Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

lichen Berufs täglich mit Landleuten, Schiffern und anderen Angehörigen der niederen
Klassen und hört auf diese Art eine Menge von Ausdrücken und Redewendungen, die
bereits im Verschwinden begriffen sind, und die dem nur aus schriftlichen Quellen
schöpfenden Gelehrten niemals zu Ohren kommen. Dazu tritt, daß er, obwohl Auto¬
didakt, über eine sehr respektable Kenntniß der einschlagenden germanistischen Literatur
verfügt, und daß er die Ergebnisse seiner Studien zur Vergleichung und Erklärung des
von ihm Gesammelten geschickt zu verwerthen versteht. Wenn er die einzelnen Wörter
zugleich etymologisch bearbeitet und seine etymologischen Forschungen oft ziemlich weit
ausgedehnt hat, so fragt sich's allerdings, ob er darin nicht zu viel des Guten gethan.
Freilich führt er als Grund an, er habe "sich selber Klarheit darüber verschaffen wollen,
wie und auf welche Weise jedes einzelne Wort entstanden sei, welche sinnliche Bedeutung
ihm zu Grunde liege, und überhaupt, auf welche Art und Weise sich die menschliche
Sprache aus den kleinsten Anfängen bis zu ihrer jetzigen Vollkommenheit entwickelt
habe". Aber da liegt doch die Frage nahe, ob man zur Veröffentlichung bestimmte
Wörterbücher zur Belehrung und Weiterbildung seiner selbst oder für Andere verfaßt,
die möglicherweise in ihrer Kenntniß der Sache weiter gediehen sind und nun vielfach
mühevollen und weitschichtigen Untersuchungen begegnen, welche ihnen überflüssig erscheinen
müssen. Dazu kommt, daß ein Laie bei allem Bemühen, gründlich zu sein, wie es
hier hervortritt, wo nicht blos die germanischen Idiome, sondern selbst Keltisch, Lateinisch,
Zend, Griechisch und Sanskrit herangezogen werden, gelegentliche Irrthümer nicht zu
vermeiden wissen wird. So wäre unseres Erachtens der Wissenschaft ein besserer Dienst
erwiesen worden, wenn der Verfasser sich nach dieser Seite hin beschränkt und in der
Hauptsache nur das von ihm aus dem Leben geschöpfte Material an Wörtern und
Redensarten mit einigen kurzen geschichtlichen und etymologischen Bemerkungen geliefert
hätte. Trotz alledem heißen wir das Werk, das sich als Erzeugniß jahrelangen uner¬
müdlichen Fleißes und gewissenhaften Strebens nach Vollkommenheit bekundet und
ungemein reich an Ergänzungen unserer bisherigen Kunde von niederdeutschen Wörtern
und Wortbedeutungen, Sprichwörtern und volksthümlichen Redensarten ist, aufrichtig
willkommen.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L> Herbig in Leipzig. -- Druck von Hüthcl Herrmann in Leipzig.

lichen Berufs täglich mit Landleuten, Schiffern und anderen Angehörigen der niederen
Klassen und hört auf diese Art eine Menge von Ausdrücken und Redewendungen, die
bereits im Verschwinden begriffen sind, und die dem nur aus schriftlichen Quellen
schöpfenden Gelehrten niemals zu Ohren kommen. Dazu tritt, daß er, obwohl Auto¬
didakt, über eine sehr respektable Kenntniß der einschlagenden germanistischen Literatur
verfügt, und daß er die Ergebnisse seiner Studien zur Vergleichung und Erklärung des
von ihm Gesammelten geschickt zu verwerthen versteht. Wenn er die einzelnen Wörter
zugleich etymologisch bearbeitet und seine etymologischen Forschungen oft ziemlich weit
ausgedehnt hat, so fragt sich's allerdings, ob er darin nicht zu viel des Guten gethan.
