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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Verkäufer entgegnete: Ich habe das Feld mit allem, was darin ist, verkauft,
der Schatz gehört somit uicht mir, sondern dem Käufer. Während die beiden
noch miteinander stritten, nahm ihr König das Wort und sprach zu dem einen:
Hast du einen Sohn? Ja, lautete die Antwort. Darauf wandte er sich zu
dem andern und fragte: Hast du eine Tochter? Derselbe bejahte ebenfalls
die Frage. Nun, so mögen eure beiden Kinder, fuhr der König fort, einander
heirathen, und der Schatz möge ihnen gegeben werden. Als Alexander diesen
Entscheid vernommen, brach er in ein Gelächter aus. Warum lachst dn? fragte
der König, habe ich nicht gut entschieden? Wäre der Rechtsfall bei euch vor¬
gekommen, welchen Entscheid würdet ihr gegeben haben? Wir hätten beide
hinrichten lassen, und der Schatz wäre dem König zugesprochen worden. Der
König ließ darauf die Tafel Herrichten und Fleisch und Hühner von Gold auf
silbernen und goldenen Geschirren auftragen. Esse ich denn Gold? fragte
Alexander. Nun freilich müßt ihr das thun, da ihr so gierig nach dem Golde
seid. Scheint bei euch auch die Sonne, fragte der König weiter, und regnet
es bei euch? Ja wohl, versetzte Alexander. Gibt es auch Kleinvieh bei euch?
Als Alexander das ebenfalls bejahte, sprach der König: Nun, so scheint bei
euch nur wegen dieses Kleinviehs die Sonne und seinetwegen fällt auch der
Regen, denn ihr seid beides nicht werth.

Die nächsten beiden Sagen -- wiederum in dem schon erwähnten Traktat
Tamid befindlich -- erzählen: Auf seinem Zuge zum Paradiese stieß Alexander
auch auf einen nur von Frauen bewohnten Staat. Als die Frauen sahen,
daß er sie mit Krieg überziehen wollte, kamen sie ihm mit großen Geschenken
entgegen und richteten folgende Worte an ihn: Großer König, du willst mit
Frauen Krieg führen? Wird dir der Sieg zu Theil, so wird die Rede gehen:
Alexander hat ein Land von Frauen besiegt; besiegst du uns nicht, so wird es
heißen: Frauen haben gegen ihn gekämpft und ihn überwunden. Bei seinem
Wegzuge aus der Stadt ließ Alexander an die Thore schreiben: Ich, Alexander
von Makedonien, war so lange ein Thor, bis ich diese Stadt Afrika's betrat
und von Frauen Rath lernte.

Darauf setzte Alexander seine Reise fort und kam an eine Quelle, wo er
sich niederließ, um sein Mahl zu verzehren. Als er die Salzfische, die sich
unter seinem Mundvorrath befanden, im Wasser abwusch, strömten sie einen so
angenehmen Wohlgeruch aus, daß er ausrief: Ich erkenne daraus, daß diese
Quelle aus dem Paradiese kommt. Einige behaupten, er habe mit dem Quell¬
wasser sein Gesicht gewaschen, andere aber meinen, er sei dem Wasser gefolgt,
bis er vor dem Thore des Paradieses stand. Dort rief er mit lauter Stimme:
Oeffnet mir die Pforte! Eine Stimme von innen aber erwiederte mit den
Worten des Psalms (118, 20): Das ist das Thor des Ewigen, nur die


Verkäufer entgegnete: Ich habe das Feld mit allem, was darin ist, verkauft,
der Schatz gehört somit uicht mir, sondern dem Käufer. Während die beiden
noch miteinander stritten, nahm ihr König das Wort und sprach zu dem einen:
Hast du einen Sohn? Ja, lautete die Antwort. Darauf wandte er sich zu
dem andern und fragte: Hast du eine Tochter? Derselbe bejahte ebenfalls
die Frage. Nun, so mögen eure beiden Kinder, fuhr der König fort, einander
heirathen, und der Schatz möge ihnen gegeben werden. Als Alexander diesen
Entscheid vernommen, brach er in ein Gelächter aus. Warum lachst dn? fragte
der König, habe ich nicht gut entschieden? Wäre der Rechtsfall bei euch vor¬
gekommen, welchen Entscheid würdet ihr gegeben haben? Wir hätten beide
hinrichten lassen, und der Schatz wäre dem König zugesprochen worden. Der
König ließ darauf die Tafel Herrichten und Fleisch und Hühner von Gold auf
silbernen und goldenen Geschirren auftragen. Esse ich denn Gold? fragte
Alexander. Nun freilich müßt ihr das thun, da ihr so gierig nach dem Golde
seid. Scheint bei euch auch die Sonne, fragte der König weiter, und regnet
es bei euch? Ja wohl, versetzte Alexander. Gibt es auch Kleinvieh bei euch?
Als Alexander das ebenfalls bejahte, sprach der König: Nun, so scheint bei
euch nur wegen dieses Kleinviehs die Sonne und seinetwegen fällt auch der
Regen, denn ihr seid beides nicht werth.

Die nächsten beiden Sagen — wiederum in dem schon erwähnten Traktat
Tamid befindlich — erzählen: Auf seinem Zuge zum Paradiese stieß Alexander
auch auf einen nur von Frauen bewohnten Staat. Als die Frauen sahen,
daß er sie mit Krieg überziehen wollte, kamen sie ihm mit großen Geschenken
entgegen und richteten folgende Worte an ihn: Großer König, du willst mit
Frauen Krieg führen? Wird dir der Sieg zu Theil, so wird die Rede gehen:
Alexander hat ein Land von Frauen besiegt; besiegst du uns nicht, so wird es
heißen: Frauen haben gegen ihn gekämpft und ihn überwunden. Bei seinem
Wegzuge aus der Stadt ließ Alexander an die Thore schreiben: Ich, Alexander
von Makedonien, war so lange ein Thor, bis ich diese Stadt Afrika's betrat
und von Frauen Rath lernte.

Darauf setzte Alexander seine Reise fort und kam an eine Quelle, wo er
sich niederließ, um sein Mahl zu verzehren. Als er die Salzfische, die sich
unter seinem Mundvorrath befanden, im Wasser abwusch, strömten sie einen so
angenehmen Wohlgeruch aus, daß er ausrief: Ich erkenne daraus, daß diese
Quelle aus dem Paradiese kommt. Einige behaupten, er habe mit dem Quell¬
wasser sein Gesicht gewaschen, andere aber meinen, er sei dem Wasser gefolgt,
bis er vor dem Thore des Paradieses stand. Dort rief er mit lauter Stimme:
Oeffnet mir die Pforte! Eine Stimme von innen aber erwiederte mit den
Worten des Psalms (118, 20): Das ist das Thor des Ewigen, nur die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/281>, abgerufen am 24.11.2024.