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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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schaft und in der Ueberzeugung, daß die, welche sich für Freunde Rußland's
ausgegeben hätten, in ihren Beziehungen zu Rußland sich von allzu eigen¬
nützigen Beweggründen leiten ließen. "Nun ist," so schließt der selbstverständ¬
lich wieder aus dem russischen Auswärtigen Amte kommende Artikel, "der Zeit-
Punkt da, wo wir auf eigenen Füßen stehen müssen, ohne weiter auf Bündnisse
zu bauen, die sich im kritischen Augenblicke als nutzlos erweisen, während sie
zur selben Zeit auf den natürlichen Gang unserer äußeren und inneren Politik
störend einwirken."

Die russische "Se. Petersburger Zeitung" hat von unseren Bemerkungen,
die sie als "Auffassung der Politik des Fürsten Gortschakoff Seitens der deut¬
schen Regierung" anzusehen scheint, gleichfalls Notiz genommen. Auch sie bringt
dieselben in Verbindung mit der Reise Schnwaloff's. Sie meint dann, die
russischen Zeitungen müßten sich bei Beurtheilung der Beziehungen zwischen
Deutschland und Rußland auf einen nationalen Standpunkt stellen (einver¬
standen) und nicht Kosmopoliten sein, wie man in Berlin gern möchte.
(Das verlangt niemand, wohl aber darf man beanspruchen, daß der national¬
russische Standpunkt sich auf gleichem Niveau mit dem Völkerrechte und dem
Weltfrieden, nicht aber über demselben befinde.) "Eine nationale Auffassung
der gegenseitigen Interessen bedingt noch nichts Feindseliges, sondern führt nur
näher zum Ziel und hebt jede Frage auf den richtigen Standpunkt." (Sehr
wahr, mit der eben angeführten Einschränkung.) "In den letzten Jahren, die
letzten Monate nicht ausgenommen, ist keine russische offizielle oder staatliche
Erklärung erlassen worden, welche eine Feindseligkeit gegen Deutschland bedingt
Hütte." (Das haben wir nicht behauptet, und das würde bei der allbekannten
Gesinnung des Kaisers Alexander auch gar uicht möglich gewesen sein, wohl
aber haben wir auf die Angriffe gegen Deutschland von Seiten der nach
unserer wohlbegründeten Meinung von der Kanzlei des Fürsten Gortschakoff
inspirirter russischen Presse hingewiesen und daraus Schlüsse ziehen zu dürfen
geglaubt.) Zum Schlüsse hält die Zeitung die Fabel, daß Rußland im Mai
1875 Deutschland vom Kriege mit Frankreich zurückgehalten habe, aufrecht und
knüpft daran die Verdächtigung, Fürst Bismarck und der "Kriegspartei" sei es
wünschenswert!), an der Spitze des russischen Auswärtigen Amtes statt des
Fürsten Gortschakoff eine andere Persönlichkeit zu sehen -- Behauptungen, in
Betreff deren wir getrost den Lesern überlassen können zu beurtheilen, wer die
Wahrheit gesprochen hat, Fürst Bismarck in seinen Aeußerungen gegen Blowitz
oder der russische Journalist, der für Gortschakoff platirt.

Die deutsche "Se. Petersburger Zeitung" endlich bringt -- unbegreiflicher
Weise in derselben Nummer vom 20. März, in der sie den eben analysirten Artikel
ihrer russischen Kollegin wiedergibt -- eine Berliner Korrespondenz, die mit


schaft und in der Ueberzeugung, daß die, welche sich für Freunde Rußland's
ausgegeben hätten, in ihren Beziehungen zu Rußland sich von allzu eigen¬
nützigen Beweggründen leiten ließen. „Nun ist," so schließt der selbstverständ¬
lich wieder aus dem russischen Auswärtigen Amte kommende Artikel, „der Zeit-
Punkt da, wo wir auf eigenen Füßen stehen müssen, ohne weiter auf Bündnisse
zu bauen, die sich im kritischen Augenblicke als nutzlos erweisen, während sie
zur selben Zeit auf den natürlichen Gang unserer äußeren und inneren Politik
störend einwirken."

