Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.zwey oder drei wechtergeld". Nun wurde das Wächtergeld in Leipzig alle Viertel¬ So viel wird aus dem Vorstehenden klar werden, daß, wenn der Leipziger zwey oder drei wechtergeld". Nun wurde das Wächtergeld in Leipzig alle Viertel¬ So viel wird aus dem Vorstehenden klar werden, daß, wenn der Leipziger <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0253" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142208"/> <p xml:id="ID_696" prev="#ID_695"> zwey oder drei wechtergeld". Nun wurde das Wächtergeld in Leipzig alle Viertel¬<lb/> jahre eingetrieben und war eine so geringfügige Steuer, daß nur der Aermste<lb/> damit in Rückstand bleiben konnte. Der genannte Säumige wird also schwer¬<lb/> lich der Besitzer einer Presse, wahrscheinlich wird er ein armer Druckergesell<lb/> gewesen sein. Als solcher aber muß er doch im Jahre 1479 in Leipzig in<lb/> Arbeit gestanden haben. Eine müßige Frage ist es, wem die Druckerei gehört<lb/> haben mag, in welcher dieser treffliche „lang Nickel", der als Retter der Jahres¬<lb/> zahl 1479 aufgetaucht ist, arbeitete. Doch läßt sich auch auf diese Frage viel¬<lb/> leicht noch eine Antwort geben. Die drei frühesten Leipziger Drucker, die sich<lb/> auf ihren Preßerzeugnissen in den achtziger Jahren des 15. Jahrhunderts mit<lb/> Namen nennen, sind Marcus Brandis und Moritz Brandis, wahrscheinlich ein<lb/> Brüderpaar, und außerdem Kunz Kachelofen. Der erste ist seit 1484, der<lb/> letzte seit 1485, Moritz Brandis seit 1488 mit Drucken nachweisbar. Von<lb/> den beiden Brandis ist wenig bekannt; sie scheinen einer nicht sehr seßhaften,<lb/> damals auch noch anderwärts vorkommenden Druckerfamilie angehört zu haben;<lb/> Moritz Brandis ging 1490 wegen Schulden von Leipzig weg und wandte sich<lb/> nach Magdeburg. Eine größere Bedeutung hat Kachelofen. Er war ein wohl¬<lb/> habender und angesehener Mann in Leipzig und der erste Drucker, der hier<lb/> eine dauernde und bemerkenswerthe Thätigkeit entfaltete. Aus seinen Pressen<lb/> sind Drucke hervorgegangen - wie das Missale für das Bisthum Meißen<lb/> vom Jahre 1495 —, die an einfacher Schönheit, Solidität und Akkuratesse<lb/> mit den besten süddeutschen Drucken jener Zeit den Vergleich aushalten. Noch<lb/> 1528 erscheint er als Senior an der Spitze der Leipziger Buchdrucker. ^Das<lb/> Bürgerrecht von Leipzig aber hatte Kachelofen erhalten bereits im Jahre<lb/> ^- 1476! Sollte es da so fern liegen, ihn für den ersten Leipziger Drucker<lb/> M halten? Allerdings stammt, wie schon erwähnt, der erste datirte Druck von<lb/> ihm erst aus dem Jahre 1485. Aber könnte das nicht Zufall sein? Ist es glaub¬<lb/> lich, daß Kachelofen 1476 auf ein anderes Gewerbe hin das Leipziger Bürger¬<lb/> recht erworben habe und erst später zur Druckerei übergegangen sei?</p><lb/> <p xml:id="ID_697" next="#ID_698"> So viel wird aus dem Vorstehenden klar werden, daß, wenn der Leipziger<lb/> Buchdruck im Verein mit den übrigen graphischen Künsten sich in diesem Augen¬<lb/> blicke rüstet, in der glanzvollen Schaustellung, die er dem Publikum zu bieten<lb/> gedenkt, zugleich in der Stille ein Fest zu begehen, das ihm selber gilt, acht<lb/> eigentlich von einer Jubelfeier der Einführung des Buchdruckes in Leipzig die<lb/> Rede sein kann sondern streng genommen nur von der des frühesten Zeug¬<lb/> nisses seiner Existenz in Leipzig. Aber gleichviel. Mag auch die Feier in<lb/> Wem ersten Sinne eine imaginäre sein: wie manches Fest ist schon geräusch¬<lb/> voller und weniger ideell gefeiert worden, dessen Beglaubigung eine nicht minder<lb/> legendäre war! Das Bedürfniß, bedeutungsvolle geschichtliche Ereignisse und Vor-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0253]
