Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Theriaken, Latwergen, Pillen und Elixiren von Markt zu Markt zogen und
vorzüglich den kleinen Mann um sein Geld und seine Gesundheit betrogen.
Ein solcher Doktor Eisenbart oder Wurmbrand ist gewöhnlich ein gravitä¬
tischer Herr mit einer stattlichen Wolkenperücke und einer großen Hornbrille,
die den grundgelehrten Mann verkündete. Er trägt einen scharlachrothen, oder
zeisiggrünen Rock mit Goldtressen, einen Dreispitz und einen Galanterie-Degen.
Aus den Aermeln schauen ihm Spitzenmanchetten, aus der langschößigen
Weste drängt sich ein anspruchsvoller Busenstreif hervor. Die Finger zieren
Ringe mit blitzenden Steinen, die unecht sein können wie seine Medikamente.
An den Schuhen blinken dicke silberne Schnallen. Er kündigt sich als der
weltberühmte Medikus und Chirurgus Puffnuzius Bombastus oder Schnauzius
Rapuntius von Neapolis, mehrerer Fakultäten Doktor, als weitgereister, auch
in den geheimen Wissenschaften erfahrener Mann in Reden an, die zuweilen
mit lateinischen und griechischen Floskeln gespickt sind, und sieht mit unver-
holener Geringschätzung auf die niederen Branchen des Geschäftes, die kleinen
Theriakkrämer, herab, denn er kann sich einen oder mehrere Bediente halten
und zieht wohl gar in eigenem Fuhrwerk zu Markte.

Ein anderer Unterschied freilich besteht zwischen ihm und den weniger
anspruchsvoll auftretenden Kollegen von der Kunstgenossenschaft der Quacksalber
in der Regel nicht. Er ist gewöhnlich derselbe Gauner, nur schneidet er im
höheren Stile auf, und während jene ihre Waare auf einem einfachen Tische
oder in einer unscheinbaren Bude ausbreiten und mit ein paar Taschenspieler-
stückchen oder dem einen und dem andern wenig Geschick und Kenntniß er¬
fordernden chemischen Experiment die Menge anlocken und fesseln, perorirt er
von einer prunkhaft ausstaffirteu Bühne zu den Massen oder führt, um die
Augen der Leute auf seine Leistungen und seinen Handel zu lenken, förmliche
Komödien, in denen seine Diener, mitunter auch seine Frau oder sonst ein
Kompagnon mit ihm auftreten, als Vorspiel der Anpreisung seiner eigentlichen
Künste auf. Bilder mit Wunderkuren, die seine Panaceen verrichtet haben sollen,
mit ungeheuerlichen Operationen, die seine angeblich stets glückliche Hand voll¬
zogen, Gläser mit Schlangen, Skorpionen, Bandwürmern oder Mißgeburten in
Spiritus müssen ihm wirthschaften helfen. Häufig läßt er sich durch Trommel¬
schlag in den Gassen oder durch Trompetenschall von seinem Gerüst herab der
staunenden Welt der Markt- und Meßleute als der große, Alles heilende,
kaiserlich, königlich, kurfürstlich, desgleichen päpstlich privilegirte Magus an¬
kündigen.

Viele von diesen Industrierittern sind Italiener, die das Deutsche nur
radebrechen, aber sich auf bezeichnende Geberden verstehen und das, was in
ihrer Rede undeutlich ist, durch einzelne pomphafte und eindrucksvoll dahin-


Theriaken, Latwergen, Pillen und Elixiren von Markt zu Markt zogen und
vorzüglich den kleinen Mann um sein Geld und seine Gesundheit betrogen.
Ein solcher Doktor Eisenbart oder Wurmbrand ist gewöhnlich ein gravitä¬
tischer Herr mit einer stattlichen Wolkenperücke und einer großen Hornbrille,
die den grundgelehrten Mann verkündete. Er trägt einen scharlachrothen, oder
zeisiggrünen Rock mit Goldtressen, einen Dreispitz und einen Galanterie-Degen.
Aus den Aermeln schauen ihm Spitzenmanchetten, aus der langschößigen
Weste drängt sich ein anspruchsvoller Busenstreif hervor. Die Finger zieren
Ringe mit blitzenden Steinen, die unecht sein können wie seine Medikamente.
An den Schuhen blinken dicke silberne Schnallen. Er kündigt sich als der
weltberühmte Medikus und Chirurgus Puffnuzius Bombastus oder Schnauzius
Rapuntius von Neapolis, mehrerer Fakultäten Doktor, als weitgereister, auch
in den geheimen Wissenschaften erfahrener Mann in Reden an, die zuweilen
mit lateinischen und griechischen Floskeln gespickt sind, und sieht mit unver-
holener Geringschätzung auf die niederen Branchen des Geschäftes, die kleinen
Theriakkrämer, herab, denn er kann sich einen oder mehrere Bediente halten
und zieht wohl gar in eigenem Fuhrwerk zu Markte.

