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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Schädigung zuerkannt werden. Seine Tantieme verkaufte List sofort für 2000
Thaler, und das Direktorium trug darauf an, sie zurückzukaufen, weil die
Aktionäre nicht mit Unrecht aus den Statuten folgern könnten, daß niemanden:
als den dort bezeichneten ein Anspruch auf die ausfallende und zur Verthei-
lung kommende Dividende gegeben sei. Für den Fall, daß der Ausschuß dem
Ankaufe nicht zustimmen sollte, erboten sich sogar einige Mitglieder des Direk¬
toriums, die Tantieme selbst anzukaufen. Der Ausschuß war aber einverstanden,
und damit war dann endlich die Sache erledigt, dreiviertel Jahre nach Konsti-
tuirung der Kompagnie.

Die Angelegenheit ruhte null über ein Jahr. Erst 1837 machte List einen
nochmaligen Versuch, seine Forderungen bei der Kompagnie durchzutreiben. Er
konnte kunst anders. Seine persönlichen Verhältnisse nöthigten ihn, darauf
zurückzukommen, da er sein in Amerika erworbenes Vermögen den Eisenbahnen,
hauptsächlich der Leipzig-Dresdner, geopfert hatte, auch sein Eisenbahn-Journal,
das anfänglich anf's beste gediehen war, zu Grunde ging, nachdem es in
Oesterreich verboten worden. Wiederholt erinnerte List das Direktorium an
seine Ansprüche; als er kein Gehör fand, sprach er die Absicht aus, seine Ver¬
hältnisse vor eine General-Versammlung zu bringen. Da endlich wandten sich
die Herren vom Direktorium an den Ausschuß mit der Frage, ob uicht List
eine nochmalige Entschädigung gewährt werdeu könne; es sei ihnen ein pein¬
liches Gefühl, fürchten zu müssen, daß das größere Publikum, ja ein großer
Theil der Aktionäre selbst, etwa das Direktorium des Undankes gegen einen
Mann beschuldigen könne, der das Unternehmen unleugbar zuerst in Anregung
gebracht und ihm, sowie dem Eisenbahnwesen in Deutschland überhaupt, unbe¬
stritten wesentliche Dienste geleistet habe -- treffliche Gedanken, die man nur
leider nicht früher bei der Wahl der Direktoren gehabt hatte, denn wie wäre
es sonst möglich gewesen, List zu übergehe"? Mündlich theilte Harkort dem
Ausschüsse mit, daß die augenblicklichen Verhältnisse List's das Direktorium ver-
aulcißten, eine Abfindungssumme in Vorschlag zu bringen; List's Ansprüche
schienen nicht unbedeutend zu sein, das Direktorium denke ihm aber noch 1000,
allerhöchstens 1500 Thaler anzubieten. Im Ausschuß verwarf man jedoch eine
Abfindung; man war auf einmal der Ansicht, List könne nach 69 der Sta¬
tuten auf ein Schiedsgericht antragen, wenn er Forderungen an die Kompagnie
zu haben glaube für das, was er in ihrem Interesse gethan und aufgewandt
haben wolle. Ein solches Schiedsgericht, auf welches List immer gedrungen
hatte, nun zu berufen, das fiel natürlich keinem Menschen ein.

So mußte denn List in der dritten Generalversammlung (Juni 1837) sein
Verhältniß zur Kompagnie zur Sprache bringen. Er zählte noch einmal alles
auf, was er der Kompagnie genützt, und erinnerte an die Versprechungen, die


Schädigung zuerkannt werden. Seine Tantieme verkaufte List sofort für 2000
Thaler, und das Direktorium trug darauf an, sie zurückzukaufen, weil die
Aktionäre nicht mit Unrecht aus den Statuten folgern könnten, daß niemanden:
als den dort bezeichneten ein Anspruch auf die ausfallende und zur Verthei-
lung kommende Dividende gegeben sei. Für den Fall, daß der Ausschuß dem
Ankaufe nicht zustimmen sollte, erboten sich sogar einige Mitglieder des Direk¬
toriums, die Tantieme selbst anzukaufen. Der Ausschuß war aber einverstanden,
und damit war dann endlich die Sache erledigt, dreiviertel Jahre nach Konsti-
tuirung der Kompagnie.

