Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

kolonie zu verbüßen, und darf dann nie in sein Vaterland zurückkehren" ? Wenn
wir nun einen Theil der Deportirten müßten zurückkehren lassen, würden wir
nicht dieselbe Erfahrung machen, wie die Engländer, daß gerade diese die ge¬
fährlichsten, raffinirtesten Verbrecher sind?

Man könnte ferner einwenden, daß man die Strafkolonie so kostspielig
nicht einzurichten brauche. Fabri selbst spricht sich darüber nicht aus, man
kann aber oft genug der Meinung begegnen, daß zur Errichtung einer Straf¬
kolonie ja eine einsame Insel mitten im Ozean gewählt werden könne; dort
solle man die Verbrecher gewissermaßen aussetzen, mit dem nöthigsten Geräth,
Handwerkzeug u. s. w. versehen und sie dann sich selbst überlassen, höchstens
ein Kriegsschiff dort stationiren, um zu verhindern, daß sie auf Flößen oder
selbstverfertigten Kähnen entfliehen. Dies würde freilich billiger sein, aber
wenn man die Kosten des Transportes und der ersten Ausrüstung des Kriegs¬
schiffs rechnet, immer noch ebenso theuer zu stehen kommen, wie der Strafvollzug
in Moabit. Wie sich aber eine solche Strafkolonie in Wirklichkeit gestalten
wird, kann der Sachkundige sich leicht ausmalen. Es bedarf jedoch nicht der
Phantasie, wir können uns auch hier auf die Erfahrung berufen.

Die Engländer haben sich, wie schon erwähnt, für ihre indischen Besitzungen
eine Straf-Kolonie auf den Andamanen und Nicobaren im indischen Ozean
eingerichtet. Die Lage ist mit großem Geschick gewählt, auch deshalb, weil
die Transportkosten der Deportirten sich dadurch besonders niedrig stellen.
Auf den Inseln sind etwa 10 000 Verbrecher, Männer und Weiber, delirirt, alle
bis auf einen geringen Bruchtheil zu lebenslänglicher Gefangenschaft verurtheilt,
meistens wegen Mord. Eine der Inseln enthält die Residenz des Gouverneurs,
den Hafen für die Schiffe, die Magazine, die Besatzung, eine Anzahl nicht zu
Lebenszeit verurtheilter männlicher Gefangener und das Weibergefängniß. Die
übrigen männlichen Gefangenen sind in größeren oder geringeren Trupps auf
den einzelnen Inseln untergebracht. Auf den größeren derselben ist ein
snxsrinwriÄsnr stationirt mit einer kleinen Anzahl Militär, einigen Auf¬
sehern ;c.; ihre Behausung ist entweder eine kleine Festung auf der Insel der
Deportirten selbst oder auf einer in der Nähe derselben liegenden kleineren
Insel. Die Gefangenen sind in Abtheilungen getheilt, deren Anführer selbst
Gefangene sind; die letzteren leiten namentlich die Arbeiten. Sie wohnen
abtheilungsweise in selbsterbauten Hütten; die Beamten beschränken sich darauf,
die Arbeiten zu bestimmen und von Zeit zu Zeit zu revidiren, im übrigen sind
die Gefangenen sich selbst überlassen. Die Autorität der Beamten wird dadurch
aufrecht erhalten, daß es streng untersagt ist, ans den mit Gefangenen besetzten
Inseln irgend welche Nahrungsmittel zu bauen; alles was die Gefangenen in
dieser Beziehung nöthig haben, vorzugsweise Reis, wird von Ostindien ein-


kolonie zu verbüßen, und darf dann nie in sein Vaterland zurückkehren" ? Wenn
wir nun einen Theil der Deportirten müßten zurückkehren lassen, würden wir
nicht dieselbe Erfahrung machen, wie die Engländer, daß gerade diese die ge¬
fährlichsten, raffinirtesten Verbrecher sind?

Man könnte ferner einwenden, daß man die Strafkolonie so kostspielig
nicht einzurichten brauche. Fabri selbst spricht sich darüber nicht aus, man
kann aber oft genug der Meinung begegnen, daß zur Errichtung einer Straf¬
kolonie ja eine einsame Insel mitten im Ozean gewählt werden könne; dort
solle man die Verbrecher gewissermaßen aussetzen, mit dem nöthigsten Geräth,
Handwerkzeug u. s. w. versehen und sie dann sich selbst überlassen, höchstens
ein Kriegsschiff dort stationiren, um zu verhindern, daß sie auf Flößen oder
selbstverfertigten Kähnen entfliehen. Dies würde freilich billiger sein, aber
wenn man die Kosten des Transportes und der ersten Ausrüstung des Kriegs¬
schiffs rechnet, immer noch ebenso theuer zu stehen kommen, wie der Strafvollzug
in Moabit. Wie sich aber eine solche Strafkolonie in Wirklichkeit gestalten
wird, kann der Sachkundige sich leicht ausmalen. Es bedarf jedoch nicht der
Phantasie, wir können uns auch hier auf die Erfahrung berufen.

