Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Treffliches und auch für die Zukunft segensreiches geschaffen hat. Am wenig¬
sten, wie sich leicht denken läßt, gelang es ihm, in der auswärtigen Politik
nennenswerthe Erfolge zu erzielen. Aber er hat es doch verstanden, mit Ru߬
land, das über den Sturz Bernstorff's und die Rehabilitirung Rantzcm's
empfindlich gereizt war, ein friedliches, wenn auch kühles Verhältniß aufrecht
zu erhalten und jeden fremden Einfluß auf die inneren Angelegenheiten
Dänemark's abzuwehren, wie er sich anch nicht verleiten ließ, durch Einmischung
in schwächere Nachbarstaaten die Interessen seines Staates, zu gefährden. Auf
dem eigensten Gebiete aber fühlte er sich, wo er Hand anlegen konnte an die
Ausrottung der zahllosen Mißstände, an denen Dänemark damals krankte, und
an die Herbeiführung freisinniger und zeitgemäßer Reformen. Hier reiften ihm
auch die schönsten Früchte. Schon kurze Zeit nach dem Beginn seiner Reform¬
thätigkeit durfte er sich sagen, daß ein neuer Geist, eine bessere Ordnung auf
allen Gebieten des Staates lebe und herrsche. Die sonst so schwerfällige Ver¬
waltung wurde vereinfacht und streng zentralisirt, die Regierungskollegien im
Interesse der Beschleunigung des Geschäftsganges umgestaltet und ihrer bis¬
herigen Selbständigkeit entkleidet, das Finanz- und Justizwesen von Grund aus
reformirt. Durch Einführung der strengsten Sparsamkeit im Haushalte, die
Verminderung der Ausgaben und Erhöhung der Einnahmen besserten sich die
ganz zerrütteten Finanzen. Die Besetzung der Staatsämter erfolgte nur noch
mit Rücksicht auf die Tüchtigkeit der Bewerber, nicht auf hohe Geburt oder
wohlwollende Protektion. Der lächerlichen, aber in allen Kreisen verbreiteten
Rang- und Titelsucht wurde ebenso energisch entgegengetreten wie der einge¬
rissenen Unsitte, die Lakaien der vornehmen Herren in öffentliche Aemter zu be¬
fördern. Während der stolze, hochmüthige Adel ein Vorrecht nach dem andern
verlor, athmete der Bauernstand auf, befreit von den drückendsten Lasten und
belebt von der Hoffnung, von dem Joche der Leibeigenschaft endlich erlöst zu
werden. Mit der Einführung uneingeschränkter Preßfreiheit schwand der bisher
geübte geistige Druck, und Milderung harter Strafgesetze, sowie die Abschaffung
der Tortur dienten zur Verbreitung humanerer Anschauungen. So regte sich
überall frisches, hoffnungsreiches Leben.

Allein das Bild hatte auch seine Kehrseite. Es konnte nicht fehlen, daß
unter den Hunderten von Anordnungen und Neuerungen, die Struensee's nie
ermattender, an Ideen unerschöpflicher Geist diktirte, sich auch manche befanden,
die ihren Zweck vollständig verfehlten und selbst bei deu Bestgesinnten schweren
Anstoß erregten. Auch das war ein großer Uebelstand, daß die Reformen sich
mit solcher Hast überstürzten, daß nothwendig eine allgemeine Verwirrung und
Zerrüttung der Verhältnisse entstehen mußte. Vor allem aber bedachte Struensee
nicht, daß er erst den Boden hätte bearbeiten müssen, in dem sein Reformwerk


