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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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jizirt sich selbst in seinen Gerathen und Werkzeugen nach dem Grundsatze, "daß
aus Jeglichem immer nur das, was in ihm liegt, heraustreten kaun".

Das zweite Kapitel führt uns an die eigentliche Schwelle der Untersuchung.
Die Mitte einnehmend zwischen den Zielen der Forschung: den geologischen
Anfängen und der teleologischen Zukunft, ist der Mensch der feste Punkt, von
dem aus das Denken nach rückwärts und nach vorwärts die Grenzen des
Wissens erweitert und zu dem es aus den Verirrungen subjektiver Ausdeutung
solcher Gebiete, welche jeder Forschung unzugänglich sind, zu erneuter Gesun¬
dung zurückkehrt.

Das dritte Kapitel macht uns mit den ersten Werkzeugen bekannt. Die
Hand liefert in allen denkbaren Weisen ihrer Stellung und Bewegung die
organischen Urformen, denen der Mensch unbewußt seine ersten nothwendigen
Geräthe nachgeformt hat. In ihrer Gliederung als Handfläche, Daumen und
Gefinger ist die offene, hohle, fingerspreizende, drehende, fastende und geballte
Hand für sich allein, oder zugleich mit gestrecktem oder gebogenem ganzen
Unterarm, die gemeinsame Mutter des nach ihr benannten Handwerkzenges.
Nur unter der unmittelbaren Beihilfe des ersten Handwerkzeuges wurden die
übrigen Werkzeuge und überhaupt alle Geräthe möglich. Unter Benutzung der
in der unmittelbaren Umgebung nächst "zur Hand" befindlichen Gegenstände,
erscheinen die ersten Werkzeuge als eine Verlängerung, Verstärkung und Ver¬
schärfung leiblicher Organe. Ist demnach der Vorderarm mit zur Faust ge¬
ballter Hand oder mit deren Verstärkung durch einen faßbaren Stein der
natürliche Hammer, so ist der Stein mit einem Holzstiel dessen einfachste künst¬
liche Nachbildung. Denn der Stiel oder die Handhabe ist die Verlängerung
des Armes, der Stein der Ersatz der Faust. Wie aber das Stumpfe in der
Faust vorgebildet ist, so die Schneide der Werkzeuge in den Nägeln der Finger
und den Schneidezähnen. Der Hammer mit einer Schneide geht in die Umge¬
staltung von Beil und Axt ein; der gesteifte Zeigefinger mit seiner Nagel¬
schärfe wird in technischer Nachbildung zum Bohrer; die einfache Zahnreihe
findet sich wieder an Feile und Säge, während die greifende Hand und das
Doppelgebiß in dem Kopf der Beißzange und in den Backen des Schraubstockes
zum Ausdruck gelangt. Hammer, Beil, Messer, Meißel, Bohrer, Säge, Zange
sind primitive Werkzeuge, gewissermaßen die Werk-Werkzeuge, die urersten Be¬
gründer der staatlichen Gesellschaft und ihrer Kultur.

So quillt ein Reichthum .von Schöpfungen des Kunsttriebes ans Hand,
Arm und Gebiß. Der gekrümmte Finger wird zum Haken, die hohle Hand
wird zur Schale; im Schwert, im Speer, im Ruder, in der Schaufel, im
Rechen, im Pflug, im Dreizack hat man die mancherlei Richtungen des Armes,


jizirt sich selbst in seinen Gerathen und Werkzeugen nach dem Grundsatze, „daß
aus Jeglichem immer nur das, was in ihm liegt, heraustreten kaun".

Das zweite Kapitel führt uns an die eigentliche Schwelle der Untersuchung.
Die Mitte einnehmend zwischen den Zielen der Forschung: den geologischen
Anfängen und der teleologischen Zukunft, ist der Mensch der feste Punkt, von
dem aus das Denken nach rückwärts und nach vorwärts die Grenzen des
Wissens erweitert und zu dem es aus den Verirrungen subjektiver Ausdeutung
solcher Gebiete, welche jeder Forschung unzugänglich sind, zu erneuter Gesun¬
dung zurückkehrt.

Das dritte Kapitel macht uns mit den ersten Werkzeugen bekannt. Die
Hand liefert in allen denkbaren Weisen ihrer Stellung und Bewegung die
organischen Urformen, denen der Mensch unbewußt seine ersten nothwendigen
Geräthe nachgeformt hat. In ihrer Gliederung als Handfläche, Daumen und
Gefinger ist die offene, hohle, fingerspreizende, drehende, fastende und geballte
Hand für sich allein, oder zugleich mit gestrecktem oder gebogenem ganzen
Unterarm, die gemeinsame Mutter des nach ihr benannten Handwerkzenges.
Nur unter der unmittelbaren Beihilfe des ersten Handwerkzeuges wurden die
übrigen Werkzeuge und überhaupt alle Geräthe möglich. Unter Benutzung der
in der unmittelbaren Umgebung nächst „zur Hand" befindlichen Gegenstände,
erscheinen die ersten Werkzeuge als eine Verlängerung, Verstärkung und Ver¬
schärfung leiblicher Organe. Ist demnach der Vorderarm mit zur Faust ge¬
ballter Hand oder mit deren Verstärkung durch einen faßbaren Stein der
natürliche Hammer, so ist der Stein mit einem Holzstiel dessen einfachste künst¬
liche Nachbildung. Denn der Stiel oder die Handhabe ist die Verlängerung
des Armes, der Stein der Ersatz der Faust. Wie aber das Stumpfe in der
Faust vorgebildet ist, so die Schneide der Werkzeuge in den Nägeln der Finger
und den Schneidezähnen. Der Hammer mit einer Schneide geht in die Umge¬
staltung von Beil und Axt ein; der gesteifte Zeigefinger mit seiner Nagel¬
schärfe wird in technischer Nachbildung zum Bohrer; die einfache Zahnreihe
findet sich wieder an Feile und Säge, während die greifende Hand und das
Doppelgebiß in dem Kopf der Beißzange und in den Backen des Schraubstockes
zum Ausdruck gelangt. Hammer, Beil, Messer, Meißel, Bohrer, Säge, Zange
sind primitive Werkzeuge, gewissermaßen die Werk-Werkzeuge, die urersten Be¬
gründer der staatlichen Gesellschaft und ihrer Kultur.

So quillt ein Reichthum .von Schöpfungen des Kunsttriebes ans Hand,
Arm und Gebiß. Der gekrümmte Finger wird zum Haken, die hohle Hand
wird zur Schale; im Schwert, im Speer, im Ruder, in der Schaufel, im
Rechen, im Pflug, im Dreizack hat man die mancherlei Richtungen des Armes,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/50>, abgerufen am 19.10.2024.