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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Seiten solcher scheinen selten zu sein, vielleicht, weil politische Ansichten und
Absichten beide Theile von einander fern halten.

Vor dem Varziner Aufenthalt des Fürsten im Sommer und Herbst 1877
war ihm das weite Reiten schwer gefallen, und namentlich hatte ihn das
Galopiren angegriffen. Auch hier hatte sich die Heilkraft Gasteins bewährt.
In den Oktobertagen, nach denen ich schildere und berichte, begleiteten wir zu
Wagen den Kanzler und den Grafen Herbert auf einem Rundritte, der uns
auf Umwegen über Wald und Feld durch einen großen Theil der Herrschaft
bis auf die Höhe über Annenhof brachte, wo man Schloß Crangen mit seinen
vier Thürmen und seinem blauen Landsee in der Tiefe vor sich hat, und dann
über Wusfow wieder zurückführte, und bei dem die beiden Reiter anfangs und
zuletzt ziemlich große Strecken im Galopp zurücklegten.

Zwischen fünf und sechs Uhr abends findet das Diner statt, wobei der
Kanzler zum Schlüsse eigenhändig auch seine beiden Hunde von einem Teller
mit Fleisch zu speisen pflegte. Gestrenge Kritiker mit "Mannesseelen" und dem
üblichen allerernsthaftesten Selbstgefühl, die mit "Lakaiengesinnung" und ähnlichen
Artigkeiten um sich zu werfen gewohnt sind, werden es möglicherweise übel
vermerken, wenn ich sage, daß mir dabei Bilder mit Wodan und seinen beiden
Wölfen in den Sinn kamen. Es soll mich aber so wenig anfechten wie anderes
Gerede, das über meine Auffassung des Kanzlers in der Tagespresse erflossen
ist. Klatscht oder pfeift, ihr da oben in der vierten Reihe -- es wird mir
zu allen Zeiten gleichgiltig sein -- unaussprechlich gleich gütig.

Nach dem Essen wird noch ein Stündchen im Billardsaale bei einer Tasse
Kaffee verbracht, wo der Fürst, wie erwähnt, gewöhnlich am Ofen neben der
großen Vase mit der Borussia-Germania ein paar Pfeifen Tabak raucht und
gelegentlich das Kaminfeuer mit den davor in einem Korbe bereitgestellten
Tannenzapfen nährt. Gegen zehn Uhr trinkt man im Zimmer der Fürstin den
Thee, von dem deren Gemahl indeß in den Tagen meiner Anwesenheit sich
nicht einschenken ließ, sondern an dessen Stelle er nur ein Glas Milch genoß,
und um halb zwölf Uhr begibt man sich in der Regel in seine Schlafstube.

Noch sei bemerkt, daß bei den Mahlzeiten, soweit möglich, nur Selbstge¬
zognes, Selbsterbautes und Selbsterlegtes auf den Tisch kommt. "Fast alles,
was hier gegessen wird," sagte der Fürst eines Abends zu mir, "stammt von
meinen Gütern, auch aus Schönhausen, Fleisch, Wild, Gemüse, Fische, die
Pfirsiche, die Artischoken, die freilich nicht so gut gerathen, wie im Süden, die
Wall- und Haselnüsse. Nur ein Schaf muß ich dann und wann von den
Bauern kaufen, und um ein Rind zu schlachten, ist meine Wirthschaft nicht
groß genug. Das kann blos Dietze, der in seiner Brennerei und Zuckerfabrik
so viele Leute beschäftigt, die bei ihm essen."


Seiten solcher scheinen selten zu sein, vielleicht, weil politische Ansichten und
Absichten beide Theile von einander fern halten.

Vor dem Varziner Aufenthalt des Fürsten im Sommer und Herbst 1877
war ihm das weite Reiten schwer gefallen, und namentlich hatte ihn das
Galopiren angegriffen. Auch hier hatte sich die Heilkraft Gasteins bewährt.
In den Oktobertagen, nach denen ich schildere und berichte, begleiteten wir zu
Wagen den Kanzler und den Grafen Herbert auf einem Rundritte, der uns
auf Umwegen über Wald und Feld durch einen großen Theil der Herrschaft
bis auf die Höhe über Annenhof brachte, wo man Schloß Crangen mit seinen
vier Thürmen und seinem blauen Landsee in der Tiefe vor sich hat, und dann
über Wusfow wieder zurückführte, und bei dem die beiden Reiter anfangs und
zuletzt ziemlich große Strecken im Galopp zurücklegten.

Zwischen fünf und sechs Uhr abends findet das Diner statt, wobei der
Kanzler zum Schlüsse eigenhändig auch seine beiden Hunde von einem Teller
mit Fleisch zu speisen pflegte. Gestrenge Kritiker mit „Mannesseelen" und dem
üblichen allerernsthaftesten Selbstgefühl, die mit „Lakaiengesinnung" und ähnlichen
Artigkeiten um sich zu werfen gewohnt sind, werden es möglicherweise übel
vermerken, wenn ich sage, daß mir dabei Bilder mit Wodan und seinen beiden
Wölfen in den Sinn kamen. Es soll mich aber so wenig anfechten wie anderes
Gerede, das über meine Auffassung des Kanzlers in der Tagespresse erflossen
ist. Klatscht oder pfeift, ihr da oben in der vierten Reihe — es wird mir
zu allen Zeiten gleichgiltig sein — unaussprechlich gleich gütig.

Nach dem Essen wird noch ein Stündchen im Billardsaale bei einer Tasse
Kaffee verbracht, wo der Fürst, wie erwähnt, gewöhnlich am Ofen neben der
großen Vase mit der Borussia-Germania ein paar Pfeifen Tabak raucht und
gelegentlich das Kaminfeuer mit den davor in einem Korbe bereitgestellten
Tannenzapfen nährt. Gegen zehn Uhr trinkt man im Zimmer der Fürstin den
Thee, von dem deren Gemahl indeß in den Tagen meiner Anwesenheit sich
nicht einschenken ließ, sondern an dessen Stelle er nur ein Glas Milch genoß,
und um halb zwölf Uhr begibt man sich in der Regel in seine Schlafstube.

Noch sei bemerkt, daß bei den Mahlzeiten, soweit möglich, nur Selbstge¬
zognes, Selbsterbautes und Selbsterlegtes auf den Tisch kommt. „Fast alles,
was hier gegessen wird," sagte der Fürst eines Abends zu mir, „stammt von
meinen Gütern, auch aus Schönhausen, Fleisch, Wild, Gemüse, Fische, die
Pfirsiche, die Artischoken, die freilich nicht so gut gerathen, wie im Süden, die
Wall- und Haselnüsse. Nur ein Schaf muß ich dann und wann von den
Bauern kaufen, und um ein Rind zu schlachten, ist meine Wirthschaft nicht
groß genug. Das kann blos Dietze, der in seiner Brennerei und Zuckerfabrik
so viele Leute beschäftigt, die bei ihm essen."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/542>, abgerufen am 27.11.2024.