Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.Und nun noch Eins. Montenegro verlangte schon während der napoleoni¬ Grcnzlwtm I. 1879. 8
Und nun noch Eins. Montenegro verlangte schon während der napoleoni¬ Grcnzlwtm I. 1879. 8
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0065" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141476"/> <p xml:id="ID_182" next="#ID_183"> Und nun noch Eins. Montenegro verlangte schon während der napoleoni¬<lb/> schen Herrschaft nach der Stadt und den Bocche von Cattaro. Es hatte sich<lb/> dabei des Wohlwollens Rußland's zu erfreuen. Jetzt wäre ihm unter gewissen<lb/> Umständen von anderer Seite Unterstützung sicher. „Die italienische Propa¬<lb/> ganda, nicht gesättigt durch den ungeheuren Gewinn an Gebiet, den ihr wieder¬<lb/> holt erlittene schwere Niederlagen zu Lande und zu Wasser eingetragen haben,<lb/> wäre gegen Ueberlassung Jstrien's und des obern Dalmatien jeder Zeit bereit,<lb/> den südlichen Theil an Montenegro zu verschenken, mit dem sie seit längerer<lb/> Zeit auffallend liebäugelt." „Die guten Bocchesen betrachten die Fürstin wie<lb/> ihre Monarchin," berichtete unter Anderem die Florentiner „Nazivne" 1876,<lb/> als sie den Empfang der Gemahlin des Fürsten der Czernagorci in der Villa<lb/> Bianca bei Cattaro schilderte. Das ist nun allerdings unwahr, dagegen ist<lb/> nicht zu bezweifeln, daß der Fürstin Milena erlauchter Herr Gemahl sehr gern<lb/> die Bocchesen als seine Unterthanen betrachten würde, und es hat seine schwer¬<lb/> wiegende Bedeutung, daß dieser Gedanke, wenn wir die italienischen Zeitungen<lb/> darauf ansehen, auch von deu vergleichsweise gemäßigten Politikern in den<lb/> Landen des Königs Humbert nicht von der Hand gewiesen wird. Kaum würde<lb/> es den Italienern gelingen, sich in Jstrien und Nvrddalmatien lange zu be¬<lb/> haupten; denn mit Ausnahme eines Brnchtheils in den Seestädten gehört die<lb/> dortige Bevölkerung der slavischen Race an, der übrigens aus dem stammver¬<lb/> wandten Hinterkante fortwährend Nachschub zukommen würde. Das aber<lb/> steht fest, daß den Oesterreichern und Ungarn, wenn sie sich nicht des Letzteren,<lb/> also Bosnien's und der Herzegowina, versichert hätten, auch Dalmatien mit der<lb/> Zeit verloren gehen würde, was einer schweren Schädigung der Interessen des<lb/> Gesammtstaates gleichkommen würde. „Nicht blos, daß der buchten- und<lb/> hafenreiche Küstenstrich ohne den Besitz seines Hinterlandes für uns nichts als<lb/> eine zitternde Frende fein würde," sagt unsere Schrift S. 172; „auch Kroatien<lb/> und Slavonien erhalten mit diesem Besitz ihren natürlichen territorialen Ab¬<lb/> schluß, wie ja schon die Benennung des nordwestlichen Bosnien als ,Tür!isch<lb/> Kroatien^ auf die geschichtliche und ethnographische Zugehörigkeit dieses Land¬<lb/> strichs zu unserm dreieinigen Königreich hinweist. Lasse man nicht außer Nu¬<lb/> schlag, daß unsere Staatsgrenze durch den Erwerb des höhnisch - herzegowini-<lb/> schen Landstrichs die Hypotenuse gewinnt, wo sie bisher mit den beiden unge¬<lb/> schlossenen Katheten des fast rechtwinkeligen Dreiecks zu thun hatte. Erwögt<lb/> man weiter, daß die neuen Gebiete trotz der Verwahrlosung, in der sie das<lb/> türkische Regiment gehalten, trotz der Unkultur ihrer Bewohner, alle Elemente<lb/> mitbringen, aus denen sich im Anschluß an die angrenzenden altösterreichischen<lb/> Länder ein homogenes, in sich abgeschlossenes, eine Fülle physischer und mora¬<lb/> lischer Kräfte bergendes Ganze schaffen läßt, so kann wohl niemand bezweifeln,</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grcnzlwtm I. 1879. 8</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0065]