Treffliches und auch für die Zukunft segensreiches geschaffen hat. Am wenig¬
sten, wie sich leicht denken läßt, gelang es ihm, in der auswärtigen Politik
nennenswerthe Erfolge zu erzielen. Aber er hat es doch verstanden, mit Ru߬
land, das über den Sturz Bernstorff's und die Rehabilitirung Rantzcm's
empfindlich gereizt war, ein friedliches, wenn auch kühles Verhältniß aufrecht
zu erhalten und jeden fremden Einfluß auf die inneren Angelegenheiten
Dänemark's abzuwehren, wie er sich anch nicht verleiten ließ, durch Einmischung
in schwächere Nachbarstaaten die Interessen seines Staates, zu gefährden. Auf
dem eigensten Gebiete aber fühlte er sich, wo er Hand anlegen konnte an die
Ausrottung der zahllosen Mißstände, an denen Dänemark damals krankte, und
an die Herbeiführung freisinniger und zeitgemäßer Reformen. Hier reiften ihm
auch die schönsten Früchte. Schon kurze Zeit nach dem Beginn seiner Reform¬
thätigkeit durfte er sich sagen, daß ein neuer Geist, eine bessere Ordnung auf
allen Gebieten des Staates lebe und herrsche. Die sonst so schwerfällige Ver¬
waltung wurde vereinfacht und streng zentralisirt, die Regierungskollegien im
Interesse der Beschleunigung des Geschäftsganges umgestaltet und ihrer bis¬
herigen Selbständigkeit entkleidet, das Finanz- und Justizwesen von Grund aus
reformirt. Durch Einführung der strengsten Sparsamkeit im Haushalte, die
Verminderung der Ausgaben und Erhöhung der Einnahmen besserten sich die
ganz zerrütteten Finanzen. Die Besetzung der Staatsämter erfolgte nur noch
mit Rücksicht auf die Tüchtigkeit der Bewerber, nicht auf hohe Geburt oder
wohlwollende Protektion. Der lächerlichen, aber in allen Kreisen verbreiteten
Rang- und Titelsucht wurde ebenso energisch entgegengetreten wie der einge¬
rissenen Unsitte, die Lakaien der vornehmen Herren in öffentliche Aemter zu be¬
fördern. Während der stolze, hochmüthige Adel ein Vorrecht nach dem andern
verlor, athmete der Bauernstand auf, befreit von den drückendsten Lasten und
belebt von der Hoffnung, von dem Joche der Leibeigenschaft endlich erlöst zu
werden. Mit der Einführung uneingeschränkter Preßfreiheit schwand der bisher
geübte geistige Druck, und Milderung harter Strafgesetze, sowie die Abschaffung
der Tortur dienten zur Verbreitung humanerer Anschauungen. So regte sich
überall frisches, hoffnungsreiches Leben.

Allein das Bild hatte auch seine Kehrseite. Es konnte nicht fehlen, daß
unter den Hunderten von Anordnungen und Neuerungen, die Struensee's nie
ermattender, an Ideen unerschöpflicher Geist diktirte, sich auch manche befanden,
die ihren Zweck vollständig verfehlten und selbst bei deu Bestgesinnten schweren
Anstoß erregten. Auch das war ein großer Uebelstand, daß die Reformen sich
mit solcher Hast überstürzten, daß nothwendig eine allgemeine Verwirrung und
Zerrüttung der Verhältnisse entstehen mußte. Vor allem aber bedachte Struensee
nicht, daß er erst den Boden hätte bearbeiten müssen, in dem sein Reformwerk


