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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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sagte er, und die Gesetze der Moral und Schicklichkeit können für mich keine
Geltung haben. Wenn solche Erklärungen bei Madame Bonaparte Unzufrie¬
denheit, Thränen, Klagen erregten, so antwortete er zuweilen darauf mit Ge¬
waltthätigkeiten, die ich hier nicht zu detailliren wage, bis zu dem Augenblick,
wo seine neue Leidenschaft plötzlich schwand, und er fühlte, daß die Zärtlichkeit
für seine Gemahlin wieder in ihm erwachte. Dann war er von ihrem Schmerz
bewegt, suchte seine Beleidigungen durch Zärtlichkeiten wieder gut zu machen,
und da sie sanft und nicht starrsinnig war, so wiegte sie sich bald wieder in
völliger Sicherheit."

Der Ausspruch: >7s us suis pas uonuns ooiunis un s,nerf, los lois
as la raorals of sont Kitss xour raoi charakterisiren Napoleon I. zur
Genüge. Sie zeigen, mit welcher schrankenlosen Selbstsucht er sich weit über
alles Menschliche erhaben dünkte, auch auf einem Gebiete, wo die Großartigkeit
seiner Stellung ihn vor den Thorheiten thatenloser Wüstlinge hätte schützen
sollen. Jedenfalls erscheint der große Korse in den Mittheilungen der Frau
v. Remusat in einem Lichte, das uns manche neue Seite seines Innern kennen
lehrt, und so werden diese Aufzeichnungen, von denen der erste Theil soeben in
der Ksvu"z Ass ä"zux inouäks erschienen ist, gewiß nicht verfehlen, auch in
Deutschland Aufsehen zu erregen.


G. Dannehl.


Line Itumenlese altdeutschen Kumors.

So bezeichnen wir der Kürze halber eine chronologisch geordnete Sammlung charak¬
teristischer Auszüge ans den hauptsächlichsten humoristischen und satirischen Schriftstellern
der letztverflossenen drei Jahrhunderte, die vor kurzem im Stüber'schen Verlag zu
Würzburg unter dem Titel "Deutscher Humor alter Zeit. Ein Beitrag zur
Kultur- und Sittengeschichte von Anfang des 16. bis gegen die Mitte des 18. Jahr¬
hunderts, von Heinrich Merkens" erschienen ist, und die wir als eine im ganzen
wohlgewählte empfehlen können, wenn auch nicht -- den Damen.

Man hat die größere erste Hälfte des gedachten Zeitraums nach dem in ihr sich
vorbereitenden, vollziehenden und ausklingenden Hauptereigniß das Reformations-Zeitalter
genannt. Der Ernst dieser Periode, die bekanntermaßen nicht blos die Reformation der
Kirche, sondern auch die der staatlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse gebären wollte,
hat aber einen Vorläufer und Begleiter, der auf den ersten Blick wenig zu ihm zu


sagte er, und die Gesetze der Moral und Schicklichkeit können für mich keine
Geltung haben. Wenn solche Erklärungen bei Madame Bonaparte Unzufrie¬
denheit, Thränen, Klagen erregten, so antwortete er zuweilen darauf mit Ge¬
waltthätigkeiten, die ich hier nicht zu detailliren wage, bis zu dem Augenblick,
wo seine neue Leidenschaft plötzlich schwand, und er fühlte, daß die Zärtlichkeit
für seine Gemahlin wieder in ihm erwachte. Dann war er von ihrem Schmerz
bewegt, suchte seine Beleidigungen durch Zärtlichkeiten wieder gut zu machen,
und da sie sanft und nicht starrsinnig war, so wiegte sie sich bald wieder in
völliger Sicherheit."

Der Ausspruch: >7s us suis pas uonuns ooiunis un s,nerf, los lois
as la raorals of sont Kitss xour raoi charakterisiren Napoleon I. zur
Genüge. Sie zeigen, mit welcher schrankenlosen Selbstsucht er sich weit über
alles Menschliche erhaben dünkte, auch auf einem Gebiete, wo die Großartigkeit
seiner Stellung ihn vor den Thorheiten thatenloser Wüstlinge hätte schützen
sollen. Jedenfalls erscheint der große Korse in den Mittheilungen der Frau
v. Remusat in einem Lichte, das uns manche neue Seite seines Innern kennen
lehrt, und so werden diese Aufzeichnungen, von denen der erste Theil soeben in
der Ksvu«z Ass ä«zux inouäks erschienen ist, gewiß nicht verfehlen, auch in
Deutschland Aufsehen zu erregen.


