch
ihr Auftreten und Eingreifen in die Münchener Gesellschaftsverhältnisse auch
einen indirekten in der Kunst selbst, der sich durch das Arrangement der Kunst-
und kunstgewerblichen Ausstellung im Jahre 1876 noch vermehrte und ihr im
Jahre 1879 bei dem Arrangement der internationalen Kunstausstellung geradezu
diktatorische Gewalt verlieh.

Bei der vom Kunstgewerbeverein in München im Jahre 1876 abgehalte¬
nen Kunst- und Kunstgewerbeausstellnng waren es, neben den opferwilligen
Leistungen einer Zahl Kunstgewerbtreibender, namentlich die hervorragenden
Verdienste des Vorstands des Kunstgewerbevereins, sowie einer Anzahl von
Kunst- und Alterthumsfreunden, von bedeutenden Gelehrten und hohen Gönnern,
welche es ermöglichten, daß "die Werke unserer Väter", sowie die Kunst- und


derselbe schmählich durch, nachdem der Vorstand der Münchener Künstlergenossen¬
schaft die denkwürdigen Worte gesprochen hatte: Kunstausstellungen
werden nicht abgehalten, um Allotria aus denselben zu treiben.

' Mit diesem Ausspruch war die tiefe Kluft in der Künstlerschaft gezogen.
Piloty und Lenbach und ihre mehr oder weniger talentvollen Anhänger erklärten
ihren Austritt aus der Genossenschaft und gründeten die Gesellschaft — „Allotria".
Den Kern derselben bildete ein kleines Häuflein hervorragender Künstler, denen
sich aber bald solche Elemente anschlössen, die, um für sich selbst beim Publikum
Reklame zu machen, sür ihre Freunde und die Häupter der Partei überall Pro¬
paganda machten, dieselben zu Koryphäen aufputzten, in deren Gesellschaft sich
jeder angehende Kunstjünger bei dem Abglanz dieser leuchtenden Sterne zum
Muster erhoben fühle. So wuchsen Koryphäen in München, die, von Schmeich¬
lern umgeben und vom eigenen Wohlgeruch betäubt, in der Kunst nur noch das
Mittel sahen, ihren krankhaften Ehrgeiz zu befriedigen, die am liebsten ganz
allein auf einer internationalen Ausstellung vertreten gewesen wären. Der
natürliche Ehrgeiz eines strebenden Künstlers wurde vielfach durch diese unge¬
sunden Zustände mit angekränkelt und endigte bei manchem mit totalen Größen-
Wahnsinn. Die „Allotria" aber veranstaltete, um überall von sich reden zu
machen, großartige Kostümfeste, welche sich früheren Künstlerfesten gegenüber
durch protzenhaft prachtvolle Ausstattung auszeichneten. Der harmlos liebens¬
würdige Humor der früheren Feste wurde durch äußerliche Pracht in den Hinter¬
grund gedrängt. Der materielle Geist der Gründerzeit beförderte dieses Streben,
und die sinnbestrickende Aeußerlichkeit, die reine Dekoration kam dadurch in der
Kunst zur Herrschaft und mit ihr das technische Virtuosenthum. Nun hatte
diese Umwälzung allerdings auch ihre wohlthätige Wirkung; sie führte zu einer
malerischen Behandlung der Stoffe — der Stoffe im materiellsten Sinne des
Wortes —, auf die früher nur wenig gehalten wurde, und die doch wesentlich
mit zur Vollendung eines Kunstwerkes beiträgt. So gewann die „Allotria" durch
ihr Auftreten und Eingreifen in die Münchener Gesellschaftsverhältnisse auch
einen indirekten in der Kunst selbst, der sich durch das Arrangement der Kunst-
und kunstgewerblichen Ausstellung im Jahre 1876 noch vermehrte und ihr im
Jahre 1879 bei dem Arrangement der internationalen Kunstausstellung geradezu
diktatorische Gewalt verlieh.

