Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.Staate schädliche Eigenschaften sind, so muß jedes, auch das ehrlichste, Bestreben, Da man die praktische Seite der Jnvalidenversorgungs-Frage so lange offen Der durch Wiegand ausgestreute gute Same trug aber doch seine Früchte. *) Während des Druckes vorliegender Zeilen ist eine Fortsetzung dieser Schrift erschienen.
Staate schädliche Eigenschaften sind, so muß jedes, auch das ehrlichste, Bestreben, Da man die praktische Seite der Jnvalidenversorgungs-Frage so lange offen Der durch Wiegand ausgestreute gute Same trug aber doch seine Früchte. *) Während des Druckes vorliegender Zeilen ist eine Fortsetzung dieser Schrift erschienen.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0317" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142272"/> <p xml:id="ID_937" prev="#ID_936"> Staate schädliche Eigenschaften sind, so muß jedes, auch das ehrlichste, Bestreben,<lb/> die Lage der Arbeiter zu verbessern, vereitelt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_938"> Da man die praktische Seite der Jnvalidenversorgungs-Frage so lange offen<lb/> halten mußte, bis aus richtigen und besseren Beobachtungen die Wahrscheinlichkei¬<lb/> ten des Jnvalidwerdens abgeleitet werden konnten, so warf man sich auf theore¬<lb/> tische Untersuchungen der wichtigen Frage. Man muß gestehen, daß hierbei<lb/> manches Interessante gefunden wurde, und daß man in scharfsinniger Weise<lb/> verfuhr. Allein es ging dieser Theorie hierbei ebenso, wie man es häufig<lb/> bei Behandlung naturwissenschaftlicher Fragen bemerkt hat. Die Theorie eilte<lb/> der Praxis weit voraus. Es war auf lange Zeit hin unmöglich, die von der<lb/> allzu sehr verfeinerten Theorie geforderten Beobachtungen anzustellen. Unter<lb/> solchen Umständen muß man es als ein großes Verdienst Dr. Wiegand's in<lb/> Halle hinstellen, daß er die Eisenbahndirektionen in Deutschland zu bewegen<lb/> suchte, das sehr beträchtliche in ihren Beamtenpensionskassen angehäufte Material<lb/> zur Verfügung zu stellen, um daraus die Wahrscheinlichkeit des Jnvalidwerdens<lb/> und die Sterblichkeit der Invaliden, die hier ebenfalls eine wichtige Rolle spielt,<lb/> zu ermitteln. Die Bitten Wiegand's fanden freilich anfangs bei den Direktio¬<lb/> nen der Eisenbahnen eine überaus kühle Aufnahme. Man antwortete entweder<lb/> gar nicht oder schützte Mangel an Arbeitskräften vor, um aus den sehr um¬<lb/> fänglichen Artender Pensionskassen die gewünschten Auszüge machen zu lassen. In¬<lb/> dessen muß man rühmend anerkennen, daß einige Direktionen doch die Wichtig¬<lb/> keit der Sache erkannten, andere widerstrebende mit sich fortzögen und so ein<lb/> nicht ganz unansehnliches Material dem Dr. Wiegand zur Verfügung stellten,<lb/> woraus dieser nun Ermittelungen über die Jnvaliditäts-Wahrscheinlichkeiten an¬<lb/> stellte und veröffentlichte. Das war ein großer Schritt vorwärts. Leider störte<lb/> der allzu frühzeitige Tod Wiegand's das begonnene Werk.</p><lb/> <p xml:id="ID_939"> Der durch Wiegand ausgestreute gute Same trug aber doch seine Früchte.<lb/> Die Direktionen der Eisenbahnen erkannten je länger je mehr die große Wich¬<lb/> tigkeit der Sache auch für ihr eigenes Finanzwesen, und so beschloß der deutsche<lb/> Eisenbahnverein, die Beobachtungen alljährlich dem Geheimen Finanzsekretär Behm<lb/> in Berlin, der schon früher mit Wiegand gemeinsam gearbeitet hatte, zuzustellen<lb/> und von demselben bearbeiten zu lassen. Die Resultate dieser Rechnungen ver¬<lb/> öffentlichte Behm 1876 in einer besonderen Schrift: „Statistik der Mortalitäts-,<lb/> Jnvaliditäts- und Morbilitäts-Verhältnisse bei dem Beamtenpersonal der deut¬<lb/> schen Eisenbahnverwaltungen" (Berlin, Puttkammer und Mühlbrecht).Das<lb/> Verdienst, das Behm sich hierin erworben, kann man nicht hoch genug anschlagen<lb/> und rühmen.</p><lb/> <note xml:id="FID_33" place="foot"> *) Während des Druckes vorliegender Zeilen ist eine Fortsetzung dieser Schrift erschienen.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0317]
Staate schädliche Eigenschaften sind, so muß jedes, auch das ehrlichste, Bestreben,
die Lage der Arbeiter zu verbessern, vereitelt werden.