Die Engländer haben sich, wie schon erwähnt, für ihre indischen Besitzungen
eine Straf-Kolonie auf den Andamanen und Nicobaren im indischen Ozean
eingerichtet. Die Lage ist mit großem Geschick gewählt, auch deshalb, weil
die Transportkosten der Deportirten sich dadurch besonders niedrig stellen.
Auf den Inseln sind etwa 10 000 Verbrecher, Männer und Weiber, delirirt, alle
bis auf einen geringen Bruchtheil zu lebenslänglicher Gefangenschaft verurtheilt,
meistens wegen Mord. Eine der Inseln enthält die Residenz des Gouverneurs,
den Hafen für die Schiffe, die Magazine, die Besatzung, eine Anzahl nicht zu
Lebenszeit verurtheilter männlicher Gefangener und das Weibergefängniß. Die
übrigen männlichen Gefangenen sind in größeren oder geringeren Trupps auf
den einzelnen Inseln untergebracht. Auf den größeren derselben ist ein
snxsrinwriÄsnr stationirt mit einer kleinen Anzahl Militär, einigen Auf¬
sehern ;c.; ihre Behausung ist entweder eine kleine Festung auf der Insel der
Deportirten selbst oder auf einer in der Nähe derselben liegenden kleineren
Insel. Die Gefangenen sind in Abtheilungen getheilt, deren Anführer selbst
Gefangene sind; die letzteren leiten namentlich die Arbeiten. Sie wohnen
abtheilungsweise in selbsterbauten Hütten; die Beamten beschränken sich darauf,
die Arbeiten zu bestimmen und von Zeit zu Zeit zu revidiren, im übrigen sind
die Gefangenen sich selbst überlassen. Die Autorität der Beamten wird dadurch
aufrecht erhalten, daß es streng untersagt ist, ans den mit Gefangenen besetzten
Inseln irgend welche Nahrungsmittel zu bauen; alles was die Gefangenen in
dieser Beziehung nöthig haben, vorzugsweise Reis, wird von Ostindien ein-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0509" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142464"/>
          <p xml:id="ID_1536" prev="#ID_1535"> kolonie zu verbüßen, und darf dann nie in sein Vaterland zurückkehren" ? Wenn<lb/>
wir nun einen Theil der Deportirten müßten zurückkehren lassen, würden wir<lb/>
nicht dieselbe Erfahrung machen, wie die Engländer, daß gerade diese die ge¬<lb/>
fährlichsten, raffinirtesten Verbrecher sind?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1537"> Man könnte ferner einwenden, daß man die Strafkolonie so kostspielig<lb/>
nicht einzurichten brauche. Fabri selbst spricht sich darüber nicht aus, man<lb/>
kann aber oft genug der Meinung begegnen, daß zur Errichtung einer Straf¬<lb/>
kolonie ja eine einsame Insel mitten im Ozean gewählt werden könne; dort<lb/>
solle man die Verbrecher gewissermaßen aussetzen, mit dem nöthigsten Geräth,<lb/>
Handwerkzeug u. s. w. versehen und sie dann sich selbst überlassen, höchstens<lb/>
ein Kriegsschiff dort stationiren, um zu verhindern, daß sie auf Flößen oder<lb/>
selbstverfertigten Kähnen entfliehen. Dies würde freilich billiger sein, aber<lb/>
wenn man die Kosten des Transportes und der ersten Ausrüstung des Kriegs¬<lb/>
schiffs rechnet, immer noch ebenso theuer zu stehen kommen, wie der Strafvollzug<lb/>
in Moabit. Wie sich aber eine solche Strafkolonie in Wirklichkeit gestalten<lb/>
wird, kann der Sachkundige sich leicht ausmalen. Es bedarf jedoch nicht der<lb/>
Phantasie, wir können uns auch hier auf die Erfahrung berufen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1538" next="#ID_1539"> Die Engländer haben sich, wie schon erwähnt, für ihre indischen Besitzungen<lb/>
eine Straf-Kolonie auf den Andamanen und Nicobaren im indischen Ozean<lb/>
eingerichtet. Die Lage ist mit großem Geschick gewählt, auch deshalb, weil<lb/>
die Transportkosten der Deportirten sich dadurch besonders niedrig stellen.<lb/>
Auf den Inseln sind etwa 10 000 Verbrecher, Männer und Weiber, delirirt, alle<lb/>
bis auf einen geringen Bruchtheil zu lebenslänglicher Gefangenschaft verurtheilt,<lb/>
meistens wegen Mord. Eine der Inseln enthält die Residenz des Gouverneurs,<lb/>
den Hafen für die Schiffe, die Magazine, die Besatzung, eine Anzahl nicht zu<lb/>
Lebenszeit verurtheilter männlicher Gefangener und das Weibergefängniß. Die<lb/>
übrigen männlichen Gefangenen sind in größeren oder geringeren Trupps auf<lb/>