Bei der vom Kunstgewerbeverein in München im Jahre 1876 abgehalte¬
nen Kunst- und Kunstgewerbeausstellnng waren es, neben den opferwilligen
Leistungen einer Zahl Kunstgewerbtreibender, namentlich die hervorragenden
Verdienste des Vorstands des Kunstgewerbevereins, sowie einer Anzahl von
Kunst- und Alterthumsfreunden, von bedeutenden Gelehrten und hohen Gönnern,
welche es ermöglichten, daß „die Werke unserer Väter", sowie die Kunst- und


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[0172] derselbe schmählich durch, nachdem der Vorstand der Münchener Künstlergenossen¬ schaft die denkwürdigen Worte gesprochen hatte: Kunstausstellungen werden nicht abgehalten, um Allotria aus denselben zu treiben. ' Mit diesem Ausspruch war die tiefe Kluft in der Künstlerschaft gezogen. Piloty und Lenbach und ihre mehr oder weniger talentvollen Anhänger erklärten ihren Austritt aus der Genossenschaft und gründeten die Gesellschaft — „Allotria". Den Kern derselben bildete ein kleines Häuflein hervorragender Künstler, denen sich aber bald solche Elemente anschlössen, die, um für sich selbst beim Publikum Reklame zu machen, sür ihre Freunde und die Häupter der Partei überall Pro¬ paganda machten, dieselben zu Koryphäen aufputzten, in deren Gesellschaft sich jeder angehende Kunstjünger bei dem Abglanz dieser leuchtenden Sterne zum Muster erhoben fühle. So wuchsen Koryphäen in München, die, von Schmeich¬ lern umgeben und vom eigenen Wohlgeruch betäubt, in der Kunst nur noch das Mittel sahen, ihren krankhaften Ehrgeiz zu befriedigen, die am liebsten ganz allein auf einer internationalen Ausstellung vertreten gewesen wären. Der natürliche Ehrgeiz eines strebenden Künstlers wurde vielfach durch diese unge¬ sunden Zustände mit angekränkelt und endigte bei manchem mit totalen Größen- Wahnsinn. Die „Allotria" aber veranstaltete, um überall von sich reden zu machen, großartige Kostümfeste, welche sich früheren Künstlerfesten gegenüber durch protzenhaft prachtvolle Ausstattung auszeichneten. Der harmlos liebens¬ würdige Humor der früheren Feste wurde durch äußerliche Pracht in den Hinter¬ grund gedrängt. Der materielle Geist der Gründerzeit beförderte dieses Streben, und die sinnbestrickende Aeußerlichkeit, die reine Dekoration kam dadurch in der Kunst zur Herrschaft und mit ihr das technische Virtuosenthum. Nun hatte diese Umwälzung allerdings auch ihre wohlthätige Wirkung; sie führte zu einer malerischen Behandlung der Stoffe — der Stoffe im materiellsten Sinne des Wortes —, auf die früher nur wenig gehalten wurde, und die doch wesentlich mit zur Vollendung eines Kunstwerkes beiträgt. So gewann die „Allotria" durch ihr Auftreten und Eingreifen in die Münchener Gesellschaftsverhältnisse auch einen indirekten in der Kunst selbst, der sich durch das Arrangement der Kunst- und kunstgewerblichen Ausstellung im Jahre 1876 noch vermehrte und ihr im Jahre 1879 bei dem Arrangement der internationalen Kunstausstellung geradezu diktatorische Gewalt verlieh. Bei der vom Kunstgewerbeverein in München im Jahre 1876 abgehalte¬ nen Kunst- und Kunstgewerbeausstellnng waren es, neben den opferwilligen Leistungen einer Zahl Kunstgewerbtreibender, namentlich die hervorragenden Verdienste des Vorstands des Kunstgewerbevereins, sowie einer Anzahl von Kunst- und Alterthumsfreunden, von bedeutenden Gelehrten und hohen Gönnern, welche es ermöglichten, daß „die Werke unserer Väter", sowie die Kunst- und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/172>, abgerufen am 23.07.2024.