Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.hin gravitirte, zu Oesterreich-Ungarn getreten ist, in dessen Machtsphäre das Die österreichisch-ungarische Monarchie hat also hier die Macht des Staates hin gravitirte, zu Oesterreich-Ungarn getreten ist, in dessen Machtsphäre das Die österreichisch-ungarische Monarchie hat also hier die Macht des Staates <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0522" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/143019"/> <p xml:id="ID_1564" prev="#ID_1563"> hin gravitirte, zu Oesterreich-Ungarn getreten ist, in dessen Machtsphäre das<lb/> nun beinahe zu einer Enklave der kaiserlich-königlichen Staaten gewordene<lb/> Fürstenthum fortan liegt. Die Petersburger Blätter kündigen dem Herrn der<lb/> Schwarzen Berge bereits die Feindschaft Rußlands an, falls er sich beikommen<lb/> lassen sollte, freundliche Gesinnung gegen das perfide Oesterreich zu bethätigen.<lb/> Der Fürst wird sich durch solche Drohung nicht beirren lassen. Montenegro und<lb/> Oesterreich-Ungarn haben in Folge des Berliner Vertrags jetzt eine gemeinsame<lb/> Grenze, und sowohl für das große Reich wie für das kleine Fürstenthum be¬<lb/> steht ein ernstes Interesse, in gutem Einvernehmen mit dem Nachbar zu leben.<lb/> Nicht unwahrscheinlich ist es, daß Fürst Niula den österreichischen Regimentern<lb/> im Sandschak Novibazar gestattet, sich auf dem Wege zur See und dann durch<lb/> sein Land mit den nöthigen Bedürfnissen zu versehen, die von Bosnien her<lb/> schwer zu beschaffen sind. In Wien würde mau diesen wie jeden andern Dienst<lb/> Montenegro's anzuerkennen wissen. Die neue Richtung, welche die österreichische<lb/> Orientpolitik mit der Okkupation Bosniens und der Herzegowina eingeschlagen<lb/> hat, macht es ihr zur Nothwendigkeit, zu den kleinen slavischen Staaten, welche<lb/> durch den Berliner Vertrag unabhängig geworden sind und eine Vergrößerung<lb/> erfahren haben, nicht nur in guten Beziehungen zu leben, sondern auf sie auch<lb/> einen Einfluß zu üben, der, ohne tyrannisch zu sein, allerlei Nützliches anregen<lb/> und allerlei Thorheit und Schaden verhindern kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_1565" next="#ID_1566"> Die österreichisch-ungarische Monarchie hat also hier die Macht des Staates<lb/> eingesetzt, weil Machtfragen an sie herangetreten waren. Sie wahrte ihre poli¬<lb/> tische Stellung im Südosten und mit dieser zugleich das ganze sehr komplizirte<lb/> System der wirthschaftlichen und handelspolitischen Interessen, die sie auf den<lb/> Orient verweisen. Die Besetzung des Sandschaks Novibazar ist keine Bedro¬<lb/> hung der Türkei. Die oppositionellen Parteien in Oesterreich und Ungarn<lb/> und die auswärtigen Gegner der Politik Andrassy's, namentlich die Panslavisten<lb/> in Rußland, haben allerdings die dadurch gewonnene militärische Position als<lb/> den Schlüssel zu weiterem Vordringen, zunächst nach Mitrowitza, als den ersten<lb/> Schritt zur Eroberung Albaniens erkennen wollen. Eine solche Auffassung ist<lb/> aber sicher unbegründet. Sie trifft wenigstens nicht die nächsten Ziele der<lb/> österreichischen Politik, und hinsichtlich Albaniens ist sie überhaupt unrichtig.<lb/> Graf Andrassy hat unlängst mit Recht bemerkt, selbst ein Laie müsse einsehen,<lb/> daß die Wege in das Herz von Albanien nicht durch die Defilcen von Mitro¬<lb/> witza, sondern durch Serbien führen. Auf Albanien gerichtete Eroberungsplüne<lb/> sind österreichischerseits aller Wahrscheinlichkeit zufolge nicht ins Auge gefaßt.<lb/> Oesterreich-Ungarn hat kein Interesse daran, sich dieses Land zu unterwerfen<lb/> und einzuverleiben. In Bosnien und der Herzegowina waren Elemente, die<lb/> niederzuhalten und zu assimiliren waren. Es waren slavische Provinzen, die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0522]
hin gravitirte, zu Oesterreich-Ungarn getreten ist, in dessen Machtsphäre das
nun beinahe zu einer Enklave der kaiserlich-königlichen Staaten gewordene
Fürstenthum fortan liegt. Die Petersburger Blätter kündigen dem Herrn der
Schwarzen Berge bereits die Feindschaft Rußlands an, falls er sich beikommen
lassen sollte, freundliche Gesinnung gegen das perfide Oesterreich zu bethätigen.
