Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

den unparteiischen Scharfblick des echten Staatsmannes zu verdächtigen und zu
verkleinern.

Unter solchen Umständen ist es kein Wunder, daß von verschiedenen Seiten
eine Aenderung, beziehentlich Verbesserung des staatlichen Organismus der
Vereinigten Staaten angestrebt wird. Allein bei diesem an sich wohlberechtigten
Streben treten nur wiederum manche gefährliche Auswüchse und Abirrungen
vom rechten Wege zu Tage. Wer nur einigermaßen ohne vorgefaßte Meinung
den politischen Entwickelungsgang der nordamerikanischen Union verfolgt hat,
wie er sich namentlich in den letzten Jahren abgespielt, der wird zugestehen
müssen, daß sich das amerikanische Volk ohne die in seiner Bundesverfassung
enthaltenen sogenannten Vlieolcs und Lalanoss, d. h. die das Gleichgewicht
zwischen der exekutiven und legislativen Macht herstellenden Bestimmungen, in
einer äußerst üblen Lage befände. Wenn, wie es z. B. ein seit kurzer Zeit
ins Leben getretener "Bund der Radikalen" will, ein Haus der Repräsentanten
allein die Gesetze gemacht und zugleich die Regierung geführt hätte, anstatt daß
in dem ersten Falle der Senat gegenüber dem Repräsentantenhause, im andern
der Präsident den beiden Kongreßhäusern gegenüber korrigirend und müßigend
eingriff, so würden sich die Amerikaner gegenwärtig in einem höchst elenden
finanziellen Zustande befinden, und ihre politischen Parteiverhältnisse würden
unzweifelhaft uoch verwickelter und bedenklicher sein, als sie es sind. Welche
Mängel die amerikanische Bundesverfassung auch haben mag -- und sie hat
sich bereits wiederholt als lückenhaft und verbesserungsbedürftig gezeigt --, das
Grundsystem derselben ist ein richtiges und wohlthätig wirkendes, und so lange
das amerikanische Volk nicht aus bedeutend besseren Elementen besteht als
jetzt, wäre jede wesentliche Aenderung dieses Systems gefahrbringend für den
Fortbestand der Republik. Jede Agitation für Abschaffung der Präsidentschaft
und des Zweikammersystems ist nicht nur verfrüht, sondern absolut schädlich,
und es ist sehr zu bedauern, daß so viele Kraft, die nützlich verwandt werden
könnte, sich in den nutzlosen Bestrebungen radikaler Reformen aufreibt. Von
einer Zustimmung des amerikanischen Volkes zu einer solchen Umwälzung, wie
sie der "Bund der Radikalen" und andere exaltirte Köpfe für wttnschenswerth
halten, ist ohnedies keine Rede. Es wäre daher weit zweckmäßiger und wür¬
diger, wenn man in Amerika sein Augenmerk auf solche Verbesserungen der
Bundeskonstitution richtete', die praktisch durchführbar sind, und nicht Zeit und
Mühe an resultatlose Bestrebungen und Ideale verschwendete. In dieser Be¬
ziehung wird in englisch-, wie in deutsch-amerikanischen Blättern vorzugsweise
auf zwei Uebelstände hingewiesen, zu deren Abänderung auch bereits im Kon¬
gresse Gesetzesvorschläge eingereicht worden sind.

Der eine dieser beiden Uebelstände, die das Repräsentantenhaus des Kor-


den unparteiischen Scharfblick des echten Staatsmannes zu verdächtigen und zu
verkleinern.