Die Angelegenheit ruhte null über ein Jahr. Erst 1837 machte List einen
nochmaligen Versuch, seine Forderungen bei der Kompagnie durchzutreiben. Er
konnte kunst anders. Seine persönlichen Verhältnisse nöthigten ihn, darauf
zurückzukommen, da er sein in Amerika erworbenes Vermögen den Eisenbahnen,
hauptsächlich der Leipzig-Dresdner, geopfert hatte, auch sein Eisenbahn-Journal,
das anfänglich anf's beste gediehen war, zu Grunde ging, nachdem es in
Oesterreich verboten worden. Wiederholt erinnerte List das Direktorium an
seine Ansprüche; als er kein Gehör fand, sprach er die Absicht aus, seine Ver¬
hältnisse vor eine General-Versammlung zu bringen. Da endlich wandten sich
die Herren vom Direktorium an den Ausschuß mit der Frage, ob uicht List
eine nochmalige Entschädigung gewährt werdeu könne; es sei ihnen ein pein¬
liches Gefühl, fürchten zu müssen, daß das größere Publikum, ja ein großer
Theil der Aktionäre selbst, etwa das Direktorium des Undankes gegen einen
Mann beschuldigen könne, der das Unternehmen unleugbar zuerst in Anregung
gebracht und ihm, sowie dem Eisenbahnwesen in Deutschland überhaupt, unbe¬
stritten wesentliche Dienste geleistet habe — treffliche Gedanken, die man nur
leider nicht früher bei der Wahl der Direktoren gehabt hatte, denn wie wäre
es sonst möglich gewesen, List zu übergehe»? Mündlich theilte Harkort dem
Ausschüsse mit, daß die augenblicklichen Verhältnisse List's das Direktorium ver-
aulcißten, eine Abfindungssumme in Vorschlag zu bringen; List's Ansprüche
schienen nicht unbedeutend zu sein, das Direktorium denke ihm aber noch 1000,
allerhöchstens 1500 Thaler anzubieten. Im Ausschuß verwarf man jedoch eine
Abfindung; man war auf einmal der Ansicht, List könne nach 69 der Sta¬
tuten auf ein Schiedsgericht antragen, wenn er Forderungen an die Kompagnie
zu haben glaube für das, was er in ihrem Interesse gethan und aufgewandt
haben wolle. Ein solches Schiedsgericht, auf welches List immer gedrungen
hatte, nun zu berufen, das fiel natürlich keinem Menschen ein.

So mußte denn List in der dritten Generalversammlung (Juni 1837) sein
Verhältniß zur Kompagnie zur Sprache bringen. Er zählte noch einmal alles
auf, was er der Kompagnie genützt, und erinnerte an die Versprechungen, die


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[0115] Schädigung zuerkannt werden. Seine Tantieme verkaufte List sofort für 2000 Thaler, und das Direktorium trug darauf an, sie zurückzukaufen, weil die Aktionäre nicht mit Unrecht aus den Statuten folgern könnten, daß niemanden: als den dort bezeichneten ein Anspruch auf die ausfallende und zur Verthei- lung kommende Dividende gegeben sei. Für den Fall, daß der Ausschuß dem Ankaufe nicht zustimmen sollte, erboten sich sogar einige Mitglieder des Direk¬ toriums, die Tantieme selbst anzukaufen. Der Ausschuß war aber einverstanden, und damit war dann endlich die Sache erledigt, dreiviertel Jahre nach Konsti- tuirung der Kompagnie. Die Angelegenheit ruhte null über ein Jahr. Erst 1837 machte List einen nochmaligen Versuch, seine Forderungen bei der Kompagnie durchzutreiben. Er konnte kunst anders. Seine persönlichen Verhältnisse nöthigten ihn, darauf zurückzukommen, da er sein in Amerika erworbenes Vermögen den Eisenbahnen, hauptsächlich der Leipzig-Dresdner, geopfert hatte, auch sein Eisenbahn-Journal, das anfänglich anf's beste gediehen war, zu Grunde ging, nachdem es in Oesterreich verboten worden. Wiederholt erinnerte List das Direktorium an seine Ansprüche; als er kein Gehör fand, sprach er die Absicht aus, seine Ver¬ hältnisse vor eine General-Versammlung zu bringen. Da endlich wandten sich die Herren vom Direktorium an den Ausschuß mit der Frage, ob uicht List eine nochmalige Entschädigung gewährt werdeu könne; es sei ihnen ein pein¬ liches Gefühl, fürchten zu müssen, daß das größere Publikum, ja ein großer Theil der Aktionäre selbst, etwa das Direktorium des Undankes gegen einen Mann beschuldigen könne, der das Unternehmen unleugbar zuerst in Anregung gebracht und ihm, sowie dem Eisenbahnwesen in Deutschland überhaupt, unbe¬ stritten wesentliche Dienste geleistet habe — treffliche Gedanken, die man nur leider nicht früher bei der Wahl der Direktoren gehabt hatte, denn wie wäre es sonst möglich gewesen, List zu übergehe»? Mündlich theilte Harkort dem Ausschüsse mit, daß die augenblicklichen Verhältnisse List's das Direktorium ver- aulcißten, eine Abfindungssumme in Vorschlag zu bringen; List's Ansprüche schienen nicht unbedeutend zu sein, das Direktorium denke ihm aber noch 1000, allerhöchstens 1500 Thaler anzubieten. Im Ausschuß verwarf man jedoch eine Abfindung; man war auf einmal der Ansicht, List könne nach 69 der Sta¬ tuten auf ein Schiedsgericht antragen, wenn er Forderungen an die Kompagnie zu haben glaube für das, was er in ihrem Interesse gethan und aufgewandt haben wolle. Ein solches Schiedsgericht, auf welches List immer gedrungen hatte, nun zu berufen, das fiel natürlich keinem Menschen ein. So mußte denn List in der dritten Generalversammlung (Juni 1837) sein Verhältniß zur Kompagnie zur Sprache bringen. Er zählte noch einmal alles auf, was er der Kompagnie genützt, und erinnerte an die Versprechungen, die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/115>, abgerufen am 01.09.2024.