Ein anderer Unterschied freilich besteht zwischen ihm und den weniger
anspruchsvoll auftretenden Kollegen von der Kunstgenossenschaft der Quacksalber
in der Regel nicht. Er ist gewöhnlich derselbe Gauner, nur schneidet er im
höheren Stile auf, und während jene ihre Waare auf einem einfachen Tische
oder in einer unscheinbaren Bude ausbreiten und mit ein paar Taschenspieler-
stückchen oder dem einen und dem andern wenig Geschick und Kenntniß er¬
fordernden chemischen Experiment die Menge anlocken und fesseln, perorirt er
von einer prunkhaft ausstaffirteu Bühne zu den Massen oder führt, um die
Augen der Leute auf seine Leistungen und seinen Handel zu lenken, förmliche
Komödien, in denen seine Diener, mitunter auch seine Frau oder sonst ein
Kompagnon mit ihm auftreten, als Vorspiel der Anpreisung seiner eigentlichen
Künste auf. Bilder mit Wunderkuren, die seine Panaceen verrichtet haben sollen,
mit ungeheuerlichen Operationen, die seine angeblich stets glückliche Hand voll¬
zogen, Gläser mit Schlangen, Skorpionen, Bandwürmern oder Mißgeburten in
Spiritus müssen ihm wirthschaften helfen. Häufig läßt er sich durch Trommel¬
schlag in den Gassen oder durch Trompetenschall von seinem Gerüst herab der
staunenden Welt der Markt- und Meßleute als der große, Alles heilende,
kaiserlich, königlich, kurfürstlich, desgleichen päpstlich privilegirte Magus an¬
kündigen.

