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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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internationale Kunstausstellung abgehalten. Nur die Hälfte des Ausstellungs¬
raumes stand damals zur Verfügung, weil zu gleicher Zeit eine gewerbliche
Ausstellung stattfand. Aber trotzdem war jene Ausstellung um mehr als tausend
Nummern reicher als die diesjährige und repräsentirte eine vielseitigere Thätig¬
keit der deutschen Kunst. Freilich war damals kein so furchtbares Tribunal der
Jury in Thätigkeit, das mit unbarmherziger Strenge Alles verdammte, was
nicht nach der einseitigen Schablone moderner Münchener Kunstanschauung ge¬
arbeitet war. Das schwere Richteramt übte im Jahre 1869 der Ausschuß der
Künstlergenossenschaft, welcher auch aus seiner Mitte die Henker -- richtiger
gesagt die Bilderhänge-Kommission -- ernannte. An Stelle der jetzigen prunk¬
voll hergerichteten Ausstellungsräume durchzogen einfache, rothbraun und grau
gestrichene Bretterwände den luftigen Glaspalast, und diese nackten Wände waren
verkleidet mit den geiht- und gemüthvollen, form- und farbenglänzenden Kunstproduk¬
ten der betheiligten Nationen. Aber trotz des ewig wechselnden, vielfach ungünstigen
Ober- und Seitenlichtes strahlte uns doch der unwiderstehliche Zauber der Kunst aus
vielen Werken entgegen und hielt die Sinne gefangen. Jedes, ein besseres Streben
verrathende Bildwerk, gleichviel welcher Richtung es angehörte, wurde zugelassen
und dadurch eine Vielseitigkeit erzielt, welche die weniger prächtige Ausstattung
der Räume vergessen ließ und einen glänzenden Erfolg ergab. Durch die große"
materiellen Erfolge hatte München aber auch als Markt einen Namen bekommen
und zog in Folge dessen nicht blos eine reiche Zahl von Käufern, sondern auch
aus aller Herren Ländern viele angehende und ausübende Künstler an; die ersteren
zeigten sich allerdings nach dem verhüngnißvollen Krach des Jahres 1873 immer
seltener, aber die letzteren vermehrten sich sogar dann noch, da bei der all¬
gemeinen Nothlage so mancher noch in dem renommirten Jsar-Athen sein Glück
zu finden hoffte.

So wurde München durch den glänzenden Erfolg des Jahres 1869 zur
Metropole deutscher Kunstthätigkeit. Fröhlicher Jugendmuth schwellte die Künstler¬
brust und trieb jeden zu frischem Schaffen. Selbst das unheimliche Wetter¬
leuchten am politischen Himmel im Jahre 1870 hatte keinen Einfluß auf die
rapide Entwickelung dieses neu erwachten Kunstlebens, und als erst der mächtige
Siegesjubel durch die deutschen Lande scholl und der Milliardensegen herein¬
strömte, da kamen goldene Tage für die Künstler.

Aber nicht für die Kunst. Das beseligende Gefühl, den Hauptlohn für
das ideale Streben in der künstlerischen Thätigkeit selbst zu suchen, war bald
in vielen erloschen, und der schnöde Gelderwerb wurde die Triebfeder hand¬
werksmäßiger Kunstthätigkeit, zog eine Unzahl von Knnstjüngern aus allen Ge¬
sellschaftsschichten und Ländern nach München. Reiche Taugenichtse, alte Jungfern,
pensionirte Militärs, Staatsbeamte, welche einem langsamen Avancement entgegen-


internationale Kunstausstellung abgehalten. Nur die Hälfte des Ausstellungs¬
raumes stand damals zur Verfügung, weil zu gleicher Zeit eine gewerbliche
Ausstellung stattfand. Aber trotzdem war jene Ausstellung um mehr als tausend
Nummern reicher als die diesjährige und repräsentirte eine vielseitigere Thätig¬
keit der deutschen Kunst. Freilich war damals kein so furchtbares Tribunal der
Jury in Thätigkeit, das mit unbarmherziger Strenge Alles verdammte, was
nicht nach der einseitigen Schablone moderner Münchener Kunstanschauung ge¬
arbeitet war. Das schwere Richteramt übte im Jahre 1869 der Ausschuß der
Künstlergenossenschaft, welcher auch aus seiner Mitte die Henker — richtiger
gesagt die Bilderhänge-Kommission — ernannte. An Stelle der jetzigen prunk¬
voll hergerichteten Ausstellungsräume durchzogen einfache, rothbraun und grau
gestrichene Bretterwände den luftigen Glaspalast, und diese nackten Wände waren
verkleidet mit den geiht- und gemüthvollen, form- und farbenglänzenden Kunstproduk¬
ten der betheiligten Nationen. Aber trotz des ewig wechselnden, vielfach ungünstigen
Ober- und Seitenlichtes strahlte uns doch der unwiderstehliche Zauber der Kunst aus
vielen Werken entgegen und hielt die Sinne gefangen. Jedes, ein besseres Streben
verrathende Bildwerk, gleichviel welcher Richtung es angehörte, wurde zugelassen
und dadurch eine Vielseitigkeit erzielt, welche die weniger prächtige Ausstattung
der Räume vergessen ließ und einen glänzenden Erfolg ergab. Durch die große»
materiellen Erfolge hatte München aber auch als Markt einen Namen bekommen
und zog in Folge dessen nicht blos eine reiche Zahl von Käufern, sondern auch
aus aller Herren Ländern viele angehende und ausübende Künstler an; die ersteren
zeigten sich allerdings nach dem verhüngnißvollen Krach des Jahres 1873 immer
seltener, aber die letzteren vermehrten sich sogar dann noch, da bei der all¬
gemeinen Nothlage so mancher noch in dem renommirten Jsar-Athen sein Glück
zu finden hoffte.