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0073" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142570"/>
          <p xml:id="ID_201" prev="#ID_200"> Treffliches und auch für die Zukunft segensreiches geschaffen hat. Am wenig¬<lb/>
sten, wie sich leicht denken läßt, gelang es ihm, in der auswärtigen Politik<lb/>
nennenswerthe Erfolge zu erzielen. Aber er hat es doch verstanden, mit Ru߬<lb/>
land, das über den Sturz Bernstorff's und die Rehabilitirung Rantzcm's<lb/>
empfindlich gereizt war, ein friedliches, wenn auch kühles Verhältniß aufrecht<lb/>
zu erhalten und jeden fremden Einfluß auf die inneren Angelegenheiten<lb/>
Dänemark's abzuwehren, wie er sich anch nicht verleiten ließ, durch Einmischung<lb/>
in schwächere Nachbarstaaten die Interessen seines Staates, zu gefährden. Auf<lb/>
dem eigensten Gebiete aber fühlte er sich, wo er Hand anlegen konnte an die<lb/>
Ausrottung der zahllosen Mißstände, an denen Dänemark damals krankte, und<lb/>
an die Herbeiführung freisinniger und zeitgemäßer Reformen. Hier reiften ihm<lb/>
auch die schönsten Früchte. Schon kurze Zeit nach dem Beginn seiner Reform¬<lb/>
thätigkeit durfte er sich sagen, daß ein neuer Geist, eine bessere Ordnung auf<lb/>
allen Gebieten des Staates lebe und herrsche. Die sonst so schwerfällige Ver¬<lb/>
waltung wurde vereinfacht und streng zentralisirt, die Regierungskollegien im<lb/>
Interesse der Beschleunigung des Geschäftsganges umgestaltet und ihrer bis¬<lb/>
herigen Selbständigkeit entkleidet, das Finanz- und Justizwesen von Grund aus<lb/>
reformirt. Durch Einführung der strengsten Sparsamkeit im Haushalte, die<lb/>
Verminderung der Ausgaben und Erhöhung der Einnahmen besserten sich die<lb/>
ganz zerrütteten Finanzen. Die Besetzung der Staatsämter erfolgte nur noch<lb/>
mit Rücksicht auf die Tüchtigkeit der Bewerber, nicht auf hohe Geburt oder<lb/>
wohlwollende Protektion. Der lächerlichen, aber in allen Kreisen verbreiteten<lb/>
Rang- und Titelsucht wurde ebenso energisch entgegengetreten wie der einge¬<lb/>
rissenen Unsitte, die Lakaien der vornehmen Herren in öffentliche Aemter zu be¬<lb/>
fördern. Während der stolze, hochmüthige Adel ein Vorrecht nach dem andern<lb/>
verlor, athmete der Bauernstand auf, befreit von den drückendsten Lasten und<lb/>
belebt von der Hoffnung, von dem Joche der Leibeigenschaft endlich erlöst zu<lb/>
werden. Mit der Einführung uneingeschränkter Preßfreiheit schwand der bisher<lb/>
geübte geistige Druck, und Milderung harter Strafgesetze, sowie die Abschaffung<lb/>
der Tortur dienten zur Verbreitung humanerer Anschauungen. So regte sich<lb/>
überall frisches, hoffnungsreiches Leben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_202" next="#ID_203"> Allein das Bild hatte auch seine Kehrseite. Es konnte nicht fehlen, daß<lb/>
unter den Hunderten von Anordnungen und Neuerungen, die Struensee's nie<lb/>
ermattender, an Ideen unerschöpflicher Geist diktirte, sich auch manche befanden,<lb/>
die ihren Zweck vollständig verfehlten und selbst bei deu Bestgesinnten schweren<lb/>
Anstoß erregten. Auch das war ein großer Uebelstand, daß die Reformen sich<lb/>
mit solcher Hast überstürzten, daß nothwendig eine allgemeine Verwirrung und<lb/>
Zerrüttung der Verhältnisse entstehen mußte. Vor allem aber bedachte Struensee<lb/>
nicht, daß er erst den Boden hätte bearbeiten müssen, in dem sein Reformwerk</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0073] Treffliches und auch für die Zukunft segensreiches geschaffen hat. Am wenig¬ sten, wie sich leicht denken läßt, gelang es ihm, in der auswärtigen Politik nennenswerthe Erfolge zu erzielen. Aber er hat es doch verstanden, mit Ru߬ land, das über den Sturz Bernstorff's und die Rehabilitirung Rantzcm's empfindlich gereizt war, ein friedliches, wenn auch kühles Verhältniß aufrecht zu erhalten und jeden fremden Einfluß auf die inneren Angelegenheiten Dänemark's abzuwehren, wie er sich anch nicht verleiten ließ, durch Einmischung in schwächere Nachbarstaaten die Interessen seines Staates, zu gefährden. Auf dem eigensten Gebiete aber fühlte er sich, wo er Hand anlegen konnte an die Ausrottung der zahllosen Mißstände, an denen Dänemark damals krankte, und an die Herbeiführung freisinniger und zeitgemäßer Reformen. Hier reiften ihm auch die schönsten Früchte. Schon kurze Zeit nach dem Beginn seiner Reform¬ thätigkeit durfte er sich sagen, daß ein neuer Geist, eine bessere Ordnung auf allen Gebieten des Staates lebe und herrsche. Die sonst so schwerfällige Ver¬ waltung wurde vereinfacht und streng zentralisirt, die Regierungskollegien im Interesse der Beschleunigung des Geschäftsganges umgestaltet und ihrer bis¬ herigen Selbständigkeit entkleidet, das Finanz- und Justizwesen von Grund aus reformirt. Durch Einführung der strengsten Sparsamkeit im Haushalte, die Verminderung der Ausgaben und Erhöhung der Einnahmen besserten sich die ganz zerrütteten Finanzen. Die Besetzung der Staatsämter erfolgte nur noch mit Rücksicht auf die Tüchtigkeit der Bewerber, nicht auf hohe Geburt oder wohlwollende Protektion. Der lächerlichen, aber in allen Kreisen verbreiteten Rang- und Titelsucht wurde ebenso energisch entgegengetreten wie der einge¬ rissenen Unsitte, die Lakaien der vornehmen Herren in öffentliche Aemter zu be¬ fördern. Während der stolze, hochmüthige Adel ein Vorrecht nach dem andern verlor, athmete der Bauernstand auf, befreit von den drückendsten Lasten und belebt von der Hoffnung, von dem Joche der Leibeigenschaft endlich erlöst zu werden. Mit der Einführung uneingeschränkter Preßfreiheit schwand der bisher geübte geistige Druck, und Milderung harter Strafgesetze, sowie die Abschaffung der Tortur dienten zur Verbreitung humanerer Anschauungen. So regte sich überall frisches, hoffnungsreiches Leben. Allein das Bild hatte auch seine Kehrseite. Es konnte nicht fehlen, daß unter den Hunderten von Anordnungen und Neuerungen, die Struensee's nie ermattender, an Ideen unerschöpflicher Geist diktirte, sich auch manche befanden, die ihren Zweck vollständig verfehlten und selbst bei deu Bestgesinnten schweren Anstoß erregten. Auch das war ein großer Uebelstand, daß die Reformen sich mit solcher Hast überstürzten, daß nothwendig eine allgemeine Verwirrung und Zerrüttung der Verhältnisse entstehen mußte. Vor allem aber bedachte Struensee nicht, daß er erst den Boden hätte bearbeiten müssen, in dem sein Reformwerk

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/73
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/73>, abgerufen am 28.07.2024.