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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Das Direktorium war von diesem Schreiben nicht wenig überrascht; es glaubte,
Großes gethan zu haben, und hatte keine Befriedigung bereitet. Man faßte das
Schreiben so auf, als habe List die 2000 Thaler überhaupt zurückweisen wollen.
Was sollte nun geschehen? Das Direktorium appellirte an eine andre Instanz,
es schickte das Schreiben an den Ausschuß und fragte dort um Rath. Um aber
nicht nochmals in eine gleiche Kalamität zu gerathen, wurden dem Ausschuß zu¬
gleich alle Protokolle des Komites mit übersandt; zugleich waren die wichtigsten
Stellen, welche für die Beurtheilung der Verdienste List's von Bedeutung sein
konnten, abschriftlich zusammengestellt, damit es dem Ausschuß leicht werde, auf
Heller und Pfennig auszurechnen, wie viel geniale Gedanken und Entwürfe
werth seien. Der Ausschuß war sich seiner Würde vollkommen bewußt und ging
nicht an die Prüfung der Frage, ohne zur Begutachtung derselben eine Kom¬
mission von fünf Mitgliedern ernannt zu haben. Vorsitzender derselben war
Salomon. Das Resultat ihrer Berathung war, daß auf den "direkten" Antrag,
eine Kommission zur Verhandlung mit List zu ernennen, nicht eingegangen werden
könne; was ihm angeboten werde, möge er kurzer Hand entweder ablehnen oder
annehmen; in eine andre Form des "Ehrengeschenks" könne man allenfalls
willigen, man könne ihm bei einer etwaigen Vermehrung der Aktien 200 Stück
zum Nominalwerthe überlassen oder vom Reingewinn der ersten 10 Betriebsjahre
l'/s Prozent anbieten; ob ihm eine öffentliche Anerkennung gegeben werden solle,
müsse mau in's Ermessen des Direktoriums stellen. Begründet wurden diese
Anträge in einem ausführlichen Bericht, dessen charakteristischsten Wendungen
wir uns nicht versagen können hier wörtlich folgen zu lassen.

"Daß Herr List," heißt es darin, "als derjenige zu betrachten sei, der zuerst
die Idee der Unternehmung, die jetzt als begründet dasteht, angeregt, irrige An¬
sichten darüber zu berichtigen, überhaupt das Publikum dafür zu interessiren
gesucht hat, ist eben so bekannt, als angenommen werden muß, daß er bei seinen
Bemühungen gewissen Zeit- und Geldaufwand gehabt habe. Aus welchen Gründen
Herr pp. List hierbei gehandelt und ob er nicht vielleicht durch die Art und
Weise, wie er gehandelt, selbst das Resultat herbeigeführt habe, was für ihn
jetzt vorliegt, das sind Rücksichten, die wohl den Ausschuß nicht leiten dürfen,
bei Beantwortung der Frage, ob ihm überhaupt eine Vergütung zuzugestehen
sei. Vielmehr dürfte hier der alleinige Umstand in Betracht lammen, daß er
entschiedene Verdienste für die erste Begründung der Compagnie hat." ... "Soll
ein positiver Verlust vergütet, mithin eine bestimmte der Compagnie in Rechnung
zu stellende Ausgabe gemacht werden, so muß jener nicht nur speciell nachge¬
wiesen, sondern es muß auch ein Anspruch rechtlich begründet sein. Eine solche
Begründung ergibt sich aber weder aus Herrn List's Angaben, denn er
sagt selbst, er sei weit entfernt, rechtliche Verbindlichkeit deduciren zu wollen,


Das Direktorium war von diesem Schreiben nicht wenig überrascht; es glaubte,
Großes gethan zu haben, und hatte keine Befriedigung bereitet. Man faßte das
Schreiben so auf, als habe List die 2000 Thaler überhaupt zurückweisen wollen.
Was sollte nun geschehen? Das Direktorium appellirte an eine andre Instanz,
es schickte das Schreiben an den Ausschuß und fragte dort um Rath. Um aber
nicht nochmals in eine gleiche Kalamität zu gerathen, wurden dem Ausschuß zu¬
gleich alle Protokolle des Komites mit übersandt; zugleich waren die wichtigsten
Stellen, welche für die Beurtheilung der Verdienste List's von Bedeutung sein
konnten, abschriftlich zusammengestellt, damit es dem Ausschuß leicht werde, auf
Heller und Pfennig auszurechnen, wie viel geniale Gedanken und Entwürfe
werth seien. Der Ausschuß war sich seiner Würde vollkommen bewußt und ging
nicht an die Prüfung der Frage, ohne zur Begutachtung derselben eine Kom¬
mission von fünf Mitgliedern ernannt zu haben. Vorsitzender derselben war
Salomon. Das Resultat ihrer Berathung war, daß auf den „direkten" Antrag,
eine Kommission zur Verhandlung mit List zu ernennen, nicht eingegangen werden
könne; was ihm angeboten werde, möge er kurzer Hand entweder ablehnen oder
annehmen; in eine andre Form des „Ehrengeschenks" könne man allenfalls
willigen, man könne ihm bei einer etwaigen Vermehrung der Aktien 200 Stück
zum Nominalwerthe überlassen oder vom Reingewinn der ersten 10 Betriebsjahre
l'/s Prozent anbieten; ob ihm eine öffentliche Anerkennung gegeben werden solle,
müsse mau in's Ermessen des Direktoriums stellen. Begründet wurden diese
Anträge in einem ausführlichen Bericht, dessen charakteristischsten Wendungen
wir uns nicht versagen können hier wörtlich folgen zu lassen.

„Daß Herr List," heißt es darin, „als derjenige zu betrachten sei, der zuerst
die Idee der Unternehmung, die jetzt als begründet dasteht, angeregt, irrige An¬
sichten darüber zu berichtigen, überhaupt das Publikum dafür zu interessiren
gesucht hat, ist eben so bekannt, als angenommen werden muß, daß er bei seinen
Bemühungen gewissen Zeit- und Geldaufwand gehabt habe. Aus welchen Gründen
Herr pp. List hierbei gehandelt und ob er nicht vielleicht durch die Art und
Weise, wie er gehandelt, selbst das Resultat herbeigeführt habe, was für ihn
jetzt vorliegt, das sind Rücksichten, die wohl den Ausschuß nicht leiten dürfen,
bei Beantwortung der Frage, ob ihm überhaupt eine Vergütung zuzugestehen
sei. Vielmehr dürfte hier der alleinige Umstand in Betracht lammen, daß er
entschiedene Verdienste für die erste Begründung der Compagnie hat." ... „Soll
ein positiver Verlust vergütet, mithin eine bestimmte der Compagnie in Rechnung
zu stellende Ausgabe gemacht werden, so muß jener nicht nur speciell nachge¬
wiesen, sondern es muß auch ein Anspruch rechtlich begründet sein. Eine solche
Begründung ergibt sich aber weder aus Herrn List's Angaben, denn er
sagt selbst, er sei weit entfernt, rechtliche Verbindlichkeit deduciren zu wollen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/112>, abgerufen am 27.11.2024.