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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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von gelblichem Holze, die übrigen mit geblümtem Kattun überzogen. Auf dem
Ofen, neben welchem ein farbiger Schirm mit einem zwischen Schilfrohr
fischenden Reiher steht, bemerken wir eine kleine Pendüle und wieder mehrere
Trinkgeschirre alten Stils. Die Bücher befinden sich am Fenster der Thür
gegenüber in zwei großen, tiefen, etwas mehr als mannshohen Glasschränken.
Hinter dem einen der letzteren ist soviel Raum gelassen, daß hier ein kleines
Sopha und ein Tischchen angebracht werden konnten -- ein recht lauschiges
Plätzchen. "Hier observire ich zuweilen, wer kommt", sagte der Fürst, als er
mich darauf aufmerksam machte. Ueber dem Sopha gewahrt man eine Photo¬
graphie von Friedrichsruhe und in Kupferstich die Porträts von drei alten
Herren in Harnisch und Perrücke: drei entfernten Verwandten der Familie
Bismarck aus dem siebzehnten Jahrhunderte. Anderer Wandschmuck des Zim¬
mers sind die photographische Nachbildung von Camphausen's Gemälde: die
Begegnung Bismarck's mit Napoleon beim Schlößchen Bellevue, und drei große
in Dürer'scher Manier ausgeführte Holzschnitte von Gader in Dresden, die über
dem Sopha angebracht sind, und von denen der eine die Kreuzigung nach
Johannes 30,19, der andere die heiligen drei Könige nach Matthäus 2,11 und
der dritte die Auferstehung Christi mit Beziehung auf Johannes 11,25 darstellt.

Die breite Flügelthür zwischen dem Ofen und dem einen Glasschränke
führt in das Hauptzimmer des Neubaues, den großen sechseckigen Raum, in
dem der Reichskanzler sich aufhält, wenn er arbeitet. Ich denke, eine ausführ¬
lichere Beschreibung desselben wird den Verehrern des Fürsten willkommen sein.

Auch hier herrscht in der Ausstattung vornehme Einfachheit. Nur die
Architektur zeigt einigen Luxus, indem an den blaßgrün getünchten Wänden
etwa so hoch, wie ein mittelgroßer Mann zu reichen vermag, Eichengetäfel hin¬
läuft und die Decke durch Eichenbalken, die aus ihr hervortreten, in Quadrate
und Dreiecke getheilt ist, welche hellgrau gemalt und mit einem dunkelgrauen
und einem weißen Striche eingefaßt sind. Das Zimmer hat in einem sechs¬
eckigen Erker drei schmale Fenster und an der Wand der Thür gegenüber ein
breites, die Polstermöbel sind gleich denen in der Bibliothek mit dunkelgrünem,
roth und hellgrün geblümtem Baumwollenstoff überzogen, die übrigen aus
Nußbaumholz.

Lassen wir die Augen an den Wänden herumgehen, so fällt auf, daß sich
im ganzen großen Zimmer kein Bild befindet. Rechts, dicht beim Eingange,
trägt ein Tischchen einen kleinen schwarzen und mit Messing beschlagnen Koffer.
Die abgestumpfte Ecke daneben füllt der am meisten in die Augen fallende
Gegenstand des Gemachs, ein Riesenkamin, aus, der eine Breite von mindestens
vier Meter hat und über fünf Meter hoch ist. Er besteht aus grünen glasirten
Kacheln und ist nach Angabe des Fürsten in der Friedenthal'schen Fabrik zu


von gelblichem Holze, die übrigen mit geblümtem Kattun überzogen. Auf dem
Ofen, neben welchem ein farbiger Schirm mit einem zwischen Schilfrohr
fischenden Reiher steht, bemerken wir eine kleine Pendüle und wieder mehrere
Trinkgeschirre alten Stils. Die Bücher befinden sich am Fenster der Thür
gegenüber in zwei großen, tiefen, etwas mehr als mannshohen Glasschränken.
Hinter dem einen der letzteren ist soviel Raum gelassen, daß hier ein kleines
Sopha und ein Tischchen angebracht werden konnten — ein recht lauschiges
Plätzchen. „Hier observire ich zuweilen, wer kommt", sagte der Fürst, als er
mich darauf aufmerksam machte. Ueber dem Sopha gewahrt man eine Photo¬
graphie von Friedrichsruhe und in Kupferstich die Porträts von drei alten
Herren in Harnisch und Perrücke: drei entfernten Verwandten der Familie
Bismarck aus dem siebzehnten Jahrhunderte. Anderer Wandschmuck des Zim¬
mers sind die photographische Nachbildung von Camphausen's Gemälde: die
Begegnung Bismarck's mit Napoleon beim Schlößchen Bellevue, und drei große
in Dürer'scher Manier ausgeführte Holzschnitte von Gader in Dresden, die über
dem Sopha angebracht sind, und von denen der eine die Kreuzigung nach
Johannes 30,19, der andere die heiligen drei Könige nach Matthäus 2,11 und
der dritte die Auferstehung Christi mit Beziehung auf Johannes 11,25 darstellt.

Die breite Flügelthür zwischen dem Ofen und dem einen Glasschränke
führt in das Hauptzimmer des Neubaues, den großen sechseckigen Raum, in
dem der Reichskanzler sich aufhält, wenn er arbeitet. Ich denke, eine ausführ¬
lichere Beschreibung desselben wird den Verehrern des Fürsten willkommen sein.

Auch hier herrscht in der Ausstattung vornehme Einfachheit. Nur die
Architektur zeigt einigen Luxus, indem an den blaßgrün getünchten Wänden
etwa so hoch, wie ein mittelgroßer Mann zu reichen vermag, Eichengetäfel hin¬
läuft und die Decke durch Eichenbalken, die aus ihr hervortreten, in Quadrate
und Dreiecke getheilt ist, welche hellgrau gemalt und mit einem dunkelgrauen
und einem weißen Striche eingefaßt sind. Das Zimmer hat in einem sechs¬
eckigen Erker drei schmale Fenster und an der Wand der Thür gegenüber ein
breites, die Polstermöbel sind gleich denen in der Bibliothek mit dunkelgrünem,
roth und hellgrün geblümtem Baumwollenstoff überzogen, die übrigen aus
Nußbaumholz.

Lassen wir die Augen an den Wänden herumgehen, so fällt auf, daß sich
im ganzen großen Zimmer kein Bild befindet. Rechts, dicht beim Eingange,
trägt ein Tischchen einen kleinen schwarzen und mit Messing beschlagnen Koffer.
Die abgestumpfte Ecke daneben füllt der am meisten in die Augen fallende
Gegenstand des Gemachs, ein Riesenkamin, aus, der eine Breite von mindestens
vier Meter hat und über fünf Meter hoch ist. Er besteht aus grünen glasirten
Kacheln und ist nach Angabe des Fürsten in der Friedenthal'schen Fabrik zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/505>, abgerufen am 01.09.2024.