Freilich führt er als Grund an, er habe „sich selber Klarheit darüber verschaffen wollen,
wie und auf welche Weise jedes einzelne Wort entstanden sei, welche sinnliche Bedeutung
ihm zu Grunde liege, und überhaupt, auf welche Art und Weise sich die menschliche
Sprache aus den kleinsten Anfängen bis zu ihrer jetzigen Vollkommenheit entwickelt
habe". Aber da liegt doch die Frage nahe, ob man zur Veröffentlichung bestimmte
Wörterbücher zur Belehrung und Weiterbildung seiner selbst oder für Andere verfaßt,
die möglicherweise in ihrer Kenntniß der Sache weiter gediehen sind und nun vielfach
mühevollen und weitschichtigen Untersuchungen begegnen, welche ihnen überflüssig erscheinen
müssen. Dazu kommt, daß ein Laie bei allem Bemühen, gründlich zu sein, wie es
hier hervortritt, wo nicht blos die germanischen Idiome, sondern selbst Keltisch, Lateinisch,
Zend, Griechisch und Sanskrit herangezogen werden, gelegentliche Irrthümer nicht zu
vermeiden wissen wird. So wäre unseres Erachtens der Wissenschaft ein besserer Dienst
erwiesen worden, wenn der Verfasser sich nach dieser Seite hin beschränkt und in der
Hauptsache nur das von ihm aus dem Leben geschöpfte Material an Wörtern und
Redensarten mit einigen kurzen geschichtlichen und etymologischen Bemerkungen geliefert
hätte. Trotz alledem heißen wir das Werk, das sich als Erzeugniß jahrelangen uner¬
müdlichen Fleißes und gewissenhaften Strebens nach Vollkommenheit bekundet und
ungemein reich an Ergänzungen unserer bisherigen Kunde von niederdeutschen Wörtern
und Wortbedeutungen, Sprichwörtern und volksthümlichen Redensarten ist, aufrichtig
willkommen.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L> Herbig in Leipzig. — Druck von Hüthcl Herrmann in Leipzig.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0262" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142759"/>
          <p xml:id="ID_753" prev="#ID_752"> lichen Berufs täglich mit Landleuten, Schiffern und anderen Angehörigen der niederen<lb/>
Klassen und hört auf diese Art eine Menge von Ausdrücken und Redewendungen, die<lb/>
bereits im Verschwinden begriffen sind, und die dem nur aus schriftlichen Quellen<lb/>
schöpfenden Gelehrten niemals zu Ohren kommen. Dazu tritt, daß er, obwohl Auto¬<lb/>
didakt, über eine sehr respektable Kenntniß der einschlagenden germanistischen Literatur<lb/>
verfügt, und daß er die Ergebnisse seiner Studien zur Vergleichung und Erklärung des<lb/>
von ihm Gesammelten geschickt zu verwerthen versteht. Wenn er die einzelnen Wörter<lb/>
zugleich etymologisch bearbeitet und seine etymologischen Forschungen oft ziemlich weit<lb/>
ausgedehnt hat, so fragt sich's allerdings, ob er darin nicht zu viel des Guten gethan.<lb/>
Freilich führt er als Grund an, er habe &#x201E;sich selber Klarheit darüber verschaffen wollen,<lb/>
wie und auf welche Weise jedes einzelne Wort entstanden sei, welche sinnliche Bedeutung<lb/>
ihm zu Grunde liege, und überhaupt, auf welche Art und Weise sich die menschliche<lb/>
Sprache aus den kleinsten Anfängen bis zu ihrer jetzigen Vollkommenheit entwickelt<lb/>
habe". Aber da liegt doch die Frage nahe, ob man zur Veröffentlichung bestimmte<lb/>
Wörterbücher zur Belehrung und Weiterbildung seiner selbst oder für Andere verfaßt,<lb/>
die möglicherweise in ihrer Kenntniß der Sache weiter gediehen sind und nun vielfach<lb/>
mühevollen und weitschichtigen Untersuchungen begegnen, welche ihnen überflüssig erscheinen<lb/>
müssen. Dazu kommt, daß ein Laie bei allem Bemühen, gründlich zu sein, wie es<lb/>
hier hervortritt, wo nicht blos die germanischen Idiome, sondern selbst Keltisch, Lateinisch,<lb/>
Zend, Griechisch und Sanskrit herangezogen werden, gelegentliche Irrthümer nicht zu<lb/>
