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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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des Paris" -- die zweite "Iphigenia", die aber mit Ausnahme der letzteren
ziemlich eindruckslos vorübergingen. Mit frischer Kraft begann der Künstler
erst wieder zu schaffen, als er 1873 eine Professur an der Kunstakademie in
Wien erhielt. In dieses Jahr fallen seine bedeutendsten und umfangreichsten
Schöpfungen, die Wiederholung vom "Gastmahl des Platon" und "die Ama-
zvuenschlacht", welche im Winter und Frühjahr 1874 in den größeren Städten
Deutschland's zur Ausstellung gelangten und überall zu lebhaften Kontroversen
Anlaß gaben. Das "Gastmahl" ist inzwischen in den Besitz der königlichen
Nationalgalerie in Berlin gelangt, wo es einen Platz an einer Wand des
Treppenhauses erhalten hat unter einer etwas dämmerigen Beleuchtung, welche
die Feuerbach eigenthümliche koloristische BeHandlungsweise etwas weniger
störend hervortreten läßt.

In einer marmornen Halle, welche sich in der Mitte auf einen Garten
öffnet, ist die geistvolle Gesellschaft versammelt, die Platon in seinem Symposion
unsterblich gemacht hat. Auf den Klinen lagern die Gäste des Agathon, der
seinen Tragödiensieg feiert, Aristophanes, Phädros, Sokrates, Glaukou und die
andern. Sie werden in ihrer Unterhaltung durch den geräuschvollen Eintritt
des Alkibiades unterbrochen, welcher nach durchschwärmter Nacht bei Morgen¬
grauen halbtruuken unter die Festgenossen tritt. Er stützt sich auf eine Tän¬
zerin, die gerade unter keinem Uebermaß von körperlichen Reizen leidet, eine
zweite mit einer Fackel begleitet ihn, und eine dritte mit einer Handpanke, von
drei bakchautisch aufgeputzten Knäblein umschwärmt, eilt ihm vorauf. Noch
halb in der Thür wird ein Mohr sichtbar, welcher die Fackel über seinem
Gebieter erhebt. Dem Eintretenden schreitet Agathon in einem schön ge¬
musterten, goldumsäumten, weißen Gewände entgegen. Ein goldener Lorbeer¬
kranz, der Preis des Sieges, beschattet sein feines Angesicht, welches dem
Beschauer im Profil zugekehrt ist, und mit der Rechten bietet er dem Ankömm¬
ling die goldene Schale zum Willkommengruß. Diese schöne Gestalt bildet
den Glanzpunkt des ganzen Bildes. Wenn man dieses Angesicht betrachtet,
glaubt man, der Künstler habe darin die tiefe Melancholie, die stille Trauer
um die verlorene Größe, welche die untergehende Sonne des Griechenthums
begleitet, wiederspiegeln wollen. Und dieser wehmüthige Hauch lagert über der
ganzen Gesellschaft, auf dem lachenden Antlitz des Aristophanes wie ans den
ernsten Zügen des Sokrates. Aber noch ruht auf ihnen zugleich der letzte
Abglanz perikleischer Herrlichkeit, in den sich schon die Schatten mischen, welche
das nahende Verderben vor sich wirft. Und dieser Alkibiades, der in seliger
Trunkenheit eintritt, ist gerade dazu ausersehen, eine bedeutsame Rolle in dieser
Tragödie zu spielen. Leider hat der Künstler uns in dieser Figur nichts
weniger als den "Liebling der Grazien" vor Augen geführt. Ein Zug ge-


Grenzbotcn III. 1879. 6

des Paris" — die zweite „Iphigenia", die aber mit Ausnahme der letzteren
ziemlich eindruckslos vorübergingen. Mit frischer Kraft begann der Künstler
erst wieder zu schaffen, als er 1873 eine Professur an der Kunstakademie in
Wien erhielt. In dieses Jahr fallen seine bedeutendsten und umfangreichsten
Schöpfungen, die Wiederholung vom „Gastmahl des Platon" und „die Ama-
zvuenschlacht", welche im Winter und Frühjahr 1874 in den größeren Städten
Deutschland's zur Ausstellung gelangten und überall zu lebhaften Kontroversen
Anlaß gaben. Das „Gastmahl" ist inzwischen in den Besitz der königlichen
Nationalgalerie in Berlin gelangt, wo es einen Platz an einer Wand des
Treppenhauses erhalten hat unter einer etwas dämmerigen Beleuchtung, welche
die Feuerbach eigenthümliche koloristische BeHandlungsweise etwas weniger
störend hervortreten läßt.

In einer marmornen Halle, welche sich in der Mitte auf einen Garten
öffnet, ist die geistvolle Gesellschaft versammelt, die Platon in seinem Symposion
unsterblich gemacht hat. Auf den Klinen lagern die Gäste des Agathon, der
seinen Tragödiensieg feiert, Aristophanes, Phädros, Sokrates, Glaukou und die
andern. Sie werden in ihrer Unterhaltung durch den geräuschvollen Eintritt
des Alkibiades unterbrochen, welcher nach durchschwärmter Nacht bei Morgen¬
grauen halbtruuken unter die Festgenossen tritt. Er stützt sich auf eine Tän¬
zerin, die gerade unter keinem Uebermaß von körperlichen Reizen leidet, eine
zweite mit einer Fackel begleitet ihn, und eine dritte mit einer Handpanke, von
drei bakchautisch aufgeputzten Knäblein umschwärmt, eilt ihm vorauf. Noch
halb in der Thür wird ein Mohr sichtbar, welcher die Fackel über seinem
Gebieter erhebt. Dem Eintretenden schreitet Agathon in einem schön ge¬
musterten, goldumsäumten, weißen Gewände entgegen. Ein goldener Lorbeer¬
kranz, der Preis des Sieges, beschattet sein feines Angesicht, welches dem
Beschauer im Profil zugekehrt ist, und mit der Rechten bietet er dem Ankömm¬
ling die goldene Schale zum Willkommengruß. Diese schöne Gestalt bildet
den Glanzpunkt des ganzen Bildes. Wenn man dieses Angesicht betrachtet,
glaubt man, der Künstler habe darin die tiefe Melancholie, die stille Trauer
um die verlorene Größe, welche die untergehende Sonne des Griechenthums
begleitet, wiederspiegeln wollen. Und dieser wehmüthige Hauch lagert über der
ganzen Gesellschaft, auf dem lachenden Antlitz des Aristophanes wie ans den
ernsten Zügen des Sokrates. Aber noch ruht auf ihnen zugleich der letzte
Abglanz perikleischer Herrlichkeit, in den sich schon die Schatten mischen, welche
das nahende Verderben vor sich wirft. Und dieser Alkibiades, der in seliger
Trunkenheit eintritt, ist gerade dazu ausersehen, eine bedeutsame Rolle in dieser
Tragödie zu spielen. Leider hat der Künstler uns in dieser Figur nichts
weniger als den „Liebling der Grazien" vor Augen geführt. Ein Zug ge-


Grenzbotcn III. 1879. 6
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/47>, abgerufen am 23.11.2024.