Die russische „Se. Petersburger Zeitung" hat von unseren Bemerkungen,
die sie als „Auffassung der Politik des Fürsten Gortschakoff Seitens der deut¬
schen Regierung" anzusehen scheint, gleichfalls Notiz genommen. Auch sie bringt
dieselben in Verbindung mit der Reise Schnwaloff's. Sie meint dann, die
russischen Zeitungen müßten sich bei Beurtheilung der Beziehungen zwischen
Deutschland und Rußland auf einen nationalen Standpunkt stellen (einver¬
standen) und nicht Kosmopoliten sein, wie man in Berlin gern möchte.
(Das verlangt niemand, wohl aber darf man beanspruchen, daß der national¬
russische Standpunkt sich auf gleichem Niveau mit dem Völkerrechte und dem
Weltfrieden, nicht aber über demselben befinde.) „Eine nationale Auffassung
der gegenseitigen Interessen bedingt noch nichts Feindseliges, sondern führt nur
näher zum Ziel und hebt jede Frage auf den richtigen Standpunkt." (Sehr
wahr, mit der eben angeführten Einschränkung.) „In den letzten Jahren, die
letzten Monate nicht ausgenommen, ist keine russische offizielle oder staatliche
Erklärung erlassen worden, welche eine Feindseligkeit gegen Deutschland bedingt
Hütte." (Das haben wir nicht behauptet, und das würde bei der allbekannten
Gesinnung des Kaisers Alexander auch gar uicht möglich gewesen sein, wohl
aber haben wir auf die Angriffe gegen Deutschland von Seiten der nach
unserer wohlbegründeten Meinung von der Kanzlei des Fürsten Gortschakoff
inspirirter russischen Presse hingewiesen und daraus Schlüsse ziehen zu dürfen
geglaubt.) Zum Schlüsse hält die Zeitung die Fabel, daß Rußland im Mai
1875 Deutschland vom Kriege mit Frankreich zurückgehalten habe, aufrecht und
knüpft daran die Verdächtigung, Fürst Bismarck und der „Kriegspartei" sei es
wünschenswert!), an der Spitze des russischen Auswärtigen Amtes statt des
Fürsten Gortschakoff eine andere Persönlichkeit zu sehen — Behauptungen, in
Betreff deren wir getrost den Lesern überlassen können zu beurtheilen, wer die
Wahrheit gesprochen hat, Fürst Bismarck in seinen Aeußerungen gegen Blowitz
oder der russische Journalist, der für Gortschakoff platirt.

Die deutsche „Se. Petersburger Zeitung" endlich bringt — unbegreiflicher
Weise in derselben Nummer vom 20. März, in der sie den eben analysirten Artikel
ihrer russischen Kollegin wiedergibt — eine Berliner Korrespondenz, die mit


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[0039] schaft und in der Ueberzeugung, daß die, welche sich für Freunde Rußland's ausgegeben hätten, in ihren Beziehungen zu Rußland sich von allzu eigen¬ nützigen Beweggründen leiten ließen. „Nun ist," so schließt der selbstverständ¬ lich wieder aus dem russischen Auswärtigen Amte kommende Artikel, „der Zeit- Punkt da, wo wir auf eigenen Füßen stehen müssen, ohne weiter auf Bündnisse zu bauen, die sich im kritischen Augenblicke als nutzlos erweisen, während sie zur selben Zeit auf den natürlichen Gang unserer äußeren und inneren Politik störend einwirken." Die russische „Se. Petersburger Zeitung" hat von unseren Bemerkungen, die sie als „Auffassung der Politik des Fürsten Gortschakoff Seitens der deut¬ schen Regierung" anzusehen scheint, gleichfalls Notiz genommen. Auch sie bringt dieselben in Verbindung mit der Reise Schnwaloff's. Sie meint dann, die russischen Zeitungen müßten sich bei Beurtheilung der Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland auf einen nationalen Standpunkt stellen (einver¬ standen) und nicht Kosmopoliten sein, wie man in Berlin gern möchte. (Das verlangt niemand, wohl aber darf man beanspruchen, daß der national¬ russische Standpunkt sich auf gleichem Niveau mit dem Völkerrechte und dem Weltfrieden, nicht aber über demselben befinde.) „Eine nationale Auffassung der gegenseitigen Interessen bedingt noch nichts Feindseliges, sondern führt nur näher zum Ziel und hebt jede Frage auf den richtigen Standpunkt." (Sehr wahr, mit der eben angeführten Einschränkung.) „In den letzten Jahren, die letzten Monate nicht ausgenommen, ist keine russische offizielle oder staatliche Erklärung erlassen worden, welche eine Feindseligkeit gegen Deutschland bedingt Hütte." (Das haben wir nicht behauptet, und das würde bei der allbekannten Gesinnung des Kaisers Alexander auch gar uicht möglich gewesen sein, wohl aber haben wir auf die Angriffe gegen Deutschland von Seiten der nach unserer wohlbegründeten Meinung von der Kanzlei des Fürsten Gortschakoff inspirirter russischen Presse hingewiesen und daraus Schlüsse ziehen zu dürfen geglaubt.) Zum Schlüsse hält die Zeitung die Fabel, daß Rußland im Mai 1875 Deutschland vom Kriege mit Frankreich zurückgehalten habe, aufrecht und knüpft daran die Verdächtigung, Fürst Bismarck und der „Kriegspartei" sei es wünschenswert!), an der Spitze des russischen Auswärtigen Amtes statt des Fürsten Gortschakoff eine andere Persönlichkeit zu sehen — Behauptungen, in Betreff deren wir getrost den Lesern überlassen können zu beurtheilen, wer die Wahrheit gesprochen hat, Fürst Bismarck in seinen Aeußerungen gegen Blowitz oder der russische Journalist, der für Gortschakoff platirt. Die deutsche „Se. Petersburger Zeitung" endlich bringt — unbegreiflicher Weise in derselben Nummer vom 20. März, in der sie den eben analysirten Artikel ihrer russischen Kollegin wiedergibt — eine Berliner Korrespondenz, die mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/39>, abgerufen am 27.09.2024.