Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.unsere landläilsigen Liederbücher, die, in der Regel von irgend einem biederen Propagatvrische Schriften, wie die vorliegende, leiden in der Regel an Daß der Verfasser seine Schrift nicht einfach Hua, Tvttmann herausgegeben, Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grnnow in Leipzig. Verlag von F. L, Herbig in Leipzig, -- Druck von Hnthel Ä Herrmann in Leipzig. unsere landläilsigen Liederbücher, die, in der Regel von irgend einem biederen Propagatvrische Schriften, wie die vorliegende, leiden in der Regel an Daß der Verfasser seine Schrift nicht einfach Hua, Tvttmann herausgegeben, Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grnnow in Leipzig. Verlag von F. L, Herbig in Leipzig, — Druck von Hnthel Ä Herrmann in Leipzig. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0134" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142631"/> <p xml:id="ID_370" prev="#ID_369"> unsere landläilsigen Liederbücher, die, in der Regel von irgend einem biederen<lb/> „Gesanglehrer" zusammengestellt, der Schuljugend zur Anschaffung aufgenöthigt<lb/> werden, weit entfernt davon find, Mustersammlungen zu sein, was sie doch<lb/> fein müßten, wenn allen Mißgriffen bei der Auswahl vorgebeugt werden soll.<lb/> Zum Schlüsse spricht der Verfasser den Wunsch aus, daß die Unterrichtsbe¬<lb/> hörden des vernachlässigten Zweiges sich annehmen möchten, und formulirt seine<lb/> Vorschlüge für die Reform desselben dahin, daß vor allem, wie in jüngster<lb/> Zeit der Zeichen-, so auch der Gesangunterricht der Willkür und dem Zufall<lb/> entrissen und in einen einheitlichen Plan gebracht werde, daß bei der Prüfung<lb/> der Lehrer ein größeres Augenmerk auf ihre Qualifikation zum musikalischen,<lb/> insbesondere zum Gesangunterricht gerichtet werde, endlich daß auch der Ge-<lb/> sangunterricht unter die Aufsicht einer kundigen, urtheilsfähigem, fachmännischer<lb/> Inspektion gestellt werde, zu der der Direktor einer Schule allerdings wohl in<lb/> eben so seltenen Füllen berufen sein mag wie zur Überwachung des Zeichen¬<lb/> unterrichtes.</p><lb/> <p xml:id="ID_371"> Propagatvrische Schriften, wie die vorliegende, leiden in der Regel an<lb/> einem doppelten Fehler, dem nämlich, daß sie einerseits, persönliche und sonstige<lb/> Erfahrungen allzukühn verallgemeinernd, die bestehenden Zustünde zu schwarz<lb/> malen, andrerseits von ihren Reformvorschlägen zu große Erwartungen hegen.<lb/> Auch Tottmcnm's Schriftchen ist nicht frei davon. In seiner Schilderung der<lb/> thatsächlichen Zustünde sähe man gern etwas mehr Belegmaterial; zum guten<lb/> Theil find es wohl persönliche Erfahrungen des Verfassers, die zum Ausdruck<lb/> kommen, zu einem Ausdruck obendrein, dem man den Charakter der persönlichen<lb/> Spitze bisweilen anfühlen zu können glaubt. Andrerseits betrachtet der Ver¬<lb/> fasser den Gesangunterricht, so wie er ihn sich geleitet denkt, in der That als<lb/> eine Art wuuderwirkender Panazee. Es stünde aber doch traurig um unsre<lb/> ganze Erziehung, viel trauriger, als der Verfasser annimmt, wenn wirklich von<lb/> einer Verbesserung des Gesangnnterrichtes alles das abhängen sollte, was er in<lb/> unserm Unterrichtswesen vermißt. In den Händen tüchtiger, verständiger<lb/> Lehrer — und auf die Person des Lehrers kommt schließlich alles an, viel<lb/> mehr als auf alle Systeme, Lehrpläne und Regulative — wird der Religions-<lb/> unterricht, der Unterricht in den Naturwissenschaften und in der Geschichte, die<lb/> Lektüre deutscher und ausländischer Klassiker gewiß einen guten Theil der Wir¬<lb/> kungen erreichen, die der Verfasser ausschließlich dem Gesangunterricht vindiziren<lb/> mochte. Die Anregungen, die er gibt, bleiben natürlich immerhin sehr dankens-<lb/> werth und werden an maßgebender Stelle gewiß ihre Berücksichtigung finden.</p><lb/> <p xml:id="ID_372"> Daß der Verfasser seine Schrift nicht einfach Hua, Tvttmann herausgegeben,<lb/> sondern unter die Fittige des „Allgemeinen Deutschen Mufikvereius" gestellt hat,<lb/> fo daß die Broschüre nun wie eine einzige große „Resolution" dieses Vereins<lb/> erscheint, verdenken wir ihm aufrichtigst. Der sogenannte „Allgemeine" Deutsche<lb/> Musikverein ist, wie zur Genüge bekannt ist, nichts weniger als ein allgemeiner,<lb/> fondern für eine kleine Anzahl von Leuten eine bequeme RückVersicherungsanstalt<lb/> für gegenseitige Reklame, und vor dem verdächtigen Beigeschmack der Reklame,<lb/> der auf jede Kundgebung dieses Vereins füllt, sähe man das vorliegende Schrift¬<lb/> chen lieber bewahrt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grnnow in Leipzig.<lb/> Verlag von F. L, Herbig in Leipzig, — Druck von Hnthel Ä Herrmann in Leipzig.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0134]
unsere landläilsigen Liederbücher, die, in der Regel von irgend einem biederen
„Gesanglehrer" zusammengestellt, der Schuljugend zur Anschaffung aufgenöthigt
werden, weit entfernt davon find, Mustersammlungen zu sein, was sie doch
fein müßten, wenn allen Mißgriffen bei der Auswahl vorgebeugt werden soll.
