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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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archivs wissen wir, daß er in seiner Eigenschaft als Propst der Kirche des
heiligen Florentius zu Haslach und als päpstlicher Protonotar Streitigkeiten
wegen des Klosterbaues auf dem Odilienberge zu schlichten hatte. Im Jahre
1494 begleitete er den Kardinal-Legaten zur Krönung des Königs Alfonso nach
Neapel. Diese beiden Reisen und kürzere Ausflüge in die Umgegend Rom's,
besonders nach seinem Bisthum Orte, abgerechnet, scheint er Rom nicht verlassen
zu haben. 23 Jahre hindurch ist er mit der größten Gewissenhaftigkeit allen
seinen Verpflichtungen nachgekommen; alle die, oft recht mühseligen und ver¬
drießlichen Obliegenheiten, die namentlich der Dienst eines obersten Ceremonien¬
meisters mit sich brachte, hat er mit Ausdauer erfüllt. Der Empfang von
Fürsten und Gesandten, die Anordnung der kirchlichen Festlichkeiten, die Zu¬
lüftungen zum Konklave, dies alles lag in seiner Hand. Viele uns lächerlich
und kleinlich erscheinende Fragen des (Zeremoniells wußte er mit der größten
Hingebung zu behandeln. Seine Tagebücher oder, richtiger gesagt, tagebuch¬
artigen Aufzeichnungen geben uns über alles reichhaltigen Aufschluß.

Burkard ist nicht der Erste, der solche Ceremonialberichte aus dem römi¬
schen Leben verfaßt hat: schon aus der Mitte des 15. Jahrhunderts begegnen
wir ähnlichen Aufzeichnungen; von Stefano Jnfessura, einem Schreiber des
Senats, besitzen wir ein werthvolles Diarium der römischen Geschichte im
15. Jahrhundert, besonders da wichtig, wo der Verfasser als Zeitgenosse vom
Pontifikate Sixtus' IV. spricht. Auch nach Burkard's Tode haben -- wie
einzelne römische Privatleute sich Tagebücher anlegten - - auch die Ceremonien¬
meister der Kurie bis zu Ende des 16. und vielleicht noch in's 17. Jahr¬
hundert hinein aufgezeichnet, was der Tag an wichtigen Ereignissen der ver¬
schiedensten Art brachte.

Von einem offiziellen Charakter dieser Tagebücher kann natürlich nicht die
Rede sein. Dagegen spricht aufs entschiedenste die gar nicht seltene Anfüh¬
rung rein persönlicher Erlebnisse, privater Verhältnisse, und vor allem der stark
polemische Ton, in welchem die Verfasser sich nicht nur gegen die höchsten
Würdenträger am päpstlichen Hofe, sondern auch gegen den Papst selbst zu¬
weilen ergehen. Aber wenn auch diese Tagebücher keiner amtlichen Aufsicht
unterlagen*), einen halboffiziellen Charakter wird man ihnen doch beilegen
müssen. Wahrscheinlich ist es, daß sie nnr im Kreise der Ceremonienmeister
verblieben, und daß die ceremoniellen Angaben, die sie enthalten, späteren
Ceremonienmeistern als Norm dienten.**) Dieser nur halboffizielle Charakter




*) Vgl. Gregvrovius, Lucrezia Borgia, I. S> 120.
**) Diese letztere Ansicht vertritt Ranke, "Zur Kritik neuerer Geschichtschreiber", 2. Auf¬
lage, S> 99. Burkard's Nachfolger im Amte, Paris de Grassis, schreibt: "Der Ceremonien¬
meister ist verpflichtet, Alles niederzuschreiben, was täglich in seinem Wirkungskreise geschieht.

archivs wissen wir, daß er in seiner Eigenschaft als Propst der Kirche des
heiligen Florentius zu Haslach und als päpstlicher Protonotar Streitigkeiten
wegen des Klosterbaues auf dem Odilienberge zu schlichten hatte. Im Jahre
1494 begleitete er den Kardinal-Legaten zur Krönung des Königs Alfonso nach
Neapel. Diese beiden Reisen und kürzere Ausflüge in die Umgegend Rom's,
besonders nach seinem Bisthum Orte, abgerechnet, scheint er Rom nicht verlassen
zu haben. 23 Jahre hindurch ist er mit der größten Gewissenhaftigkeit allen
seinen Verpflichtungen nachgekommen; alle die, oft recht mühseligen und ver¬
drießlichen Obliegenheiten, die namentlich der Dienst eines obersten Ceremonien¬
meisters mit sich brachte, hat er mit Ausdauer erfüllt. Der Empfang von
Fürsten und Gesandten, die Anordnung der kirchlichen Festlichkeiten, die Zu¬
lüftungen zum Konklave, dies alles lag in seiner Hand. Viele uns lächerlich
und kleinlich erscheinende Fragen des (Zeremoniells wußte er mit der größten
Hingebung zu behandeln. Seine Tagebücher oder, richtiger gesagt, tagebuch¬
artigen Aufzeichnungen geben uns über alles reichhaltigen Aufschluß.

Burkard ist nicht der Erste, der solche Ceremonialberichte aus dem römi¬
schen Leben verfaßt hat: schon aus der Mitte des 15. Jahrhunderts begegnen
wir ähnlichen Aufzeichnungen; von Stefano Jnfessura, einem Schreiber des
Senats, besitzen wir ein werthvolles Diarium der römischen Geschichte im
15. Jahrhundert, besonders da wichtig, wo der Verfasser als Zeitgenosse vom
Pontifikate Sixtus' IV. spricht. Auch nach Burkard's Tode haben — wie
einzelne römische Privatleute sich Tagebücher anlegten - - auch die Ceremonien¬
meister der Kurie bis zu Ende des 16. und vielleicht noch in's 17. Jahr¬
hundert hinein aufgezeichnet, was der Tag an wichtigen Ereignissen der ver¬
schiedensten Art brachte.

Von einem offiziellen Charakter dieser Tagebücher kann natürlich nicht die
Rede sein. Dagegen spricht aufs entschiedenste die gar nicht seltene Anfüh¬
rung rein persönlicher Erlebnisse, privater Verhältnisse, und vor allem der stark
polemische Ton, in welchem die Verfasser sich nicht nur gegen die höchsten
Würdenträger am päpstlichen Hofe, sondern auch gegen den Papst selbst zu¬
weilen ergehen. Aber wenn auch diese Tagebücher keiner amtlichen Aufsicht
unterlagen*), einen halboffiziellen Charakter wird man ihnen doch beilegen
müssen. Wahrscheinlich ist es, daß sie nnr im Kreise der Ceremonienmeister
verblieben, und daß die ceremoniellen Angaben, die sie enthalten, späteren
Ceremonienmeistern als Norm dienten.**) Dieser nur halboffizielle Charakter




*) Vgl. Gregvrovius, Lucrezia Borgia, I. S> 120.
**) Diese letztere Ansicht vertritt Ranke, „Zur Kritik neuerer Geschichtschreiber", 2. Auf¬
lage, S> 99. Burkard's Nachfolger im Amte, Paris de Grassis, schreibt: „Der Ceremonien¬
meister ist verpflichtet, Alles niederzuschreiben, was täglich in seinem Wirkungskreise geschieht.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/186>, abgerufen am 27.11.2024.