Und nun noch Eins. Montenegro verlangte schon während der napoleoni¬
schen Herrschaft nach der Stadt und den Bocche von Cattaro. Es hatte sich
dabei des Wohlwollens Rußland's zu erfreuen. Jetzt wäre ihm unter gewissen
Umständen von anderer Seite Unterstützung sicher. „Die italienische Propa¬
ganda, nicht gesättigt durch den ungeheuren Gewinn an Gebiet, den ihr wieder¬
holt erlittene schwere Niederlagen zu Lande und zu Wasser eingetragen haben,
wäre gegen Ueberlassung Jstrien's und des obern Dalmatien jeder Zeit bereit,
den südlichen Theil an Montenegro zu verschenken, mit dem sie seit längerer
Zeit auffallend liebäugelt." „Die guten Bocchesen betrachten die Fürstin wie
ihre Monarchin," berichtete unter Anderem die Florentiner „Nazivne" 1876,
als sie den Empfang der Gemahlin des Fürsten der Czernagorci in der Villa
Bianca bei Cattaro schilderte. Das ist nun allerdings unwahr, dagegen ist
nicht zu bezweifeln, daß der Fürstin Milena erlauchter Herr Gemahl sehr gern
die Bocchesen als seine Unterthanen betrachten würde, und es hat seine schwer¬
wiegende Bedeutung, daß dieser Gedanke, wenn wir die italienischen Zeitungen
darauf ansehen, auch von deu vergleichsweise gemäßigten Politikern in den
Landen des Königs Humbert nicht von der Hand gewiesen wird. Kaum würde
es den Italienern gelingen, sich in Jstrien und Nvrddalmatien lange zu be¬
haupten; denn mit Ausnahme eines Brnchtheils in den Seestädten gehört die
dortige Bevölkerung der slavischen Race an, der übrigens aus dem stammver¬
wandten Hinterkante fortwährend Nachschub zukommen würde. Das aber
steht fest, daß den Oesterreichern und Ungarn, wenn sie sich nicht des Letzteren,
also Bosnien's und der Herzegowina, versichert hätten, auch Dalmatien mit der
Zeit verloren gehen würde, was einer schweren Schädigung der Interessen des
Gesammtstaates gleichkommen würde. „Nicht blos, daß der buchten- und
hafenreiche Küstenstrich ohne den Besitz seines Hinterlandes für uns nichts als
eine zitternde Frende fein würde," sagt unsere Schrift S. 172; „auch Kroatien
und Slavonien erhalten mit diesem Besitz ihren natürlichen territorialen Ab¬
schluß, wie ja schon die Benennung des nordwestlichen Bosnien als ,Tür!isch
Kroatien^ auf die geschichtliche und ethnographische Zugehörigkeit dieses Land¬
strichs zu unserm dreieinigen Königreich hinweist. Lasse man nicht außer Nu¬
schlag, daß unsere Staatsgrenze durch den Erwerb des höhnisch - herzegowini-
schen Landstrichs die Hypotenuse gewinnt, wo sie bisher mit den beiden unge¬
schlossenen Katheten des fast rechtwinkeligen Dreiecks zu thun hatte. Erwögt
man weiter, daß die neuen Gebiete trotz der Verwahrlosung, in der sie das
türkische Regiment gehalten, trotz der Unkultur ihrer Bewohner, alle Elemente
mitbringen, aus denen sich im Anschluß an die angrenzenden altösterreichischen
Länder ein homogenes, in sich abgeschlossenes, eine Fülle physischer und mora¬
lischer Kräfte bergendes Ganze schaffen läßt, so kann wohl niemand bezweifeln,
Grcnzlwtm I. 1879. 8
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