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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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dischen Umstände gefehlt zu haben. Allerdings verhindert sein plötzliches Ende
inmitten der besten Lebensjahre ein abschließendes Urtheil über seine schöpferi¬
sche Kraft.

Am Kaiserhofe ließ man sich den Sturz des Andreas Mthory,, dem auf
der Flucht Bauern ein elendes Ende bereiteten, gern gefallen und kündete ins
Reich hinein Michaels Thaten als große Siege der Christenheit an.. Vielleicht
daß eine entschlossene Politik, die sich vertauensvoll der Rumänen als Vor¬
kämpfer gegen den Halbmond bediente, auch Michael auf ein größeres Ziel
hingelenkt hätte. Aber davon war bei Rudolf II. nicht die Rede. Das Ziel
seiner Räthe war: Michael so lange hinzuziehen, bis man selbst die von seinen
Waffen errungenen Vortheile einernten könnte. So wurde auch Michael wieder
zu seiner Schaukelpolitik zwischen dem Sultan und dem Kaiser getrieben. In
Siebenbürgen behauptete er sich uur durch die Gewalt, gestützt auf sein wildes
und rachsüchtiges Heer. Auf längere Zeit war dies nicht durchzuführen. Daher
die immer eifrigerer Bemühungen, von Rudolf eine regelrechte Anerkennung seiner
Statthalterschaft und Sold für sein Heer zu erlangen, denen dieser die bekannte
österreichische Zähigkeit entgegensetzte. Mittlerweile erstand ihm ein persönlicher
Gegner in dem Kommandanten der kaiserlichen Truppen in Ungarn, dem Ge¬
neral Basta von italienischer Abkunft. Der Grund seines Hasses gegen Mi¬
chael wird nicht recht klar, es war doch wohl mehr als militärische und poli¬
tische Rivalität. Im Einverständnisse mit ihm erhob sich 1600 der ungarische
Adel Siebenbürgens gegen Michael, bald folgten auch die sächsischen Städte,
und nun stieß Basta mit seinen Truppen zu ihnen. Bei Miriszlo, auf dem
Wege von Weißenburg nach Klausenburg, fand am 18. September das ent¬
scheidende Treffen statt. Michael ließ sich aus seiner festen Stellung, deren
Uneinnehmbarkeit der schlaue Italiener wohl erkannt hatte, durch verstellte
Flucht herauslocken und erlitt dann auf freiem Felde durch die besser geschulten
und besser geführten Truppen des Gegners eine völlige Niederlage, der er
mit Mühe und Noth persönlich entrann. 11000 Leichen deckten das Schlachtfeld.

Der polnische Kanzler Zamoyski, längst voll Eifersucht auf die Verbindung
Michaels mit dem Kaiser, hatte nur auf diesen Moment gewartet, um seiner¬
seits die Moldau zu besetzen und in Simeon Moyila auch einen Gegenpräten¬
denten für den wallachischen Woewodenstuhl aufzustellen. Die neue Niederlage
am Telegaflusse, am 20. Oktober, und der Abfall seiner Bojaren brachte Michael
auch um die Wallachei und machte ihn zum heimatlosen Flüchtling. Aber er
gab seine Sache noch nicht auf. Seine geistige Spannkraft, seine rasche und
leichte Entschlossenheit, immer wieder neue Mittel anzuwenden und neue Wege
einzuschlagen, seine Kunst, die Menschen zu gewinnen und die Verhältnisse aus¬
zubeuten, war noch nicht überwunden. Nach einem Vertrage mit dem öfter-


dischen Umstände gefehlt zu haben. Allerdings verhindert sein plötzliches Ende
inmitten der besten Lebensjahre ein abschließendes Urtheil über seine schöpferi¬
sche Kraft.

Am Kaiserhofe ließ man sich den Sturz des Andreas Mthory,, dem auf
der Flucht Bauern ein elendes Ende bereiteten, gern gefallen und kündete ins
Reich hinein Michaels Thaten als große Siege der Christenheit an.. Vielleicht
daß eine entschlossene Politik, die sich vertauensvoll der Rumänen als Vor¬
kämpfer gegen den Halbmond bediente, auch Michael auf ein größeres Ziel
hingelenkt hätte. Aber davon war bei Rudolf II. nicht die Rede. Das Ziel
seiner Räthe war: Michael so lange hinzuziehen, bis man selbst die von seinen
Waffen errungenen Vortheile einernten könnte. So wurde auch Michael wieder
zu seiner Schaukelpolitik zwischen dem Sultan und dem Kaiser getrieben. In
Siebenbürgen behauptete er sich uur durch die Gewalt, gestützt auf sein wildes
und rachsüchtiges Heer. Auf längere Zeit war dies nicht durchzuführen. Daher
die immer eifrigerer Bemühungen, von Rudolf eine regelrechte Anerkennung seiner
Statthalterschaft und Sold für sein Heer zu erlangen, denen dieser die bekannte
österreichische Zähigkeit entgegensetzte. Mittlerweile erstand ihm ein persönlicher
Gegner in dem Kommandanten der kaiserlichen Truppen in Ungarn, dem Ge¬
neral Basta von italienischer Abkunft. Der Grund seines Hasses gegen Mi¬
chael wird nicht recht klar, es war doch wohl mehr als militärische und poli¬
tische Rivalität. Im Einverständnisse mit ihm erhob sich 1600 der ungarische
Adel Siebenbürgens gegen Michael, bald folgten auch die sächsischen Städte,
und nun stieß Basta mit seinen Truppen zu ihnen. Bei Miriszlo, auf dem
Wege von Weißenburg nach Klausenburg, fand am 18. September das ent¬
scheidende Treffen statt. Michael ließ sich aus seiner festen Stellung, deren
Uneinnehmbarkeit der schlaue Italiener wohl erkannt hatte, durch verstellte
Flucht herauslocken und erlitt dann auf freiem Felde durch die besser geschulten
und besser geführten Truppen des Gegners eine völlige Niederlage, der er
mit Mühe und Noth persönlich entrann. 11000 Leichen deckten das Schlachtfeld.

Der polnische Kanzler Zamoyski, längst voll Eifersucht auf die Verbindung
Michaels mit dem Kaiser, hatte nur auf diesen Moment gewartet, um seiner¬
seits die Moldau zu besetzen und in Simeon Moyila auch einen Gegenpräten¬
denten für den wallachischen Woewodenstuhl aufzustellen. Die neue Niederlage
am Telegaflusse, am 20. Oktober, und der Abfall seiner Bojaren brachte Michael
auch um die Wallachei und machte ihn zum heimatlosen Flüchtling. Aber er
gab seine Sache noch nicht auf. Seine geistige Spannkraft, seine rasche und
leichte Entschlossenheit, immer wieder neue Mittel anzuwenden und neue Wege
einzuschlagen, seine Kunst, die Menschen zu gewinnen und die Verhältnisse aus¬
zubeuten, war noch nicht überwunden. Nach einem Vertrage mit dem öfter-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/140>, abgerufen am 23.07.2024.