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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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Holland innerhalb der Jahre 1869--77 um 0,907 Proz.
Großbritannien " " 1861--71 " 0,96
Belgien " " 1866--76 " 1,05
Schweden " " 1870-76 " 1,05
Dänemark " " 1870--78 " 1,08

zunahm. Bei dieser Aufstellung wurde von Staaten wie Lichtenstein, Andorra,
S. Marino abgesehen, weil sie zu klein sind; von Rußland aber, der Türkei,
Montenegro und Serbien mußte Abstand genommen werden, weil Zahlen zu
Vergleichszwecken entweder gar nicht zu Gebote stehen, oder die vorhandenen
nur auf unzuverlässigen Schätzungen beruhen.

Zieht man nun den Durchschnitt aus der jährlichen Vermehrung der
obigen 15 Staaten, so ergibt sich ein jährlicher Durchschnittssatz von 0,79 Proz.
Italien würde also gerade die durchschnittliche Vermehrung Europa's besitzen,
während Deutschland mit seinen 0,83 Proz. den Durchschnitt ein wenig über¬
ragt, von sechs Staaten dagegen übertroffen wird.

Zunächst dürfen wir uns also dem beruhigenden Gedanken hingeben, daß
die Bevölkerungs-Vermehrung des deutschen Reiches eine unverhältnißmäßig
große nicht genannt werden kann. Was diejenigen Staaten betrifft, die unter
dem Durchschnitt stehen, so gehören dazu die meisten romanischen, das abge¬
blühte Portugal, das Jahrzehnte lang von Parteikämpfen zerrissene Spanien und
das in seinen inneren Verhältnissen wenig gefestigte Rumänien, das ebenso
wie Griechenland noch die Nachwehen der türkischen Herrschaft zu tragen hat.
Der Schweiz und Norwegen setzen die Bodenverhältnisse einen mächtigen Wider¬
stand entgegen; in dem von der Natur so gut bedachten Frankreich bleibt die
schwache Zunahme immerhin auffallend, ebenso auffallend der Umstand, daß
Schweden und Dänemark den stärksten Zuwachs der Bevölkerung aufweisen.

Die Einwohnerzahl von ganz Europa schätzt nun Kolb auf 312,800000
Seelen, von denen auf die von uns zum Vergleich herangezogenen Staaten
227,037000 kommen würden. Setzen wir nun voraus, daß auch für die fol¬
genden Jahre der durchschnittliche Zuwachs 0,79 Proz. betragen wird -- was
jedenfalls nicht zu hochgegriffen ist -- so würden alljährlich 1,783610 Menschen
mehr zu verzeichnen sein, eine Anzahl, mit der jedes Jahr ein Staat von der
Größe Schweden's, Portugal's, Griechenland's oder Serbien's bevölkert werden
könnte. Nehmen wir aber an, daß die Prozentsätze der nicht mit besprochenen
Staaten den Durchschnittssatz auf 0,70 Proz. Herabdrücken, so würde ganz
Europa jährlich ein Mehr von etwa 2,189 600 Menschen aufweisen, was etwa
der Bevölkerung eines Landes wie Dänemark gleichkäme.

In welcher Zeit nun, fragen wir weiter, wird sich die Bevölkerung jener
l5 Staaten verdoppelt haben? Mit Festhaltung der jährlichen Zunahme von


Holland innerhalb der Jahre 1869—77 um 0,907 Proz.
Großbritannien „ „ 1861—71 „ 0,96
Belgien „ „ 1866—76 „ 1,05
Schweden „ „ 1870-76 „ 1,05
Dänemark „ „ 1870—78 „ 1,08

zunahm. Bei dieser Aufstellung wurde von Staaten wie Lichtenstein, Andorra,
S. Marino abgesehen, weil sie zu klein sind; von Rußland aber, der Türkei,
Montenegro und Serbien mußte Abstand genommen werden, weil Zahlen zu
Vergleichszwecken entweder gar nicht zu Gebote stehen, oder die vorhandenen
nur auf unzuverlässigen Schätzungen beruhen.

Zieht man nun den Durchschnitt aus der jährlichen Vermehrung der
obigen 15 Staaten, so ergibt sich ein jährlicher Durchschnittssatz von 0,79 Proz.
Italien würde also gerade die durchschnittliche Vermehrung Europa's besitzen,
während Deutschland mit seinen 0,83 Proz. den Durchschnitt ein wenig über¬
ragt, von sechs Staaten dagegen übertroffen wird.

Zunächst dürfen wir uns also dem beruhigenden Gedanken hingeben, daß
die Bevölkerungs-Vermehrung des deutschen Reiches eine unverhältnißmäßig
große nicht genannt werden kann. Was diejenigen Staaten betrifft, die unter
dem Durchschnitt stehen, so gehören dazu die meisten romanischen, das abge¬
blühte Portugal, das Jahrzehnte lang von Parteikämpfen zerrissene Spanien und
das in seinen inneren Verhältnissen wenig gefestigte Rumänien, das ebenso
wie Griechenland noch die Nachwehen der türkischen Herrschaft zu tragen hat.
Der Schweiz und Norwegen setzen die Bodenverhältnisse einen mächtigen Wider¬
stand entgegen; in dem von der Natur so gut bedachten Frankreich bleibt die
schwache Zunahme immerhin auffallend, ebenso auffallend der Umstand, daß
Schweden und Dänemark den stärksten Zuwachs der Bevölkerung aufweisen.

