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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Werk der erste Band vor wenigen Wochen die Presse verlassen hat.*) Daß
Nachtigal das noiuun prsinstur in tmnuw, wenigstens zur guten Hälfte
wahr gemacht, dies als einen Nachtheil zu bezeichnen sind wir ebensoweit
entfernt, wie wir in der beschleunigten Herausgabe der oben genannten Bücher
etwa einen Vortheil erblicken möchten. Man hat um so weniger Grund, dem
Verfasser ob der späten Veröffentlichung seiner Reiseergebnisse zu zürnen, da er
theils durch Vorträge, die er in verschiedenen geographischen Vereinen gehalten,
theils durch kürzere Notizen in Zeitschriften die Hauptresultate in der That bereits
mitgetheilt hat. In der Form aber, wie der erste Band seines Reisewerkes
jetzt vor uns liegt, ist er im Stande, auch solche Gemüther zu versöhnen, deren
Ungeduld sich etwa mit einer kleinen Dosis Unmuth zu mischen anfing. Denn
die fünf Jahre von der Rückkehr des Verfassers bis zum Erscheinen des vor¬
liegenden Bandes haben ein Werk gezeitigt, dem der Stempel edelster Reife
aufgedrückt ist: der in Reisewerken mitunter bemerkbare trockene Tagebuchston
tritt mit wenigen Ausnahmen ganz zurück vor einer formvollendeten, lebens¬
vollen Schilderung theils der eigenen wechselvollen Erlebnisse, theils der fremden
Sitten und Länder, und wenn bis in die neueste Zeit gegen geographische
Entdeckungsreisende oft der Vorwurf nicht unterdrückt werden konnte, daß Schrift¬
steller und Entdecker sich nicht die Wage halten, so kann und darf eine solche
Stimme gegen Nachtigal nicht lant werden; sein Buch reizt ebensosehr durch
die Fülle und Fremdartigkeit des Stoffes, wie es durch Schönheit und Eben¬
mäßigkeit der Darstellung erfreut. Für weitere Kreise dürfte die Lektüre
desselben um so empfehlenswerther sein, weil der Reisende vermöge der besonderen
Verhältnisse, unter denen er seine Reise antrat und ausführte, ausgedehnte
zoologische, mineralogische und botanische Beobachtungen in diesem Bande nicht
verwerthet hat, sondern, abgesehen von feinen höchst interessanten persönlichen
Schicksalen, meist Schilderungen von Landschaften und Kulturzuständen bietet,
zu deren Genuß es einer fachmäßigen Vorbildung nicht bedarf; die Gegenden
aber, die er durchreiste, boten vermöge ihrer geschichtlichen Entwickelung und
ihrer Uebergänge in den Völkertypen zu fesselnden Schilderungen reiche Gelegenheit.

Dr. Gustav Nachtigal hatte im Jahre 1862 die Nordküste Afrika's aufge¬
sucht, um seine kranken Lungen zu heilen, und nach vorübergehendem Aufenthalt
in Algerien seinen Zweck in Tunis, der ärmlichen Nachfolgerin das einst so
mächtigen Carthago, anch erreicht. Sechs Jahre etwa hatte er, sich und andere
heilend und den Reiz des fremdartigen Lebens in vollen Zügen genießend,



*) Sahciru. und Seed^n. Ergebnisse sechsjähriger Reisen in Afrika von or, Nach¬
tigal. Erster Theil. Mit nennundvicrzig Holzschnitten und zwei Karten. Berlin,, 1879.
Weidmann'sche Buchhandlung. Wiegandt, Hampel und Parey,

Werk der erste Band vor wenigen Wochen die Presse verlassen hat.*) Daß
Nachtigal das noiuun prsinstur in tmnuw, wenigstens zur guten Hälfte
wahr gemacht, dies als einen Nachtheil zu bezeichnen sind wir ebensoweit
entfernt, wie wir in der beschleunigten Herausgabe der oben genannten Bücher
etwa einen Vortheil erblicken möchten. Man hat um so weniger Grund, dem
Verfasser ob der späten Veröffentlichung seiner Reiseergebnisse zu zürnen, da er
theils durch Vorträge, die er in verschiedenen geographischen Vereinen gehalten,
theils durch kürzere Notizen in Zeitschriften die Hauptresultate in der That bereits
mitgetheilt hat. In der Form aber, wie der erste Band seines Reisewerkes
jetzt vor uns liegt, ist er im Stande, auch solche Gemüther zu versöhnen, deren
Ungeduld sich etwa mit einer kleinen Dosis Unmuth zu mischen anfing. Denn
die fünf Jahre von der Rückkehr des Verfassers bis zum Erscheinen des vor¬
liegenden Bandes haben ein Werk gezeitigt, dem der Stempel edelster Reife
aufgedrückt ist: der in Reisewerken mitunter bemerkbare trockene Tagebuchston
tritt mit wenigen Ausnahmen ganz zurück vor einer formvollendeten, lebens¬
vollen Schilderung theils der eigenen wechselvollen Erlebnisse, theils der fremden
Sitten und Länder, und wenn bis in die neueste Zeit gegen geographische
Entdeckungsreisende oft der Vorwurf nicht unterdrückt werden konnte, daß Schrift¬
steller und Entdecker sich nicht die Wage halten, so kann und darf eine solche
Stimme gegen Nachtigal nicht lant werden; sein Buch reizt ebensosehr durch
die Fülle und Fremdartigkeit des Stoffes, wie es durch Schönheit und Eben¬
mäßigkeit der Darstellung erfreut. Für weitere Kreise dürfte die Lektüre
desselben um so empfehlenswerther sein, weil der Reisende vermöge der besonderen
Verhältnisse, unter denen er seine Reise antrat und ausführte, ausgedehnte
zoologische, mineralogische und botanische Beobachtungen in diesem Bande nicht
verwerthet hat, sondern, abgesehen von feinen höchst interessanten persönlichen
Schicksalen, meist Schilderungen von Landschaften und Kulturzuständen bietet,
zu deren Genuß es einer fachmäßigen Vorbildung nicht bedarf; die Gegenden
aber, die er durchreiste, boten vermöge ihrer geschichtlichen Entwickelung und
ihrer Uebergänge in den Völkertypen zu fesselnden Schilderungen reiche Gelegenheit.

Dr. Gustav Nachtigal hatte im Jahre 1862 die Nordküste Afrika's aufge¬
sucht, um seine kranken Lungen zu heilen, und nach vorübergehendem Aufenthalt
in Algerien seinen Zweck in Tunis, der ärmlichen Nachfolgerin das einst so
mächtigen Carthago, anch erreicht. Sechs Jahre etwa hatte er, sich und andere
heilend und den Reiz des fremdartigen Lebens in vollen Zügen genießend,



*) Sahciru. und Seed^n. Ergebnisse sechsjähriger Reisen in Afrika von or, Nach¬
tigal. Erster Theil. Mit nennundvicrzig Holzschnitten und zwei Karten. Berlin,, 1879.
Weidmann'sche Buchhandlung. Wiegandt, Hampel und Parey,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/525>, abgerufen am 27.11.2024.