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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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Süß zu einer Reise in's Ausland ein Aulehen von 40000 Gulden holen.
Dafür, daß Jener nicht heimlich entwischte, war gesorgt.

Der Herzog wollte verreisen, angeblich um die Reichsfestungen Kehl und
Philippsburg zu inspiziren und dann einen Arzt in Danzig zu besuchen, der
ihm von einem Fußübel helfen sollte; in Wahrheit aber, um nicht zugegen zu
sein und unschuldig zu erscheinen, wenn der mittlerweile zur Reife gediehene
Plau des Umsturzes der Verfassung und der Einführung des katholischen
Glaubens in einem Staatsstreiche explodirte.

Die Landschaft hatte endlich den Muth gefunden, gegen die Süß'schen
Finanzverordnungen und die zahlreichen anderen Verletzungen der Landesfrei¬
heiten der letzten Jahre zu Protestiren. Der Herzog war über den Ton, in
dem dies geschehen, außer sich gerathen. Die Jesuiten, Süß und Remchingen
benutzten diese Stimmung, um ihn zur Entscheidung zu treiben. Sie spiegelten
ihm sogar vor, man trachte ihm nach dem Leben, redeten ihm von allerlei
Zettelungen und Verschwörungen unter den Landständen und erreichten so
ihren Zweck bei ihm. Die Mittel waren bereit: Süß hatte Geld geschafft,
Remchingen beim Militär gethan, was möglich war. Zunächst wurde in der
Schloßkirche zu Ludwigsburg der katholische Gottesdienst eingeführt, und die
Kosten wurden zur Hälfte aus dem evangelischen Kirchenvermögen bestritten.
Bei den Truppen begannen Feldpatres die Messe zu lesen. Dann antwortete
der Herzog den Ständen auf Grund eines Rechtsgutachtens, das ihm der
Geheimrath Fichtel, ein Vertreter der Würzburger Jesuiten, verfaßt, und welches
den Gedanken ausführte, die Landstände hätten bei Veräußerung von Landes¬
gebiet allerdings entscheidende, sonst aber nur berathende Stimmen, in einem
Reskript vom 11. Februar 1737: "daß bei den zwischen Herr und Landschaft
errichteten alten Verträgen wohl zu beachten, in was für Zeiten solche gemacht
worden, und daß mit dem, was vor Jahren gut gewesen, bei jetzigen Zeiten
nimmer hinauszulangen." Dem landschaftlichen Ausschüsse sollte nach Süß'-
sehen Vorschlag ein herzoglicher Geheimrath beigegeben werden, damit er die
Opposition beobachten und man die Böswilligen auf die Festung setzen könne.
Das Land sollte in zwölf militärische Obervogteien getheilt werden, die Ober¬
vögte sollten Offiziere sein, jeder derselben sollte ein Regiment Soldaten zu
seiner Verfügung haben, das Land sollte also bis auf weiteres eine rein mili¬
tärische Verwaltung bekommen.

So geheim die Umsturzpartei diese Pläne auch hielt, so drangen doch
Gerüchte in's Volk. Die Stuttgarter Zünfte bewaffneten sich im Stillen "zur
Erhaltung des evangelischen Glaubens", denn man hatte Wind davon bekommen,
daß von Würzburg her fremde Truppen im Anmärsche seien, um das Land
katholisiren zu helfen. Es waren die Soldaten des Fürstbischofs v. Schönborn.


Süß zu einer Reise in's Ausland ein Aulehen von 40000 Gulden holen.
Dafür, daß Jener nicht heimlich entwischte, war gesorgt.

Der Herzog wollte verreisen, angeblich um die Reichsfestungen Kehl und
Philippsburg zu inspiziren und dann einen Arzt in Danzig zu besuchen, der
ihm von einem Fußübel helfen sollte; in Wahrheit aber, um nicht zugegen zu
sein und unschuldig zu erscheinen, wenn der mittlerweile zur Reife gediehene
Plau des Umsturzes der Verfassung und der Einführung des katholischen
Glaubens in einem Staatsstreiche explodirte.

Die Landschaft hatte endlich den Muth gefunden, gegen die Süß'schen
Finanzverordnungen und die zahlreichen anderen Verletzungen der Landesfrei¬
heiten der letzten Jahre zu Protestiren. Der Herzog war über den Ton, in
dem dies geschehen, außer sich gerathen. Die Jesuiten, Süß und Remchingen
benutzten diese Stimmung, um ihn zur Entscheidung zu treiben. Sie spiegelten
ihm sogar vor, man trachte ihm nach dem Leben, redeten ihm von allerlei
Zettelungen und Verschwörungen unter den Landständen und erreichten so
ihren Zweck bei ihm. Die Mittel waren bereit: Süß hatte Geld geschafft,
Remchingen beim Militär gethan, was möglich war. Zunächst wurde in der
Schloßkirche zu Ludwigsburg der katholische Gottesdienst eingeführt, und die
Kosten wurden zur Hälfte aus dem evangelischen Kirchenvermögen bestritten.
Bei den Truppen begannen Feldpatres die Messe zu lesen. Dann antwortete
der Herzog den Ständen auf Grund eines Rechtsgutachtens, das ihm der
Geheimrath Fichtel, ein Vertreter der Würzburger Jesuiten, verfaßt, und welches
den Gedanken ausführte, die Landstände hätten bei Veräußerung von Landes¬
gebiet allerdings entscheidende, sonst aber nur berathende Stimmen, in einem
Reskript vom 11. Februar 1737: „daß bei den zwischen Herr und Landschaft
errichteten alten Verträgen wohl zu beachten, in was für Zeiten solche gemacht
worden, und daß mit dem, was vor Jahren gut gewesen, bei jetzigen Zeiten
nimmer hinauszulangen." Dem landschaftlichen Ausschüsse sollte nach Süß'-
sehen Vorschlag ein herzoglicher Geheimrath beigegeben werden, damit er die
Opposition beobachten und man die Böswilligen auf die Festung setzen könne.
Das Land sollte in zwölf militärische Obervogteien getheilt werden, die Ober¬
vögte sollten Offiziere sein, jeder derselben sollte ein Regiment Soldaten zu
seiner Verfügung haben, das Land sollte also bis auf weiteres eine rein mili¬
tärische Verwaltung bekommen.

So geheim die Umsturzpartei diese Pläne auch hielt, so drangen doch
Gerüchte in's Volk. Die Stuttgarter Zünfte bewaffneten sich im Stillen „zur
Erhaltung des evangelischen Glaubens", denn man hatte Wind davon bekommen,
daß von Würzburg her fremde Truppen im Anmärsche seien, um das Land
katholisiren zu helfen. Es waren die Soldaten des Fürstbischofs v. Schönborn.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/400>, abgerufen am 27.09.2024.