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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Schwägern verstand, und einer seiner Lieblingsnepoten, der Stadtpräfekt von Rom,
Francesco Maria delle Rovere, Leonore Gonzaga, des Markgrafen von Mantua
Tochter, heirathete. Bezeichnend für den heftigen, leidenschaftlichen Sinn des
Papstes und die Parteisucht der Kardinäle ist, was Burkard unterm 1. Dezember
1505 einträgt. In einem an diesem Tage abgehaltenen Konsistorium kreirte
der Papst 10 neue Kardinäle, mit deren Hilfe er einige Reformen durchsetzen
wollte. Er unterhielt sich über die vorzunehmenden Wahlen mit mehreren
Kardinälen, "konnte ... sie aber nicht einzeln durch Ueberredung überwinden,
und nachdem er sie Alle angesprochen, ging er in's Konsistorium und brachte
daselbst die Sache im Plenum vor, konnte aber auch so damit nicht durch¬
dringen und brach endlich in Drohungen aus, und daß er thun wollte, ich weiß
nicht was.....endlich stimmten Alle bei".

Den ceremoniellen Nachrichten ist in den Aufzeichnungen unseres Ceremo¬
nienmeisters ein außerordentlich großer Raum gewidmet. In oft ermüdender
Breite wird geschildert, wie er die Vorbereitungen zu der und jener kirchlichen
Feier, zum Hochamt, zu Exequien, zum Konklave getroffen habe, welche Befehle
er seinen Substituten und Dienern gegeben, wieviel Pfund Wachskerzen ver¬
braucht worden seien; gelegentlich wird auch wohl aufgezeichnet, wie groß die
Trinkgelder gewesen seien, die Fürsten und Gesandten zurückließen, und wieviel
davon auf Burkard gekommen. Nicht minder genau werden wir unterrichtet,
wie die Ordnung des Zuges gewesen, wenn der Papst sich nach dem Lateran,
nach Santa Maria Maggiore, nach der Popolo begab, oder wenn er sich mit
größerem oder kleinerem Gefolge in eine seiner Villeggiaturen zurückzog. Auch
der Rangstreitigkeiten in den Konsistorien beim Empfange und Einzuge fremder
Fürsten, Gesandten und Kardinäle wird aufs eingehendste gedacht: wären es
wichtigere Dinge, so müßten wir mit Theilnahme auf die nervöse Thätigkeit des
viel geplagten Mannes blicken, der bei der Erledigung solcher Fälle es natürlich
stets mit einer Partei verdarb.

Das Ceremoniell ging Burkard über Alles; die geringste Verletzung desselben
konnte ihn in heftigen Zorn versetzen, dem er dann auch in seinen Diarien
Ausdruck zu verleihen sich nicht scheute.*) So spricht er sich einmal über
Julius II. wegen eines kleinen Verstoßes gegen das Ceremoniell mit den Worten
aus: "Sehr unverschämt war diese Ceremonie." Auch literarisch hat Burkard
über diese seine Lieblingsbeschäftigung sich verbreitet. Wir besitzen von ihm
ein SxsonluM roiss^, das 1572 in Venedig erschien. In der Einleitung des
Werkchens, das dem Kardinal Bernardo Santa Croce gewidmet ist, sagt der



*) Von den Brüdern der Popolo sagt er einmal: er zweifle nicht, daß sie den todten
Kardinal von San Elemente bis auf's Hemd beraubt hätten.

Schwägern verstand, und einer seiner Lieblingsnepoten, der Stadtpräfekt von Rom,
Francesco Maria delle Rovere, Leonore Gonzaga, des Markgrafen von Mantua
Tochter, heirathete. Bezeichnend für den heftigen, leidenschaftlichen Sinn des
Papstes und die Parteisucht der Kardinäle ist, was Burkard unterm 1. Dezember
1505 einträgt. In einem an diesem Tage abgehaltenen Konsistorium kreirte
der Papst 10 neue Kardinäle, mit deren Hilfe er einige Reformen durchsetzen
wollte. Er unterhielt sich über die vorzunehmenden Wahlen mit mehreren
Kardinälen, „konnte ... sie aber nicht einzeln durch Ueberredung überwinden,
und nachdem er sie Alle angesprochen, ging er in's Konsistorium und brachte
daselbst die Sache im Plenum vor, konnte aber auch so damit nicht durch¬
dringen und brach endlich in Drohungen aus, und daß er thun wollte, ich weiß
nicht was.....endlich stimmten Alle bei".