Unter solchen Umständen ist es kein Wunder, daß von verschiedenen Seiten
eine Aenderung, beziehentlich Verbesserung des staatlichen Organismus der
Vereinigten Staaten angestrebt wird. Allein bei diesem an sich wohlberechtigten
Streben treten nur wiederum manche gefährliche Auswüchse und Abirrungen
vom rechten Wege zu Tage. Wer nur einigermaßen ohne vorgefaßte Meinung
den politischen Entwickelungsgang der nordamerikanischen Union verfolgt hat,
wie er sich namentlich in den letzten Jahren abgespielt, der wird zugestehen
müssen, daß sich das amerikanische Volk ohne die in seiner Bundesverfassung
enthaltenen sogenannten Vlieolcs und Lalanoss, d. h. die das Gleichgewicht
zwischen der exekutiven und legislativen Macht herstellenden Bestimmungen, in
einer äußerst üblen Lage befände. Wenn, wie es z. B. ein seit kurzer Zeit
ins Leben getretener „Bund der Radikalen" will, ein Haus der Repräsentanten
allein die Gesetze gemacht und zugleich die Regierung geführt hätte, anstatt daß
in dem ersten Falle der Senat gegenüber dem Repräsentantenhause, im andern
der Präsident den beiden Kongreßhäusern gegenüber korrigirend und müßigend
eingriff, so würden sich die Amerikaner gegenwärtig in einem höchst elenden
finanziellen Zustande befinden, und ihre politischen Parteiverhältnisse würden
unzweifelhaft uoch verwickelter und bedenklicher sein, als sie es sind. Welche
Mängel die amerikanische Bundesverfassung auch haben mag — und sie hat
sich bereits wiederholt als lückenhaft und verbesserungsbedürftig gezeigt —, das
Grundsystem derselben ist ein richtiges und wohlthätig wirkendes, und so lange
das amerikanische Volk nicht aus bedeutend besseren Elementen besteht als
jetzt, wäre jede wesentliche Aenderung dieses Systems gefahrbringend für den
Fortbestand der Republik. Jede Agitation für Abschaffung der Präsidentschaft
und des Zweikammersystems ist nicht nur verfrüht, sondern absolut schädlich,
und es ist sehr zu bedauern, daß so viele Kraft, die nützlich verwandt werden
könnte, sich in den nutzlosen Bestrebungen radikaler Reformen aufreibt. Von
einer Zustimmung des amerikanischen Volkes zu einer solchen Umwälzung, wie
sie der „Bund der Radikalen" und andere exaltirte Köpfe für wttnschenswerth
halten, ist ohnedies keine Rede. Es wäre daher weit zweckmäßiger und wür¬
diger, wenn man in Amerika sein Augenmerk auf solche Verbesserungen der
Bundeskonstitution richtete', die praktisch durchführbar sind, und nicht Zeit und
Mühe an resultatlose Bestrebungen und Ideale verschwendete. In dieser Be¬
ziehung wird in englisch-, wie in deutsch-amerikanischen Blättern vorzugsweise
auf zwei Uebelstände hingewiesen, zu deren Abänderung auch bereits im Kon¬
gresse Gesetzesvorschläge eingereicht worden sind.