den einzelnen Inseln untergebracht. Auf den größeren derselben ist ein<lb/>
snxsrinwriÄsnr stationirt mit einer kleinen Anzahl Militär, einigen Auf¬<lb/>
sehern ;c.; ihre Behausung ist entweder eine kleine Festung auf der Insel der<lb/>
Deportirten selbst oder auf einer in der Nähe derselben liegenden kleineren<lb/>
Insel. Die Gefangenen sind in Abtheilungen getheilt, deren Anführer selbst<lb/>
Gefangene sind; die letzteren leiten namentlich die Arbeiten. Sie wohnen<lb/>
abtheilungsweise in selbsterbauten Hütten; die Beamten beschränken sich darauf,<lb/>
die Arbeiten zu bestimmen und von Zeit zu Zeit zu revidiren, im übrigen sind<lb/>
die Gefangenen sich selbst überlassen. Die Autorität der Beamten wird dadurch<lb/>
aufrecht erhalten, daß es streng untersagt ist, ans den mit Gefangenen besetzten<lb/>
Inseln irgend welche Nahrungsmittel zu bauen; alles was die Gefangenen in<lb/>
dieser Beziehung nöthig haben, vorzugsweise Reis, wird von Ostindien ein-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0509] kolonie zu verbüßen, und darf dann nie in sein Vaterland zurückkehren" ? Wenn wir nun einen Theil der Deportirten müßten zurückkehren lassen, würden wir nicht dieselbe Erfahrung machen, wie die Engländer, daß gerade diese die ge¬ fährlichsten, raffinirtesten Verbrecher sind? Man könnte ferner einwenden, daß man die Strafkolonie so kostspielig nicht einzurichten brauche. Fabri selbst spricht sich darüber nicht aus, man kann aber oft genug der Meinung begegnen, daß zur Errichtung einer Straf¬ kolonie ja eine einsame Insel mitten im Ozean gewählt werden könne; dort solle man die Verbrecher gewissermaßen aussetzen, mit dem nöthigsten Geräth, Handwerkzeug u. s. w. versehen und sie dann sich selbst überlassen, höchstens ein Kriegsschiff dort stationiren, um zu verhindern, daß sie auf Flößen oder selbstverfertigten Kähnen entfliehen. Dies würde freilich billiger sein, aber wenn man die Kosten des Transportes und der ersten Ausrüstung des Kriegs¬ schiffs rechnet, immer noch ebenso theuer zu stehen kommen, wie der Strafvollzug in Moabit. Wie sich aber eine solche Strafkolonie in Wirklichkeit gestalten wird, kann der Sachkundige sich leicht ausmalen. Es bedarf jedoch nicht der Phantasie, wir können uns auch hier auf die Erfahrung berufen. Die Engländer haben sich, wie schon erwähnt, für ihre indischen Besitzungen eine Straf-Kolonie auf den Andamanen und Nicobaren im indischen Ozean eingerichtet. Die Lage ist mit großem Geschick gewählt, auch deshalb, weil die Transportkosten der Deportirten sich dadurch besonders niedrig stellen. Auf den Inseln sind etwa 10 000 Verbrecher, Männer und Weiber, delirirt, alle bis auf einen geringen Bruchtheil zu lebenslänglicher Gefangenschaft verurtheilt, meistens wegen Mord. Eine der Inseln enthält die Residenz des Gouverneurs, den Hafen für die Schiffe, die Magazine, die Besatzung, eine Anzahl nicht zu Lebenszeit verurtheilter männlicher Gefangener und das Weibergefängniß. Die übrigen männlichen Gefangenen sind in größeren oder geringeren Trupps auf den einzelnen Inseln untergebracht. Auf den größeren derselben ist ein snxsrinwriÄsnr stationirt mit einer kleinen Anzahl Militär, einigen Auf¬ sehern ;c.; ihre Behausung ist entweder eine kleine Festung auf der Insel der Deportirten selbst oder auf einer in der Nähe derselben liegenden kleineren Insel. Die Gefangenen sind in Abtheilungen getheilt, deren Anführer selbst Gefangene sind; die letzteren leiten namentlich die Arbeiten. Sie wohnen abtheilungsweise in selbsterbauten Hütten; die Beamten beschränken sich darauf, die Arbeiten zu bestimmen und von Zeit zu Zeit zu revidiren, im übrigen sind die Gefangenen sich selbst überlassen. Die Autorität der Beamten wird dadurch aufrecht erhalten, daß es streng untersagt ist, ans den mit Gefangenen besetzten Inseln irgend welche Nahrungsmittel zu bauen; alles was die Gefangenen in dieser Beziehung nöthig haben, vorzugsweise Reis, wird von Ostindien ein-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/509
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/509>, abgerufen am 28.12.2024.