Da man die praktische Seite der Jnvalidenversorgungs-Frage so lange offen
halten mußte, bis aus richtigen und besseren Beobachtungen die Wahrscheinlichkei¬
ten des Jnvalidwerdens abgeleitet werden konnten, so warf man sich auf theore¬
tische Untersuchungen der wichtigen Frage. Man muß gestehen, daß hierbei
manches Interessante gefunden wurde, und daß man in scharfsinniger Weise
verfuhr. Allein es ging dieser Theorie hierbei ebenso, wie man es häufig
bei Behandlung naturwissenschaftlicher Fragen bemerkt hat. Die Theorie eilte
der Praxis weit voraus. Es war auf lange Zeit hin unmöglich, die von der
allzu sehr verfeinerten Theorie geforderten Beobachtungen anzustellen. Unter
solchen Umständen muß man es als ein großes Verdienst Dr. Wiegand's in
Halle hinstellen, daß er die Eisenbahndirektionen in Deutschland zu bewegen
suchte, das sehr beträchtliche in ihren Beamtenpensionskassen angehäufte Material
zur Verfügung zu stellen, um daraus die Wahrscheinlichkeit des Jnvalidwerdens
und die Sterblichkeit der Invaliden, die hier ebenfalls eine wichtige Rolle spielt,
zu ermitteln. Die Bitten Wiegand's fanden freilich anfangs bei den Direktio¬
nen der Eisenbahnen eine überaus kühle Aufnahme. Man antwortete entweder
gar nicht oder schützte Mangel an Arbeitskräften vor, um aus den sehr um¬
fänglichen Artender Pensionskassen die gewünschten Auszüge machen zu lassen. In¬
dessen muß man rühmend anerkennen, daß einige Direktionen doch die Wichtig¬
keit der Sache erkannten, andere widerstrebende mit sich fortzögen und so ein
nicht ganz unansehnliches Material dem Dr. Wiegand zur Verfügung stellten,
woraus dieser nun Ermittelungen über die Jnvaliditäts-Wahrscheinlichkeiten an¬
stellte und veröffentlichte. Das war ein großer Schritt vorwärts. Leider störte
der allzu frühzeitige Tod Wiegand's das begonnene Werk.
Der durch Wiegand ausgestreute gute Same trug aber doch seine Früchte.
Die Direktionen der Eisenbahnen erkannten je länger je mehr die große Wich¬
tigkeit der Sache auch für ihr eigenes Finanzwesen, und so beschloß der deutsche
Eisenbahnverein, die Beobachtungen alljährlich dem Geheimen Finanzsekretär Behm
in Berlin, der schon früher mit Wiegand gemeinsam gearbeitet hatte, zuzustellen
und von demselben bearbeiten zu lassen. Die Resultate dieser Rechnungen ver¬
öffentlichte Behm 1876 in einer besonderen Schrift: „Statistik der Mortalitäts-,
Jnvaliditäts- und Morbilitäts-Verhältnisse bei dem Beamtenpersonal der deut¬
schen Eisenbahnverwaltungen" (Berlin, Puttkammer und Mühlbrecht).Das
Verdienst, das Behm sich hierin erworben, kann man nicht hoch genug anschlagen
und rühmen.
*) Während des Druckes vorliegender Zeilen ist eine Fortsetzung dieser Schrift erschienen.
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