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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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für die sogenannten "Segnungen der Kultur" zeigt, systematisch zu Grunde zu
richten, auch wenn man mit frommem Augenaufschlag darauf hinweist, daß sie
dadurch ins Himmelreich kommen. Die schnelle Bekehrung erscheint als nichts
andres, als wenn man ein Kind mit Dingen, die nur Erwachsenen zukommen,
bekannt machen wollte. Die ganz neue geistige Welt, die bisher unbekannten
Begriffe, mit denen operirt wird, und denen oft gar kein praktischer Vorgang
entspricht, müssen eine solche Verwirrung herbeiführen, daß die Leute nicht
mehr im Stande sind, sich zurecht zu finden, zumal wenn die Vertreter ver¬
schiedener Konfessionen Jagd auf das Bekehruugsmaterial machen, wie es
auch auf den Samoa-Jnseln geschah. Die methodistischen Missionäre schlössen
zwar mit den Vertretern der Londoner Gesellschaft ein dahin zielendes Ab¬
kommen, daß letztere die Samoa als besondere Domäne behalten, dagegen
ersteren den Besitz der Freundschafts-Jnseln nicht streitig machen sollten; doch schon
im Jahre 1845 siedelten sich katholische Glaubensboten in Apia an und ließen
sich auch, obwohl sie keinen großen Anhang fanden, nicht wieder verdrängen.
Die Londoner Gesellschaft und ihr Agent, Mr. Turner, dürfen also das Haupt-
verdienst in Anspruch nehmen, 37 000 Seelen dem christlichen Himmel zugeführt
zu haben. Ueber die Thätigkeit des letzteren theilt der Korrespondent der
Augsburger Allgemeinen Folgendes mit: "Am sandigen Ufer des Hafens von
Apia steht das Gebäude der Londoner Missions-Gesellschaft (Kollegium,) dessen
Vorsteher gegenwärtig Mr. Turner ist. Es ist ein wundervoll schöner Platz,
ein stolzes Backsteingebäude, prächtige Anlagen und ein erfrischendes Bad zur
See. Zu den Volles Arouncl8 gehören 200 Acker trefflich bebauten Landes,
und einem jeden der Schüler dieser Universität (von denen sast jeder verheirathet
ist) sind drei Acker Landes zur selbständigen Kultivirung angewiesen, ans denen
sie Gemüse und Früchte ziehen; doch dürfen dieselben nichts von den Produkten
veräußern. Wie geräumig diese Lokalitäten sind, erkennt man daran, daß die
94 Genossen des Kollegs, d. h. lauter Eingeborne, mit ihren Familien darin
ihr Unterkommen finden. Die Pracht der Bäume ist wundervoll, auch siud
die Wege gut augelegt, und ein Korallendamm dient zum Schutze gegen das
Meer. Bei Turner's Ankunft vor 38 Jahren war das Ganze noch eine große
Wüstenei, jetzt ist es das Zivilisirteste, was ich in Samoa gesehen." Der
Kuriosität halber mag nicht unerwähnt bleiben, daß selbst die Mormonen auf
den Inseln Anhänger zu finden suchten, doch wie es scheint ohne Erfolg.

Die Umwandlung der Samoaner in gute Christen hatte die völlige Zerrüt¬
tung der schon in Unordnung gerathenen staatlichen Organisation im Gefolge.
Die alte Gau-Eintheilung ging immer mehr zu Gunsten eines einheitlichen
Königthums zu Grunde, anf dessen allerdings sehr wackeligem Throne sich
ein König ans dem Geschlechte der Malietoa zu behaupten suchte. Die Ver-


für die sogenannten „Segnungen der Kultur" zeigt, systematisch zu Grunde zu
richten, auch wenn man mit frommem Augenaufschlag darauf hinweist, daß sie
dadurch ins Himmelreich kommen. Die schnelle Bekehrung erscheint als nichts
andres, als wenn man ein Kind mit Dingen, die nur Erwachsenen zukommen,
bekannt machen wollte. Die ganz neue geistige Welt, die bisher unbekannten
Begriffe, mit denen operirt wird, und denen oft gar kein praktischer Vorgang
entspricht, müssen eine solche Verwirrung herbeiführen, daß die Leute nicht
mehr im Stande sind, sich zurecht zu finden, zumal wenn die Vertreter ver¬
schiedener Konfessionen Jagd auf das Bekehruugsmaterial machen, wie es
auch auf den Samoa-Jnseln geschah. Die methodistischen Missionäre schlössen
zwar mit den Vertretern der Londoner Gesellschaft ein dahin zielendes Ab¬
kommen, daß letztere die Samoa als besondere Domäne behalten, dagegen
ersteren den Besitz der Freundschafts-Jnseln nicht streitig machen sollten; doch schon
im Jahre 1845 siedelten sich katholische Glaubensboten in Apia an und ließen
sich auch, obwohl sie keinen großen Anhang fanden, nicht wieder verdrängen.
Die Londoner Gesellschaft und ihr Agent, Mr. Turner, dürfen also das Haupt-
verdienst in Anspruch nehmen, 37 000 Seelen dem christlichen Himmel zugeführt
zu haben. Ueber die Thätigkeit des letzteren theilt der Korrespondent der
Augsburger Allgemeinen Folgendes mit: „Am sandigen Ufer des Hafens von
Apia steht das Gebäude der Londoner Missions-Gesellschaft (Kollegium,) dessen
Vorsteher gegenwärtig Mr. Turner ist. Es ist ein wundervoll schöner Platz,
ein stolzes Backsteingebäude, prächtige Anlagen und ein erfrischendes Bad zur
See. Zu den Volles Arouncl8 gehören 200 Acker trefflich bebauten Landes,
und einem jeden der Schüler dieser Universität (von denen sast jeder verheirathet
ist) sind drei Acker Landes zur selbständigen Kultivirung angewiesen, ans denen
sie Gemüse und Früchte ziehen; doch dürfen dieselben nichts von den Produkten
veräußern. Wie geräumig diese Lokalitäten sind, erkennt man daran, daß die
94 Genossen des Kollegs, d. h. lauter Eingeborne, mit ihren Familien darin
ihr Unterkommen finden. Die Pracht der Bäume ist wundervoll, auch siud
die Wege gut augelegt, und ein Korallendamm dient zum Schutze gegen das
Meer. Bei Turner's Ankunft vor 38 Jahren war das Ganze noch eine große
Wüstenei, jetzt ist es das Zivilisirteste, was ich in Samoa gesehen." Der
Kuriosität halber mag nicht unerwähnt bleiben, daß selbst die Mormonen auf
den Inseln Anhänger zu finden suchten, doch wie es scheint ohne Erfolg.