Die Einwohnerzahl von ganz Europa schätzt nun Kolb auf 312,800000
Seelen, von denen auf die von uns zum Vergleich herangezogenen Staaten
227,037000 kommen würden. Setzen wir nun voraus, daß auch für die fol¬
genden Jahre der durchschnittliche Zuwachs 0,79 Proz. betragen wird — was
jedenfalls nicht zu hochgegriffen ist — so würden alljährlich 1,783610 Menschen
mehr zu verzeichnen sein, eine Anzahl, mit der jedes Jahr ein Staat von der
Größe Schweden's, Portugal's, Griechenland's oder Serbien's bevölkert werden
könnte. Nehmen wir aber an, daß die Prozentsätze der nicht mit besprochenen
Staaten den Durchschnittssatz auf 0,70 Proz. Herabdrücken, so würde ganz
Europa jährlich ein Mehr von etwa 2,189 600 Menschen aufweisen, was etwa
der Bevölkerung eines Landes wie Dänemark gleichkäme.

In welcher Zeit nun, fragen wir weiter, wird sich die Bevölkerung jener
l5 Staaten verdoppelt haben? Mit Festhaltung der jährlichen Zunahme von


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[0404] Holland innerhalb der Jahre 1869—77 um 0,907 Proz. Großbritannien „ „ 1861—71 „ 0,96 Belgien „ „ 1866—76 „ 1,05 Schweden „ „ 1870-76 „ 1,05 Dänemark „ „ 1870—78 „ 1,08 zunahm. Bei dieser Aufstellung wurde von Staaten wie Lichtenstein, Andorra, S. Marino abgesehen, weil sie zu klein sind; von Rußland aber, der Türkei, Montenegro und Serbien mußte Abstand genommen werden, weil Zahlen zu Vergleichszwecken entweder gar nicht zu Gebote stehen, oder die vorhandenen nur auf unzuverlässigen Schätzungen beruhen. Zieht man nun den Durchschnitt aus der jährlichen Vermehrung der obigen 15 Staaten, so ergibt sich ein jährlicher Durchschnittssatz von 0,79 Proz. Italien würde also gerade die durchschnittliche Vermehrung Europa's besitzen, während Deutschland mit seinen 0,83 Proz. den Durchschnitt ein wenig über¬ ragt, von sechs Staaten dagegen übertroffen wird. Zunächst dürfen wir uns also dem beruhigenden Gedanken hingeben, daß die Bevölkerungs-Vermehrung des deutschen Reiches eine unverhältnißmäßig große nicht genannt werden kann. Was diejenigen Staaten betrifft, die unter dem Durchschnitt stehen, so gehören dazu die meisten romanischen, das abge¬ blühte Portugal, das Jahrzehnte lang von Parteikämpfen zerrissene Spanien und das in seinen inneren Verhältnissen wenig gefestigte Rumänien, das ebenso wie Griechenland noch die Nachwehen der türkischen Herrschaft zu tragen hat. Der Schweiz und Norwegen setzen die Bodenverhältnisse einen mächtigen Wider¬ stand entgegen; in dem von der Natur so gut bedachten Frankreich bleibt die schwache Zunahme immerhin auffallend, ebenso auffallend der Umstand, daß Schweden und Dänemark den stärksten Zuwachs der Bevölkerung aufweisen. Die Einwohnerzahl von ganz Europa schätzt nun Kolb auf 312,800000 Seelen, von denen auf die von uns zum Vergleich herangezogenen Staaten 227,037000 kommen würden. Setzen wir nun voraus, daß auch für die fol¬ genden Jahre der durchschnittliche Zuwachs 0,79 Proz. betragen wird — was jedenfalls nicht zu hochgegriffen ist — so würden alljährlich 1,783610 Menschen mehr zu verzeichnen sein, eine Anzahl, mit der jedes Jahr ein Staat von der Größe Schweden's, Portugal's, Griechenland's oder Serbien's bevölkert werden könnte. Nehmen wir aber an, daß die Prozentsätze der nicht mit besprochenen Staaten den Durchschnittssatz auf 0,70 Proz. Herabdrücken, so würde ganz Europa jährlich ein Mehr von etwa 2,189 600 Menschen aufweisen, was etwa der Bevölkerung eines Landes wie Dänemark gleichkäme. In welcher Zeit nun, fragen wir weiter, wird sich die Bevölkerung jener l5 Staaten verdoppelt haben? Mit Festhaltung der jährlichen Zunahme von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/404>, abgerufen am 27.09.2024.