vermeiden wissen wird. So wäre unseres Erachtens der Wissenschaft ein besserer Dienst<lb/>
erwiesen worden, wenn der Verfasser sich nach dieser Seite hin beschränkt und in der<lb/>
Hauptsache nur das von ihm aus dem Leben geschöpfte Material an Wörtern und<lb/>
Redensarten mit einigen kurzen geschichtlichen und etymologischen Bemerkungen geliefert<lb/>
hätte. Trotz alledem heißen wir das Werk, das sich als Erzeugniß jahrelangen uner¬<lb/>
müdlichen Fleißes und gewissenhaften Strebens nach Vollkommenheit bekundet und<lb/>
ungemein reich an Ergänzungen unserer bisherigen Kunde von niederdeutschen Wörtern<lb/>
und Wortbedeutungen, Sprichwörtern und volksthümlichen Redensarten ist, aufrichtig<lb/>
willkommen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <note type="byline"> Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.<lb/>
Verlag von F. L&gt; Herbig in Leipzig. &#x2014; Druck von Hüthcl  Herrmann in Leipzig.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0262] lichen Berufs täglich mit Landleuten, Schiffern und anderen Angehörigen der niederen Klassen und hört auf diese Art eine Menge von Ausdrücken und Redewendungen, die bereits im Verschwinden begriffen sind, und die dem nur aus schriftlichen Quellen schöpfenden Gelehrten niemals zu Ohren kommen. Dazu tritt, daß er, obwohl Auto¬ didakt, über eine sehr respektable Kenntniß der einschlagenden germanistischen Literatur verfügt, und daß er die Ergebnisse seiner Studien zur Vergleichung und Erklärung des von ihm Gesammelten geschickt zu verwerthen versteht. Wenn er die einzelnen Wörter zugleich etymologisch bearbeitet und seine etymologischen Forschungen oft ziemlich weit ausgedehnt hat, so fragt sich's allerdings, ob er darin nicht zu viel des Guten gethan. Freilich führt er als Grund an, er habe „sich selber Klarheit darüber verschaffen wollen, wie und auf welche Weise jedes einzelne Wort entstanden sei, welche sinnliche Bedeutung ihm zu Grunde liege, und überhaupt, auf welche Art und Weise sich die menschliche Sprache aus den kleinsten Anfängen bis zu ihrer jetzigen Vollkommenheit entwickelt habe". Aber da liegt doch die Frage nahe, ob man zur Veröffentlichung bestimmte Wörterbücher zur Belehrung und Weiterbildung seiner selbst oder für Andere verfaßt, die möglicherweise in ihrer Kenntniß der Sache weiter gediehen sind und nun vielfach mühevollen und weitschichtigen Untersuchungen begegnen, welche ihnen überflüssig erscheinen müssen. Dazu kommt, daß ein Laie bei allem Bemühen, gründlich zu sein, wie es hier hervortritt, wo nicht blos die germanischen Idiome, sondern selbst Keltisch, Lateinisch, Zend, Griechisch und Sanskrit herangezogen werden, gelegentliche Irrthümer nicht zu vermeiden wissen wird. So wäre unseres Erachtens der Wissenschaft ein besserer Dienst erwiesen worden, wenn der Verfasser sich nach dieser Seite hin beschränkt und in der Hauptsache nur das von ihm aus dem Leben geschöpfte Material an Wörtern und Redensarten mit einigen kurzen geschichtlichen und etymologischen Bemerkungen geliefert hätte. Trotz alledem heißen wir das Werk, das sich als Erzeugniß jahrelangen uner¬ müdlichen Fleißes und gewissenhaften Strebens nach Vollkommenheit bekundet und ungemein reich an Ergänzungen unserer bisherigen Kunde von niederdeutschen Wörtern und Wortbedeutungen, Sprichwörtern und volksthümlichen Redensarten ist, aufrichtig willkommen. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von F. L> Herbig in Leipzig. — Druck von Hüthcl Herrmann in Leipzig.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/262
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/262>, abgerufen am 27.07.2024.