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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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eine kleine Handvoll Staub zu nehmen und sie in die Wagschale zu werfen.
Alexander thut es und erkennt nun, wie er trotz seiner Macht und Herrlichkeit
selbst nur Staub sei und erst, wenn er zu Staub geworden, die rechte Sätti¬
gung seiner Lüste und Begierden finden werde. Die beiden Episoden vom
Wunder an dem todten Fisch, der zur Erkennung des Lebensqnells führt, sowie
die von dem Steine, der durch alle Schätze der Welt nicht aufgewogen werden
kann, erinnern unwillkürlich an die talmudische Relation.

Obwohl die Sage von Alexander's Zuge nach dem Paradiese oder nach
der Quelle des Lebens in den meisten Alexander-Romanen sich findet, so fehlt
doch allenthalben der Zug von dem Schädel oder dem Wunderstein. Selbst
Firdvst in seinem SckMMme und die beiden ältesten Rezensionen des Pseudo-
Kallisthenes, welche die Alexandersage mit großer Ausführlichkeit behandeln,
gedenken des Zuges entweder gar nicht, oder sie berühren ihn nur ganz kurz.
Nur der Pfaffe Lamprecht kennt ihn, aber es ist bereits nachgewiesen, daß er
bei Abfassung seines Alexanderliedes jüdische Legenden benutzt hat. Gewöhnlich
wird die eigenthümliche Sage entweder den Juden oder den Arabern zuge¬
schrieben. Der ersteren Ansicht huldigt Weil (Heidelberger Jahrbücher 1852,
S. 44), der letzteren Spiegel in seiner "Alexandersage bei den Orientalen".
Nach Spiegel beruht diese wie eine Reihe anderer Erzählungen über Alexander,
z. B. sein Zug nach der Kaaba in Mekka, auf der Verschmelzung des großen
Makedoniers mit einem der Vorzeit angehörenden sagenhaften Eroberer Namens
Dulkarnain, dem "Zweigehörnten", mit welchem Epitheton anch Alexander be¬
zeichnet zu werden pflegt. Allein die von Spiegel für seine Ansicht vorge¬
brachten Beweise, welche namentlich auf der falschen Interpretation der 18. Sure
des Koran durch arabische Exegeten sich gründen, sind bei näherer Beleuchtung
doch nicht stichhaltig. Wir können aber auch Weil nicht ganz beipflichten,
welcher die Sage als ein Produkt des jüdischen Geistes betrachtet. Nach ihm
haben die Rabbinen die ganze Legende erfunden, um deu biblischen Satz: Die
Hölle und das Verderben sind unersättlich, durch ein passendes Beispiel zu
illustriren.

Die Sage enthält viele fremdartige Bestandtheile, welche den rabbinischen
Ursprung entschieden zweifelhaft erscheinen lassen. Schon der Anfang der Sage:
Alexander der Makedonier richtete zehn Fragen an die "Alten des Südens",
deutet auf nichtjüdischer Ursprung hin, zumal da diese letzteren im Laufe des
Gesprächs von den "Weisen", worunter aufs bestimmteste jüdische Gelehrte
gemeint sind, unterschieden werden. Wir glauben nicht irre zu gehen, wenn
wir die Sage nicht ans die Juden, sondern auf die Parther zurückführen und
annehmen, daß die Rabbinen sie nur umgebildet und ihr ein ihrer Anschau¬
ungsweise entsprechendes Gepräge gegeben haben. Zu dieser Annahme berech-


eine kleine Handvoll Staub zu nehmen und sie in die Wagschale zu werfen.
Alexander thut es und erkennt nun, wie er trotz seiner Macht und Herrlichkeit
selbst nur Staub sei und erst, wenn er zu Staub geworden, die rechte Sätti¬
gung seiner Lüste und Begierden finden werde. Die beiden Episoden vom
Wunder an dem todten Fisch, der zur Erkennung des Lebensqnells führt, sowie
die von dem Steine, der durch alle Schätze der Welt nicht aufgewogen werden
kann, erinnern unwillkürlich an die talmudische Relation.

Obwohl die Sage von Alexander's Zuge nach dem Paradiese oder nach
der Quelle des Lebens in den meisten Alexander-Romanen sich findet, so fehlt
doch allenthalben der Zug von dem Schädel oder dem Wunderstein. Selbst
Firdvst in seinem SckMMme und die beiden ältesten Rezensionen des Pseudo-
Kallisthenes, welche die Alexandersage mit großer Ausführlichkeit behandeln,
gedenken des Zuges entweder gar nicht, oder sie berühren ihn nur ganz kurz.
Nur der Pfaffe Lamprecht kennt ihn, aber es ist bereits nachgewiesen, daß er
bei Abfassung seines Alexanderliedes jüdische Legenden benutzt hat. Gewöhnlich
wird die eigenthümliche Sage entweder den Juden oder den Arabern zuge¬
schrieben. Der ersteren Ansicht huldigt Weil (Heidelberger Jahrbücher 1852,
S. 44), der letzteren Spiegel in seiner „Alexandersage bei den Orientalen".
Nach Spiegel beruht diese wie eine Reihe anderer Erzählungen über Alexander,
z. B. sein Zug nach der Kaaba in Mekka, auf der Verschmelzung des großen
Makedoniers mit einem der Vorzeit angehörenden sagenhaften Eroberer Namens
Dulkarnain, dem „Zweigehörnten", mit welchem Epitheton anch Alexander be¬
zeichnet zu werden pflegt. Allein die von Spiegel für seine Ansicht vorge¬
brachten Beweise, welche namentlich auf der falschen Interpretation der 18. Sure
des Koran durch arabische Exegeten sich gründen, sind bei näherer Beleuchtung
doch nicht stichhaltig. Wir können aber auch Weil nicht ganz beipflichten,
welcher die Sage als ein Produkt des jüdischen Geistes betrachtet. Nach ihm
haben die Rabbinen die ganze Legende erfunden, um deu biblischen Satz: Die
Hölle und das Verderben sind unersättlich, durch ein passendes Beispiel zu
illustriren.

Die Sage enthält viele fremdartige Bestandtheile, welche den rabbinischen
Ursprung entschieden zweifelhaft erscheinen lassen. Schon der Anfang der Sage:
Alexander der Makedonier richtete zehn Fragen an die „Alten des Südens",
deutet auf nichtjüdischer Ursprung hin, zumal da diese letzteren im Laufe des
Gesprächs von den „Weisen", worunter aufs bestimmteste jüdische Gelehrte
gemeint sind, unterschieden werden. Wir glauben nicht irre zu gehen, wenn
wir die Sage nicht ans die Juden, sondern auf die Parther zurückführen und
annehmen, daß die Rabbinen sie nur umgebildet und ihr ein ihrer Anschau¬
ungsweise entsprechendes Gepräge gegeben haben. Zu dieser Annahme berech-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/284>, abgerufen am 28.11.2024.