Den ceremoniellen Nachrichten ist in den Aufzeichnungen unseres Ceremo¬
nienmeisters ein außerordentlich großer Raum gewidmet. In oft ermüdender
Breite wird geschildert, wie er die Vorbereitungen zu der und jener kirchlichen
Feier, zum Hochamt, zu Exequien, zum Konklave getroffen habe, welche Befehle
er seinen Substituten und Dienern gegeben, wieviel Pfund Wachskerzen ver¬
braucht worden seien; gelegentlich wird auch wohl aufgezeichnet, wie groß die
Trinkgelder gewesen seien, die Fürsten und Gesandten zurückließen, und wieviel
davon auf Burkard gekommen. Nicht minder genau werden wir unterrichtet,
wie die Ordnung des Zuges gewesen, wenn der Papst sich nach dem Lateran,
nach Santa Maria Maggiore, nach der Popolo begab, oder wenn er sich mit
größerem oder kleinerem Gefolge in eine seiner Villeggiaturen zurückzog. Auch
der Rangstreitigkeiten in den Konsistorien beim Empfange und Einzuge fremder
Fürsten, Gesandten und Kardinäle wird aufs eingehendste gedacht: wären es
wichtigere Dinge, so müßten wir mit Theilnahme auf die nervöse Thätigkeit des
viel geplagten Mannes blicken, der bei der Erledigung solcher Fälle es natürlich
stets mit einer Partei verdarb.

Das Ceremoniell ging Burkard über Alles; die geringste Verletzung desselben
konnte ihn in heftigen Zorn versetzen, dem er dann auch in seinen Diarien
Ausdruck zu verleihen sich nicht scheute.*) So spricht er sich einmal über
Julius II. wegen eines kleinen Verstoßes gegen das Ceremoniell mit den Worten
aus: „Sehr unverschämt war diese Ceremonie." Auch literarisch hat Burkard
über diese seine Lieblingsbeschäftigung sich verbreitet. Wir besitzen von ihm
ein SxsonluM roiss^, das 1572 in Venedig erschien. In der Einleitung des
Werkchens, das dem Kardinal Bernardo Santa Croce gewidmet ist, sagt der



*) Von den Brüdern der Popolo sagt er einmal: er zweifle nicht, daß sie den todten
Kardinal von San Elemente bis auf's Hemd beraubt hätten.
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[0193] Schwägern verstand, und einer seiner Lieblingsnepoten, der Stadtpräfekt von Rom, Francesco Maria delle Rovere, Leonore Gonzaga, des Markgrafen von Mantua Tochter, heirathete. Bezeichnend für den heftigen, leidenschaftlichen Sinn des Papstes und die Parteisucht der Kardinäle ist, was Burkard unterm 1. Dezember 1505 einträgt. In einem an diesem Tage abgehaltenen Konsistorium kreirte der Papst 10 neue Kardinäle, mit deren Hilfe er einige Reformen durchsetzen wollte. Er unterhielt sich über die vorzunehmenden Wahlen mit mehreren Kardinälen, „konnte ... sie aber nicht einzeln durch Ueberredung überwinden, und nachdem er sie Alle angesprochen, ging er in's Konsistorium und brachte daselbst die Sache im Plenum vor, konnte aber auch so damit nicht durch¬ dringen und brach endlich in Drohungen aus, und daß er thun wollte, ich weiß nicht was.....endlich stimmten Alle bei". Den ceremoniellen Nachrichten ist in den Aufzeichnungen unseres Ceremo¬ nienmeisters ein außerordentlich großer Raum gewidmet. In oft ermüdender Breite wird geschildert, wie er die Vorbereitungen zu der und jener kirchlichen Feier, zum Hochamt, zu Exequien, zum Konklave getroffen habe, welche Befehle er seinen Substituten und Dienern gegeben, wieviel Pfund Wachskerzen ver¬ braucht worden seien; gelegentlich wird auch wohl aufgezeichnet, wie groß die Trinkgelder gewesen seien, die Fürsten und Gesandten zurückließen, und wieviel davon auf Burkard gekommen. Nicht minder genau werden wir unterrichtet, wie die Ordnung des Zuges gewesen, wenn der Papst sich nach dem Lateran, nach Santa Maria Maggiore, nach der Popolo begab, oder wenn er sich mit größerem oder kleinerem Gefolge in eine seiner Villeggiaturen zurückzog. Auch der Rangstreitigkeiten in den Konsistorien beim Empfange und Einzuge fremder Fürsten, Gesandten und Kardinäle wird aufs eingehendste gedacht: wären es wichtigere Dinge, so müßten wir mit Theilnahme auf die nervöse Thätigkeit des viel geplagten Mannes blicken, der bei der Erledigung solcher Fälle es natürlich stets mit einer Partei verdarb. Das Ceremoniell ging Burkard über Alles; die geringste Verletzung desselben konnte ihn in heftigen Zorn versetzen, dem er dann auch in seinen Diarien Ausdruck zu verleihen sich nicht scheute.*) So spricht er sich einmal über Julius II. wegen eines kleinen Verstoßes gegen das Ceremoniell mit den Worten aus: „Sehr unverschämt war diese Ceremonie." Auch literarisch hat Burkard über diese seine Lieblingsbeschäftigung sich verbreitet. Wir besitzen von ihm ein SxsonluM roiss^, das 1572 in Venedig erschien. In der Einleitung des Werkchens, das dem Kardinal Bernardo Santa Croce gewidmet ist, sagt der *) Von den Brüdern der Popolo sagt er einmal: er zweifle nicht, daß sie den todten Kardinal von San Elemente bis auf's Hemd beraubt hätten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/193>, abgerufen am 27.07.2024.