Der eine dieser beiden Uebelstände, die das Repräsentantenhaus des Kor-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0342" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142839"/>
          <p xml:id="ID_993" prev="#ID_992"> den unparteiischen Scharfblick des echten Staatsmannes zu verdächtigen und zu<lb/>
verkleinern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_994"> Unter solchen Umständen ist es kein Wunder, daß von verschiedenen Seiten<lb/>
eine Aenderung, beziehentlich Verbesserung des staatlichen Organismus der<lb/>
Vereinigten Staaten angestrebt wird. Allein bei diesem an sich wohlberechtigten<lb/>
Streben treten nur wiederum manche gefährliche Auswüchse und Abirrungen<lb/>
vom rechten Wege zu Tage. Wer nur einigermaßen ohne vorgefaßte Meinung<lb/>
den politischen Entwickelungsgang der nordamerikanischen Union verfolgt hat,<lb/>
wie er sich namentlich in den letzten Jahren abgespielt, der wird zugestehen<lb/>
müssen, daß sich das amerikanische Volk ohne die in seiner Bundesverfassung<lb/>
enthaltenen sogenannten Vlieolcs und Lalanoss, d. h. die das Gleichgewicht<lb/>
zwischen der exekutiven und legislativen Macht herstellenden Bestimmungen, in<lb/>
einer äußerst üblen Lage befände. Wenn, wie es z. B. ein seit kurzer Zeit<lb/>
ins Leben getretener &#x201E;Bund der Radikalen" will, ein Haus der Repräsentanten<lb/>
allein die Gesetze gemacht und zugleich die Regierung geführt hätte, anstatt daß<lb/>
in dem ersten Falle der Senat gegenüber dem Repräsentantenhause, im andern<lb/>
der Präsident den beiden Kongreßhäusern gegenüber korrigirend und müßigend<lb/>
eingriff, so würden sich die Amerikaner gegenwärtig in einem höchst elenden<lb/>
finanziellen Zustande befinden, und ihre politischen Parteiverhältnisse würden<lb/>
unzweifelhaft uoch verwickelter und bedenklicher sein, als sie es sind. Welche<lb/>
Mängel die amerikanische Bundesverfassung auch haben mag &#x2014; und sie hat<lb/>
sich bereits wiederholt als lückenhaft und verbesserungsbedürftig gezeigt &#x2014;, das<lb/>
Grundsystem derselben ist ein richtiges und wohlthätig wirkendes, und so lange<lb/>
das amerikanische Volk nicht aus bedeutend besseren Elementen besteht als<lb/>
jetzt, wäre jede wesentliche Aenderung dieses Systems gefahrbringend für den<lb/>
Fortbestand der Republik. Jede Agitation für Abschaffung der Präsidentschaft<lb/>
und des Zweikammersystems ist nicht nur verfrüht, sondern absolut schädlich,<lb/>
und es ist sehr zu bedauern, daß so viele Kraft, die nützlich verwandt werden<lb/>
könnte, sich in den nutzlosen Bestrebungen radikaler Reformen aufreibt. Von<lb/>
einer Zustimmung des amerikanischen Volkes zu einer solchen Umwälzung, wie<lb/>
sie der &#x201E;Bund der Radikalen" und andere exaltirte Köpfe für wttnschenswerth<lb/>
halten, ist ohnedies keine Rede. Es wäre daher weit zweckmäßiger und wür¬<lb/>
diger, wenn man in Amerika sein Augenmerk auf solche Verbesserungen der<lb/>
Bundeskonstitution richtete', die praktisch durchführbar sind, und nicht Zeit und<lb/>
Mühe an resultatlose Bestrebungen und Ideale verschwendete. In dieser Be¬<lb/>
ziehung wird in englisch-, wie in deutsch-amerikanischen Blättern vorzugsweise<lb/>
auf zwei Uebelstände hingewiesen, zu deren Abänderung auch bereits im Kon¬<lb/>
gresse Gesetzesvorschläge eingereicht worden sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_995" next="#ID_996"> Der eine dieser beiden Uebelstände, die das Repräsentantenhaus des Kor-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0342] den unparteiischen Scharfblick des echten Staatsmannes zu verdächtigen und zu verkleinern. Unter solchen Umständen ist es kein Wunder, daß von verschiedenen Seiten eine Aenderung, beziehentlich Verbesserung des staatlichen Organismus der Vereinigten Staaten angestrebt wird. Allein bei diesem an sich wohlberechtigten Streben treten nur wiederum manche gefährliche Auswüchse und Abirrungen vom rechten Wege zu Tage. Wer nur einigermaßen ohne vorgefaßte Meinung den politischen Entwickelungsgang der nordamerikanischen Union verfolgt hat, wie er sich namentlich in den letzten Jahren abgespielt, der wird zugestehen müssen, daß sich das amerikanische Volk ohne die in seiner Bundesverfassung enthaltenen sogenannten Vlieolcs und Lalanoss, d. h. die das Gleichgewicht zwischen der exekutiven und legislativen Macht herstellenden Bestimmungen, in einer äußerst üblen Lage befände. Wenn, wie es z. B. ein seit kurzer Zeit ins Leben getretener „Bund der Radikalen" will, ein Haus der Repräsentanten allein die Gesetze gemacht und zugleich die Regierung geführt hätte, anstatt daß in dem ersten Falle der Senat gegenüber dem Repräsentantenhause, im andern der Präsident den beiden Kongreßhäusern gegenüber korrigirend und müßigend eingriff, so würden sich die Amerikaner gegenwärtig in einem höchst elenden finanziellen Zustande befinden, und ihre politischen Parteiverhältnisse würden unzweifelhaft uoch verwickelter und bedenklicher sein, als sie es sind. Welche Mängel die amerikanische Bundesverfassung auch haben mag — und sie hat sich bereits wiederholt als lückenhaft und verbesserungsbedürftig gezeigt —, das Grundsystem derselben ist ein richtiges und wohlthätig wirkendes, und so lange das amerikanische Volk nicht aus bedeutend besseren Elementen besteht als jetzt, wäre jede wesentliche Aenderung dieses Systems gefahrbringend für den Fortbestand der Republik. Jede Agitation für Abschaffung der Präsidentschaft und des Zweikammersystems ist nicht nur verfrüht, sondern absolut schädlich, und es ist sehr zu bedauern, daß so viele Kraft, die nützlich verwandt werden könnte, sich in den nutzlosen Bestrebungen radikaler Reformen aufreibt. Von einer Zustimmung des amerikanischen Volkes zu einer solchen Umwälzung, wie sie der „Bund der Radikalen" und andere exaltirte Köpfe für wttnschenswerth halten, ist ohnedies keine Rede. Es wäre daher weit zweckmäßiger und wür¬ diger, wenn man in Amerika sein Augenmerk auf solche Verbesserungen der Bundeskonstitution richtete', die praktisch durchführbar sind, und nicht Zeit und Mühe an resultatlose Bestrebungen und Ideale verschwendete. In dieser Be¬ ziehung wird in englisch-, wie in deutsch-amerikanischen Blättern vorzugsweise auf zwei Uebelstände hingewiesen, zu deren Abänderung auch bereits im Kon¬ gresse Gesetzesvorschläge eingereicht worden sind. Der eine dieser beiden Uebelstände, die das Repräsentantenhaus des Kor-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/342
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/342>, abgerufen am 01.09.2024.