G. Dannehl.


Line Itumenlese altdeutschen Kumors.

So bezeichnen wir der Kürze halber eine chronologisch geordnete Sammlung charak¬
teristischer Auszüge ans den hauptsächlichsten humoristischen und satirischen Schriftstellern
der letztverflossenen drei Jahrhunderte, die vor kurzem im Stüber'schen Verlag zu
Würzburg unter dem Titel „Deutscher Humor alter Zeit. Ein Beitrag zur
Kultur- und Sittengeschichte von Anfang des 16. bis gegen die Mitte des 18. Jahr¬
hunderts, von Heinrich Merkens" erschienen ist, und die wir als eine im ganzen
wohlgewählte empfehlen können, wenn auch nicht — den Damen.

Man hat die größere erste Hälfte des gedachten Zeitraums nach dem in ihr sich
vorbereitenden, vollziehenden und ausklingenden Hauptereigniß das Reformations-Zeitalter
genannt. Der Ernst dieser Periode, die bekanntermaßen nicht blos die Reformation der
Kirche, sondern auch die der staatlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse gebären wollte,
hat aber einen Vorläufer und Begleiter, der auf den ersten Blick wenig zu ihm zu


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[0249] sagte er, und die Gesetze der Moral und Schicklichkeit können für mich keine Geltung haben. Wenn solche Erklärungen bei Madame Bonaparte Unzufrie¬ denheit, Thränen, Klagen erregten, so antwortete er zuweilen darauf mit Ge¬ waltthätigkeiten, die ich hier nicht zu detailliren wage, bis zu dem Augenblick, wo seine neue Leidenschaft plötzlich schwand, und er fühlte, daß die Zärtlichkeit für seine Gemahlin wieder in ihm erwachte. Dann war er von ihrem Schmerz bewegt, suchte seine Beleidigungen durch Zärtlichkeiten wieder gut zu machen, und da sie sanft und nicht starrsinnig war, so wiegte sie sich bald wieder in völliger Sicherheit." Der Ausspruch: >7s us suis pas uonuns ooiunis un s,nerf, los lois as la raorals of sont Kitss xour raoi charakterisiren Napoleon I. zur Genüge. Sie zeigen, mit welcher schrankenlosen Selbstsucht er sich weit über alles Menschliche erhaben dünkte, auch auf einem Gebiete, wo die Großartigkeit seiner Stellung ihn vor den Thorheiten thatenloser Wüstlinge hätte schützen sollen. Jedenfalls erscheint der große Korse in den Mittheilungen der Frau v. Remusat in einem Lichte, das uns manche neue Seite seines Innern kennen lehrt, und so werden diese Aufzeichnungen, von denen der erste Theil soeben in der Ksvu«z Ass ä«zux inouäks erschienen ist, gewiß nicht verfehlen, auch in Deutschland Aufsehen zu erregen. G. Dannehl. Line Itumenlese altdeutschen Kumors. So bezeichnen wir der Kürze halber eine chronologisch geordnete Sammlung charak¬ teristischer Auszüge ans den hauptsächlichsten humoristischen und satirischen Schriftstellern der letztverflossenen drei Jahrhunderte, die vor kurzem im Stüber'schen Verlag zu Würzburg unter dem Titel „Deutscher Humor alter Zeit. Ein Beitrag zur Kultur- und Sittengeschichte von Anfang des 16. bis gegen die Mitte des 18. Jahr¬ hunderts, von Heinrich Merkens" erschienen ist, und die wir als eine im ganzen wohlgewählte empfehlen können, wenn auch nicht — den Damen. Man hat die größere erste Hälfte des gedachten Zeitraums nach dem in ihr sich vorbereitenden, vollziehenden und ausklingenden Hauptereigniß das Reformations-Zeitalter genannt. Der Ernst dieser Periode, die bekanntermaßen nicht blos die Reformation der Kirche, sondern auch die der staatlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse gebären wollte, hat aber einen Vorläufer und Begleiter, der auf den ersten Blick wenig zu ihm zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/249>, abgerufen am 24.11.2024.