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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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und sie wissen nicht, in welche Reihe ihrer Erinnerungen sie ihn stellen sollen.
Und doch gibt es nicht allzuviele Namen trefflicher Frauen, die es in dem
Maße wie der Name Amalie v. Lasaulx verdienen, in bleibendem Gedächtniß
fort zu leben.*)

Das Interesse, welches die Persönlichkeit Amaliens v. Lasaulx in Anspruch
nimmt, knüpft sich theils an ihre charaktervolle Individualität, theils an ihre
hingebende und aufopfernde Berufsarbeit, theils endlich an ihre kirchenpolitische
Stellung als entschiedene Bekämpfen" des Neukatholizismus und treue Zeugin,
ja wir dürfen wohl sagen Dulderin für die Ziele des Altkatholizismus.

Die charaktervolle Individualität, welche Amalie eigen war, hatte sie als
Erbe der Familie überkommen. Ein Blick in die Vergangenheit derselben zeigt
uus eine Mannigfaltigkeit von Personen, die durch Festigkeit und Entschlossen¬
heit, strengste Wahrhaftigkeit und Ehrenhaftigkeit sich auszeichnen. Die Selb¬
ständigkeit, mit der sie ihren Weg gehen, verleiht ihnen den Stempel der
Originalität, und ein idealer Zug, der ihre Lebensführung bestimmt, fesselt uns
an sie und erwirbt ihnen unsre Sympathie.

Der Vater Amaliens, Johann Claudius v. Lasaulx, hatte ein sehr
wechselvolles Leben hinter sich, als ihm das jüngste Kind, eben Amalie, am
19. Oktober 1815 geboren wurde. Um Jurisprudenz zu studiren, hatte er
1798 die Universität Würzburg bezogen. Bald vertauschte er dies Studium
mit dem der Medizin, brachte aber, wie es scheint, auch dies nicht zum
Abschluß. Statt dessen erschien er, nachdem er elf Semester in Würzburg
geweilt hatte, zum Entsetzen seines Vaters in Coblenz in Begleitung einer
jungen Frau, Anna Maria Müller, mit der er sich kurz zuvor, 1803, vermählt
hatte. Wir finden ihn dann in den verschiedensten Lebensstellungen, als Essig-
sieder, in einer Blechfabrik, aber weder innerlich befriedigt, noch in der Lage,
die Kosten einer eignen Haushaltung ausreichend zu bestreiten. Endlich gelang
es ihm auf anderm Wege, festen Boden zu gewinnen. Er besaß viel Geschick
und Interesse für mechanische Thätigkeit, er besuchte die Bauplätze der Maurer
und Zimmerleute, die Werkstätten der Schreiner und Schlosser, sah zu und
lernte. Auch in der Kunst des Münzers ließ er sich unterrichten. Diese
technische Befähigung Lasaulx's gab seinen Freunden, besonders Görres, Anlaß,
ihm 1812 die Stellung eines Kreisbaumeisters zu erwirken. Und obwohl er



*) Unser Aufsatz stützt sich auf die vor kurzem erschienenen Erinnerungen an
Amalie von Lasaulx, Schwester Augnstine, Oberin der Barmherzigen Schwestern im
Se. Johannishospital zu Bonn. (Gotha, F, A, Perthes, 1878.) Wir empfehlen dies Buch,
welches kurz hintereinander zwei Auflagen erhalten hat, aufs wärmste. Es ist eine der
genußreichsten und zu sittlicher Vertiefung anregendsten Schriften, die wir in den letzten
Jahren gelesen haben.

und sie wissen nicht, in welche Reihe ihrer Erinnerungen sie ihn stellen sollen.
Und doch gibt es nicht allzuviele Namen trefflicher Frauen, die es in dem
Maße wie der Name Amalie v. Lasaulx verdienen, in bleibendem Gedächtniß
fort zu leben.*)

Das Interesse, welches die Persönlichkeit Amaliens v. Lasaulx in Anspruch
nimmt, knüpft sich theils an ihre charaktervolle Individualität, theils an ihre
hingebende und aufopfernde Berufsarbeit, theils endlich an ihre kirchenpolitische
Stellung als entschiedene Bekämpfen» des Neukatholizismus und treue Zeugin,
ja wir dürfen wohl sagen Dulderin für die Ziele des Altkatholizismus.

Die charaktervolle Individualität, welche Amalie eigen war, hatte sie als
Erbe der Familie überkommen. Ein Blick in die Vergangenheit derselben zeigt
uus eine Mannigfaltigkeit von Personen, die durch Festigkeit und Entschlossen¬
heit, strengste Wahrhaftigkeit und Ehrenhaftigkeit sich auszeichnen. Die Selb¬
ständigkeit, mit der sie ihren Weg gehen, verleiht ihnen den Stempel der
Originalität, und ein idealer Zug, der ihre Lebensführung bestimmt, fesselt uns
an sie und erwirbt ihnen unsre Sympathie.

Der Vater Amaliens, Johann Claudius v. Lasaulx, hatte ein sehr
wechselvolles Leben hinter sich, als ihm das jüngste Kind, eben Amalie, am
19. Oktober 1815 geboren wurde. Um Jurisprudenz zu studiren, hatte er
1798 die Universität Würzburg bezogen. Bald vertauschte er dies Studium
mit dem der Medizin, brachte aber, wie es scheint, auch dies nicht zum
Abschluß. Statt dessen erschien er, nachdem er elf Semester in Würzburg
geweilt hatte, zum Entsetzen seines Vaters in Coblenz in Begleitung einer
jungen Frau, Anna Maria Müller, mit der er sich kurz zuvor, 1803, vermählt
hatte. Wir finden ihn dann in den verschiedensten Lebensstellungen, als Essig-
sieder, in einer Blechfabrik, aber weder innerlich befriedigt, noch in der Lage,
die Kosten einer eignen Haushaltung ausreichend zu bestreiten. Endlich gelang
es ihm auf anderm Wege, festen Boden zu gewinnen. Er besaß viel Geschick
und Interesse für mechanische Thätigkeit, er besuchte die Bauplätze der Maurer
und Zimmerleute, die Werkstätten der Schreiner und Schlosser, sah zu und
lernte. Auch in der Kunst des Münzers ließ er sich unterrichten. Diese
technische Befähigung Lasaulx's gab seinen Freunden, besonders Görres, Anlaß,
ihm 1812 die Stellung eines Kreisbaumeisters zu erwirken. Und obwohl er



*) Unser Aufsatz stützt sich auf die vor kurzem erschienenen Erinnerungen an
Amalie von Lasaulx, Schwester Augnstine, Oberin der Barmherzigen Schwestern im
Se. Johannishospital zu Bonn. (Gotha, F, A, Perthes, 1878.) Wir empfehlen dies Buch,
welches kurz hintereinander zwei Auflagen erhalten hat, aufs wärmste. Es ist eine der
genußreichsten und zu sittlicher Vertiefung anregendsten Schriften, die wir in den letzten
Jahren gelesen haben.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/436>, abgerufen am 06.10.2024.