zwey oder drei wechtergeld". Nun wurde das Wächtergeld in Leipzig alle Viertel¬
jahre eingetrieben und war eine so geringfügige Steuer, daß nur der Aermste
damit in Rückstand bleiben konnte. Der genannte Säumige wird also schwer¬
lich der Besitzer einer Presse, wahrscheinlich wird er ein armer Druckergesell
gewesen sein. Als solcher aber muß er doch im Jahre 1479 in Leipzig in
Arbeit gestanden haben. Eine müßige Frage ist es, wem die Druckerei gehört
haben mag, in welcher dieser treffliche „lang Nickel", der als Retter der Jahres¬
zahl 1479 aufgetaucht ist, arbeitete. Doch läßt sich auch auf diese Frage viel¬
leicht noch eine Antwort geben. Die drei frühesten Leipziger Drucker, die sich
auf ihren Preßerzeugnissen in den achtziger Jahren des 15. Jahrhunderts mit
Namen nennen, sind Marcus Brandis und Moritz Brandis, wahrscheinlich ein
Brüderpaar, und außerdem Kunz Kachelofen. Der erste ist seit 1484, der
letzte seit 1485, Moritz Brandis seit 1488 mit Drucken nachweisbar. Von
den beiden Brandis ist wenig bekannt; sie scheinen einer nicht sehr seßhaften,
damals auch noch anderwärts vorkommenden Druckerfamilie angehört zu haben;
Moritz Brandis ging 1490 wegen Schulden von Leipzig weg und wandte sich
nach Magdeburg. Eine größere Bedeutung hat Kachelofen. Er war ein wohl¬
habender und angesehener Mann in Leipzig und der erste Drucker, der hier
eine dauernde und bemerkenswerthe Thätigkeit entfaltete. Aus seinen Pressen
sind Drucke hervorgegangen - wie das Missale für das Bisthum Meißen
vom Jahre 1495 —, die an einfacher Schönheit, Solidität und Akkuratesse
mit den besten süddeutschen Drucken jener Zeit den Vergleich aushalten. Noch
1528 erscheint er als Senior an der Spitze der Leipziger Buchdrucker. ^Das
Bürgerrecht von Leipzig aber hatte Kachelofen erhalten bereits im Jahre
^- 1476! Sollte es da so fern liegen, ihn für den ersten Leipziger Drucker
M halten? Allerdings stammt, wie schon erwähnt, der erste datirte Druck von
ihm erst aus dem Jahre 1485. Aber könnte das nicht Zufall sein? Ist es glaub¬
lich, daß Kachelofen 1476 auf ein anderes Gewerbe hin das Leipziger Bürger¬
recht erworben habe und erst später zur Druckerei übergegangen sei?
So viel wird aus dem Vorstehenden klar werden, daß, wenn der Leipziger
Buchdruck im Verein mit den übrigen graphischen Künsten sich in diesem Augen¬
blicke rüstet, in der glanzvollen Schaustellung, die er dem Publikum zu bieten
gedenkt, zugleich in der Stille ein Fest zu begehen, das ihm selber gilt, acht
eigentlich von einer Jubelfeier der Einführung des Buchdruckes in Leipzig die
Rede sein kann sondern streng genommen nur von der des frühesten Zeug¬
nisses seiner Existenz in Leipzig. Aber gleichviel. Mag auch die Feier in
Wem ersten Sinne eine imaginäre sein: wie manches Fest ist schon geräusch¬
voller und weniger ideell gefeiert worden, dessen Beglaubigung eine nicht minder
legendäre war! Das Bedürfniß, bedeutungsvolle geschichtliche Ereignisse und Vor-
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