Die Umwandlung der Samoaner in gute Christen hatte die völlige Zerrüt¬
tung der schon in Unordnung gerathenen staatlichen Organisation im Gefolge.
Die alte Gau-Eintheilung ging immer mehr zu Gunsten eines einheitlichen
Königthums zu Grunde, anf dessen allerdings sehr wackeligem Throne sich
ein König ans dem Geschlechte der Malietoa zu behaupten suchte. Die Ver-


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[0288] für die sogenannten „Segnungen der Kultur" zeigt, systematisch zu Grunde zu richten, auch wenn man mit frommem Augenaufschlag darauf hinweist, daß sie dadurch ins Himmelreich kommen. Die schnelle Bekehrung erscheint als nichts andres, als wenn man ein Kind mit Dingen, die nur Erwachsenen zukommen, bekannt machen wollte. Die ganz neue geistige Welt, die bisher unbekannten Begriffe, mit denen operirt wird, und denen oft gar kein praktischer Vorgang entspricht, müssen eine solche Verwirrung herbeiführen, daß die Leute nicht mehr im Stande sind, sich zurecht zu finden, zumal wenn die Vertreter ver¬ schiedener Konfessionen Jagd auf das Bekehruugsmaterial machen, wie es auch auf den Samoa-Jnseln geschah. Die methodistischen Missionäre schlössen zwar mit den Vertretern der Londoner Gesellschaft ein dahin zielendes Ab¬ kommen, daß letztere die Samoa als besondere Domäne behalten, dagegen ersteren den Besitz der Freundschafts-Jnseln nicht streitig machen sollten; doch schon im Jahre 1845 siedelten sich katholische Glaubensboten in Apia an und ließen sich auch, obwohl sie keinen großen Anhang fanden, nicht wieder verdrängen. Die Londoner Gesellschaft und ihr Agent, Mr. Turner, dürfen also das Haupt- verdienst in Anspruch nehmen, 37 000 Seelen dem christlichen Himmel zugeführt zu haben. Ueber die Thätigkeit des letzteren theilt der Korrespondent der Augsburger Allgemeinen Folgendes mit: „Am sandigen Ufer des Hafens von Apia steht das Gebäude der Londoner Missions-Gesellschaft (Kollegium,) dessen Vorsteher gegenwärtig Mr. Turner ist. Es ist ein wundervoll schöner Platz, ein stolzes Backsteingebäude, prächtige Anlagen und ein erfrischendes Bad zur See. Zu den Volles Arouncl8 gehören 200 Acker trefflich bebauten Landes, und einem jeden der Schüler dieser Universität (von denen sast jeder verheirathet ist) sind drei Acker Landes zur selbständigen Kultivirung angewiesen, ans denen sie Gemüse und Früchte ziehen; doch dürfen dieselben nichts von den Produkten veräußern. Wie geräumig diese Lokalitäten sind, erkennt man daran, daß die 94 Genossen des Kollegs, d. h. lauter Eingeborne, mit ihren Familien darin ihr Unterkommen finden. Die Pracht der Bäume ist wundervoll, auch siud die Wege gut augelegt, und ein Korallendamm dient zum Schutze gegen das Meer. Bei Turner's Ankunft vor 38 Jahren war das Ganze noch eine große Wüstenei, jetzt ist es das Zivilisirteste, was ich in Samoa gesehen." Der Kuriosität halber mag nicht unerwähnt bleiben, daß selbst die Mormonen auf den Inseln Anhänger zu finden suchten, doch wie es scheint ohne Erfolg. Die Umwandlung der Samoaner in gute Christen hatte die völlige Zerrüt¬ tung der schon in Unordnung gerathenen staatlichen Organisation im Gefolge. Die alte Gau-Eintheilung ging immer mehr zu Gunsten eines einheitlichen Königthums zu Grunde, anf dessen allerdings sehr wackeligem Throne sich ein König ans dem Geschlechte der Malietoa zu behaupten suchte. Die Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/288>, abgerufen am 27.11.2024.