So wurde München durch den glänzenden Erfolg des Jahres 1869 zur
Metropole deutscher Kunstthätigkeit. Fröhlicher Jugendmuth schwellte die Künstler¬
brust und trieb jeden zu frischem Schaffen. Selbst das unheimliche Wetter¬
leuchten am politischen Himmel im Jahre 1870 hatte keinen Einfluß auf die
rapide Entwickelung dieses neu erwachten Kunstlebens, und als erst der mächtige
Siegesjubel durch die deutschen Lande scholl und der Milliardensegen herein¬
strömte, da kamen goldene Tage für die Künstler.

Aber nicht für die Kunst. Das beseligende Gefühl, den Hauptlohn für
das ideale Streben in der künstlerischen Thätigkeit selbst zu suchen, war bald
in vielen erloschen, und der schnöde Gelderwerb wurde die Triebfeder hand¬
werksmäßiger Kunstthätigkeit, zog eine Unzahl von Knnstjüngern aus allen Ge¬
sellschaftsschichten und Ländern nach München. Reiche Taugenichtse, alte Jungfern,
pensionirte Militärs, Staatsbeamte, welche einem langsamen Avancement entgegen-


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[0170] internationale Kunstausstellung abgehalten. Nur die Hälfte des Ausstellungs¬ raumes stand damals zur Verfügung, weil zu gleicher Zeit eine gewerbliche Ausstellung stattfand. Aber trotzdem war jene Ausstellung um mehr als tausend Nummern reicher als die diesjährige und repräsentirte eine vielseitigere Thätig¬ keit der deutschen Kunst. Freilich war damals kein so furchtbares Tribunal der Jury in Thätigkeit, das mit unbarmherziger Strenge Alles verdammte, was nicht nach der einseitigen Schablone moderner Münchener Kunstanschauung ge¬ arbeitet war. Das schwere Richteramt übte im Jahre 1869 der Ausschuß der Künstlergenossenschaft, welcher auch aus seiner Mitte die Henker — richtiger gesagt die Bilderhänge-Kommission — ernannte. An Stelle der jetzigen prunk¬ voll hergerichteten Ausstellungsräume durchzogen einfache, rothbraun und grau gestrichene Bretterwände den luftigen Glaspalast, und diese nackten Wände waren verkleidet mit den geiht- und gemüthvollen, form- und farbenglänzenden Kunstproduk¬ ten der betheiligten Nationen. Aber trotz des ewig wechselnden, vielfach ungünstigen Ober- und Seitenlichtes strahlte uns doch der unwiderstehliche Zauber der Kunst aus vielen Werken entgegen und hielt die Sinne gefangen. Jedes, ein besseres Streben verrathende Bildwerk, gleichviel welcher Richtung es angehörte, wurde zugelassen und dadurch eine Vielseitigkeit erzielt, welche die weniger prächtige Ausstattung der Räume vergessen ließ und einen glänzenden Erfolg ergab. Durch die große» materiellen Erfolge hatte München aber auch als Markt einen Namen bekommen und zog in Folge dessen nicht blos eine reiche Zahl von Käufern, sondern auch aus aller Herren Ländern viele angehende und ausübende Künstler an; die ersteren zeigten sich allerdings nach dem verhüngnißvollen Krach des Jahres 1873 immer seltener, aber die letzteren vermehrten sich sogar dann noch, da bei der all¬ gemeinen Nothlage so mancher noch in dem renommirten Jsar-Athen sein Glück zu finden hoffte. So wurde München durch den glänzenden Erfolg des Jahres 1869 zur Metropole deutscher Kunstthätigkeit. Fröhlicher Jugendmuth schwellte die Künstler¬ brust und trieb jeden zu frischem Schaffen. Selbst das unheimliche Wetter¬ leuchten am politischen Himmel im Jahre 1870 hatte keinen Einfluß auf die rapide Entwickelung dieses neu erwachten Kunstlebens, und als erst der mächtige Siegesjubel durch die deutschen Lande scholl und der Milliardensegen herein¬ strömte, da kamen goldene Tage für die Künstler. Aber nicht für die Kunst. Das beseligende Gefühl, den Hauptlohn für das ideale Streben in der künstlerischen Thätigkeit selbst zu suchen, war bald in vielen erloschen, und der schnöde Gelderwerb wurde die Triebfeder hand¬ werksmäßiger Kunstthätigkeit, zog eine Unzahl von Knnstjüngern aus allen Ge¬ sellschaftsschichten und Ländern nach München. Reiche Taugenichtse, alte Jungfern, pensionirte Militärs, Staatsbeamte, welche einem langsamen Avancement entgegen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/170>, abgerufen am 23.07.2024.