Viele von diesen Industrierittern sind Italiener, die das Deutsche nur
radebrechen, aber sich auf bezeichnende Geberden verstehen und das, was in
ihrer Rede undeutlich ist, durch einzelne pomphafte und eindrucksvoll dahin-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0280" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142235"/>
          <p xml:id="ID_803" prev="#ID_802"> Theriaken, Latwergen, Pillen und Elixiren von Markt zu Markt zogen und<lb/>
vorzüglich den kleinen Mann um sein Geld und seine Gesundheit betrogen.<lb/>
Ein solcher Doktor Eisenbart oder Wurmbrand ist gewöhnlich ein gravitä¬<lb/>
tischer Herr mit einer stattlichen Wolkenperücke und einer großen Hornbrille,<lb/>
die den grundgelehrten Mann verkündete. Er trägt einen scharlachrothen, oder<lb/>
zeisiggrünen Rock mit Goldtressen, einen Dreispitz und einen Galanterie-Degen.<lb/>
Aus den Aermeln schauen ihm Spitzenmanchetten, aus der langschößigen<lb/>
Weste drängt sich ein anspruchsvoller Busenstreif hervor. Die Finger zieren<lb/>
Ringe mit blitzenden Steinen, die unecht sein können wie seine Medikamente.<lb/>
An den Schuhen blinken dicke silberne Schnallen. Er kündigt sich als der<lb/>
weltberühmte Medikus und Chirurgus Puffnuzius Bombastus oder Schnauzius<lb/>
Rapuntius von Neapolis, mehrerer Fakultäten Doktor, als weitgereister, auch<lb/>
in den geheimen Wissenschaften erfahrener Mann in Reden an, die zuweilen<lb/>
mit lateinischen und griechischen Floskeln gespickt sind, und sieht mit unver-<lb/>
holener Geringschätzung auf die niederen Branchen des Geschäftes, die kleinen<lb/>
Theriakkrämer, herab, denn er kann sich einen oder mehrere Bediente halten<lb/>
und zieht wohl gar in eigenem Fuhrwerk zu Markte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_804"> Ein anderer Unterschied freilich besteht zwischen ihm und den weniger<lb/>
anspruchsvoll auftretenden Kollegen von der Kunstgenossenschaft der Quacksalber<lb/>
in der Regel nicht. Er ist gewöhnlich derselbe Gauner, nur schneidet er im<lb/>
höheren Stile auf, und während jene ihre Waare auf einem einfachen Tische<lb/>
oder in einer unscheinbaren Bude ausbreiten und mit ein paar Taschenspieler-<lb/>
stückchen oder dem einen und dem andern wenig Geschick und Kenntniß er¬<lb/>
fordernden chemischen Experiment die Menge anlocken und fesseln, perorirt er<lb/>
von einer prunkhaft ausstaffirteu Bühne zu den Massen oder führt, um die<lb/>
Augen der Leute auf seine Leistungen und seinen Handel zu lenken, förmliche<lb/>
Komödien, in denen seine Diener, mitunter auch seine Frau oder sonst ein<lb/>
Kompagnon mit ihm auftreten, als Vorspiel der Anpreisung seiner eigentlichen<lb/>
Künste auf. Bilder mit Wunderkuren, die seine Panaceen verrichtet haben sollen,<lb/>
mit ungeheuerlichen Operationen, die seine angeblich stets glückliche Hand voll¬<lb/>
zogen, Gläser mit Schlangen, Skorpionen, Bandwürmern oder Mißgeburten in<lb/>
Spiritus müssen ihm wirthschaften helfen. Häufig läßt er sich durch Trommel¬<lb/>
schlag in den Gassen oder durch Trompetenschall von seinem Gerüst herab der<lb/>
staunenden Welt der Markt- und Meßleute als der große, Alles heilende,<lb/>
kaiserlich, königlich, kurfürstlich, desgleichen päpstlich privilegirte Magus an¬<lb/>
kündigen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_805" next="#ID_806"> Viele von diesen Industrierittern sind Italiener, die das Deutsche nur<lb/>
radebrechen, aber sich auf bezeichnende Geberden verstehen und das, was in<lb/>
ihrer Rede undeutlich ist, durch einzelne pomphafte und eindrucksvoll dahin-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0280] Theriaken, Latwergen, Pillen und Elixiren von Markt zu Markt zogen und vorzüglich den kleinen Mann um sein Geld und seine Gesundheit betrogen. Ein solcher Doktor Eisenbart oder Wurmbrand ist gewöhnlich ein gravitä¬ tischer Herr mit einer stattlichen Wolkenperücke und einer großen Hornbrille, die den grundgelehrten Mann verkündete. Er trägt einen scharlachrothen, oder zeisiggrünen Rock mit Goldtressen, einen Dreispitz und einen Galanterie-Degen. Aus den Aermeln schauen ihm Spitzenmanchetten, aus der langschößigen Weste drängt sich ein anspruchsvoller Busenstreif hervor. Die Finger zieren Ringe mit blitzenden Steinen, die unecht sein können wie seine Medikamente. An den Schuhen blinken dicke silberne Schnallen. Er kündigt sich als der weltberühmte Medikus und Chirurgus Puffnuzius Bombastus oder Schnauzius Rapuntius von Neapolis, mehrerer Fakultäten Doktor, als weitgereister, auch in den geheimen Wissenschaften erfahrener Mann in Reden an, die zuweilen mit lateinischen und griechischen Floskeln gespickt sind, und sieht mit unver- holener Geringschätzung auf die niederen Branchen des Geschäftes, die kleinen Theriakkrämer, herab, denn er kann sich einen oder mehrere Bediente halten und zieht wohl gar in eigenem Fuhrwerk zu Markte. Ein anderer Unterschied freilich besteht zwischen ihm und den weniger anspruchsvoll auftretenden Kollegen von der Kunstgenossenschaft der Quacksalber in der Regel nicht. Er ist gewöhnlich derselbe Gauner, nur schneidet er im höheren Stile auf, und während jene ihre Waare auf einem einfachen Tische oder in einer unscheinbaren Bude ausbreiten und mit ein paar Taschenspieler- stückchen oder dem einen und dem andern wenig Geschick und Kenntniß er¬ fordernden chemischen Experiment die Menge anlocken und fesseln, perorirt er von einer prunkhaft ausstaffirteu Bühne zu den Massen oder führt, um die Augen der Leute auf seine Leistungen und seinen Handel zu lenken, förmliche Komödien, in denen seine Diener, mitunter auch seine Frau oder sonst ein Kompagnon mit ihm auftreten, als Vorspiel der Anpreisung seiner eigentlichen Künste auf. Bilder mit Wunderkuren, die seine Panaceen verrichtet haben sollen, mit ungeheuerlichen Operationen, die seine angeblich stets glückliche Hand voll¬ zogen, Gläser mit Schlangen, Skorpionen, Bandwürmern oder Mißgeburten in Spiritus müssen ihm wirthschaften helfen. Häufig läßt er sich durch Trommel¬ schlag in den Gassen oder durch Trompetenschall von seinem Gerüst herab der staunenden Welt der Markt- und Meßleute als der große, Alles heilende, kaiserlich, königlich, kurfürstlich, desgleichen päpstlich privilegirte Magus an¬ kündigen. Viele von diesen Industrierittern sind Italiener, die das Deutsche nur radebrechen, aber sich auf bezeichnende Geberden verstehen und das, was in ihrer Rede undeutlich ist, durch einzelne pomphafte und eindrucksvoll dahin-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/280
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/280>, abgerufen am 20.10.2024.