Der Fürst wird sich durch solche Drohung nicht beirren lassen. Montenegro und
Oesterreich-Ungarn haben in Folge des Berliner Vertrags jetzt eine gemeinsame
Grenze, und sowohl für das große Reich wie für das kleine Fürstenthum be¬
steht ein ernstes Interesse, in gutem Einvernehmen mit dem Nachbar zu leben.
Nicht unwahrscheinlich ist es, daß Fürst Niula den österreichischen Regimentern
im Sandschak Novibazar gestattet, sich auf dem Wege zur See und dann durch
sein Land mit den nöthigen Bedürfnissen zu versehen, die von Bosnien her
schwer zu beschaffen sind. In Wien würde mau diesen wie jeden andern Dienst
Montenegro's anzuerkennen wissen. Die neue Richtung, welche die österreichische
Orientpolitik mit der Okkupation Bosniens und der Herzegowina eingeschlagen
hat, macht es ihr zur Nothwendigkeit, zu den kleinen slavischen Staaten, welche
durch den Berliner Vertrag unabhängig geworden sind und eine Vergrößerung
erfahren haben, nicht nur in guten Beziehungen zu leben, sondern auf sie auch
einen Einfluß zu üben, der, ohne tyrannisch zu sein, allerlei Nützliches anregen
und allerlei Thorheit und Schaden verhindern kann.
Die österreichisch-ungarische Monarchie hat also hier die Macht des Staates
eingesetzt, weil Machtfragen an sie herangetreten waren. Sie wahrte ihre poli¬
tische Stellung im Südosten und mit dieser zugleich das ganze sehr komplizirte
System der wirthschaftlichen und handelspolitischen Interessen, die sie auf den
Orient verweisen. Die Besetzung des Sandschaks Novibazar ist keine Bedro¬
hung der Türkei. Die oppositionellen Parteien in Oesterreich und Ungarn
und die auswärtigen Gegner der Politik Andrassy's, namentlich die Panslavisten
in Rußland, haben allerdings die dadurch gewonnene militärische Position als
den Schlüssel zu weiterem Vordringen, zunächst nach Mitrowitza, als den ersten
Schritt zur Eroberung Albaniens erkennen wollen. Eine solche Auffassung ist
aber sicher unbegründet. Sie trifft wenigstens nicht die nächsten Ziele der
österreichischen Politik, und hinsichtlich Albaniens ist sie überhaupt unrichtig.
Graf Andrassy hat unlängst mit Recht bemerkt, selbst ein Laie müsse einsehen,
daß die Wege in das Herz von Albanien nicht durch die Defilcen von Mitro¬
witza, sondern durch Serbien führen. Auf Albanien gerichtete Eroberungsplüne
sind österreichischerseits aller Wahrscheinlichkeit zufolge nicht ins Auge gefaßt.
Oesterreich-Ungarn hat kein Interesse daran, sich dieses Land zu unterwerfen
und einzuverleiben. In Bosnien und der Herzegowina waren Elemente, die
niederzuhalten und zu assimiliren waren. Es waren slavische Provinzen, die
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