Zum Schlüsse spricht der Verfasser den Wunsch aus, daß die Unterrichtsbe¬
hörden des vernachlässigten Zweiges sich annehmen möchten, und formulirt seine
Vorschlüge für die Reform desselben dahin, daß vor allem, wie in jüngster
Zeit der Zeichen-, so auch der Gesangunterricht der Willkür und dem Zufall
entrissen und in einen einheitlichen Plan gebracht werde, daß bei der Prüfung
der Lehrer ein größeres Augenmerk auf ihre Qualifikation zum musikalischen,
insbesondere zum Gesangunterricht gerichtet werde, endlich daß auch der Ge-
sangunterricht unter die Aufsicht einer kundigen, urtheilsfähigem, fachmännischer
Inspektion gestellt werde, zu der der Direktor einer Schule allerdings wohl in
eben so seltenen Füllen berufen sein mag wie zur Überwachung des Zeichen¬
unterrichtes.
Propagatvrische Schriften, wie die vorliegende, leiden in der Regel an
einem doppelten Fehler, dem nämlich, daß sie einerseits, persönliche und sonstige
Erfahrungen allzukühn verallgemeinernd, die bestehenden Zustünde zu schwarz
malen, andrerseits von ihren Reformvorschlägen zu große Erwartungen hegen.
Auch Tottmcnm's Schriftchen ist nicht frei davon. In seiner Schilderung der
thatsächlichen Zustünde sähe man gern etwas mehr Belegmaterial; zum guten
Theil find es wohl persönliche Erfahrungen des Verfassers, die zum Ausdruck
kommen, zu einem Ausdruck obendrein, dem man den Charakter der persönlichen
Spitze bisweilen anfühlen zu können glaubt. Andrerseits betrachtet der Ver¬
fasser den Gesangunterricht, so wie er ihn sich geleitet denkt, in der That als
eine Art wuuderwirkender Panazee. Es stünde aber doch traurig um unsre
ganze Erziehung, viel trauriger, als der Verfasser annimmt, wenn wirklich von
einer Verbesserung des Gesangnnterrichtes alles das abhängen sollte, was er in
unserm Unterrichtswesen vermißt. In den Händen tüchtiger, verständiger
Lehrer — und auf die Person des Lehrers kommt schließlich alles an, viel
mehr als auf alle Systeme, Lehrpläne und Regulative — wird der Religions-
unterricht, der Unterricht in den Naturwissenschaften und in der Geschichte, die
Lektüre deutscher und ausländischer Klassiker gewiß einen guten Theil der Wir¬
kungen erreichen, die der Verfasser ausschließlich dem Gesangunterricht vindiziren
mochte. Die Anregungen, die er gibt, bleiben natürlich immerhin sehr dankens-
werth und werden an maßgebender Stelle gewiß ihre Berücksichtigung finden.
Daß der Verfasser seine Schrift nicht einfach Hua, Tvttmann herausgegeben,
sondern unter die Fittige des „Allgemeinen Deutschen Mufikvereius" gestellt hat,
fo daß die Broschüre nun wie eine einzige große „Resolution" dieses Vereins
erscheint, verdenken wir ihm aufrichtigst. Der sogenannte „Allgemeine" Deutsche
Musikverein ist, wie zur Genüge bekannt ist, nichts weniger als ein allgemeiner,
fondern für eine kleine Anzahl von Leuten eine bequeme RückVersicherungsanstalt
für gegenseitige Reklame, und vor dem verdächtigen Beigeschmack der Reklame,
der auf jede Kundgebung dieses Vereins füllt, sähe man das vorliegende Schrift¬
chen lieber bewahrt.
Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grnnow in Leipzig.
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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
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