Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Spuk in der Wissenschaft trieb, und von der man annahm, daß sie den Lebens¬
prozeß unterhalte, den Garaus machte. "Durch die Annahme einer solchen
hypothetischen Aktion der Lebenskraft wird jede weitere Forschung abgeschnitten
und d:e Anwendung der Gesetze exakter Wissenschaft auf die Lehre von den
Lebenserscheinungen unmöglich gemacht. Während des Lebensprozesses geht
nur eine Umwandlung, wie der Materie, so der Kraft, niemals aber eine Er¬
schaffung der einen oder der andern vor sich."

Außer der physiologischen Anwendung seiner Entdeckung hat Mayer auch
eine auf die allgemeine Pathologie unternommen, welche in dem Aufsatze "Ueber
das Fieber" niedergelegt worden ist.

Die bereits erwähnte kosmische Konsequenz, welche Mayer aus seinem Ge¬
setze zog, ist die sehr bekannt gewordene meteorische Theorie der Sonnenwärme.
Sie findet sich ausführlich in der 1848 veröffentlichten Schrift: "Beiträge zur
Dynamik des Himmels". Mayer berechnet dort die Menge der von der Sonne
in einer gewissen Zeit verausgabten Wärme, zeigt, daß dieselbe durch einen
chemischen Prozeß, etwa durch Verbrennung einer Kohle von der Größe der
Sonne, nicht entstehen kann -- diese Wärme würde nur 5000 Jahre aus¬
reichen --, erörtert die Schwierigkeiten, welche aus der Annahme entspringen
würden, die Sonne sei ein sich abkühlender Körper -- sie würde sich in diesem
Falle innerhalb 5000 Jahre etwa um 15 000° abkühlen -- und zieht daraus
endlich den Schluß, daß nur mechanische Wirkungen das große Budget der
Sonnenwärme zu decken vermögen. In Folge dieser Nothwendigkeit nimmt er
dann an, es stürzen jährlich große Massen von Meteoren auf die Sonne, deren
Bewegung durch den Sturz in Wärme umgesetzt werde, und sucht diese Theorie
uach allen Seiten hin zu begründen. Es kann nicht geleugnet werden, daß
uns durch dieselbe in die kosmischen Erscheinungen, die wir bisher nur im
Sinne der gegenseitigen Massenanziehung kannten, auch in Bezug auf die
Wärme ein tieferer Einblick gewährt wird. Trotz diesen unschätzbaren Ver¬
diensten darf sie aber doch erst dann für völlig bewahrheitet gelten, wenn sich
das Quantum der in die Sonne fallenden Massen thatsächlich bestimmen und
die entsprechende Wärmemenge berechnen und mit der verausgabten vergleichen
läßt. Dann erst ist jede andere ErMrungsmöglichkeit ausgeschlossen und
Mayer's geniale Theorie eine Gewißheit geworden.

In den genannten "Beiträgen" befindet sich auch jene Untersuchung auf
den Einfluß der Ebbe und Fluth und der Passatwinde auf die Rotationsge-
schwindigkeit der Erde und im Anschluß daran die geistvolle Erörterung über
die Wärme und die Abkühlung des Erdkörpers, auf welche einzugehen der
Raum uns nicht gestattet.

In der Zeit von 1851--69 hat Mayer nur eine einzige Abhandlung, die


Spuk in der Wissenschaft trieb, und von der man annahm, daß sie den Lebens¬
prozeß unterhalte, den Garaus machte. „Durch die Annahme einer solchen
hypothetischen Aktion der Lebenskraft wird jede weitere Forschung abgeschnitten
und d:e Anwendung der Gesetze exakter Wissenschaft auf die Lehre von den
Lebenserscheinungen unmöglich gemacht. Während des Lebensprozesses geht
nur eine Umwandlung, wie der Materie, so der Kraft, niemals aber eine Er¬
schaffung der einen oder der andern vor sich."

Außer der physiologischen Anwendung seiner Entdeckung hat Mayer auch
eine auf die allgemeine Pathologie unternommen, welche in dem Aufsatze „Ueber
das Fieber" niedergelegt worden ist.

Die bereits erwähnte kosmische Konsequenz, welche Mayer aus seinem Ge¬
setze zog, ist die sehr bekannt gewordene meteorische Theorie der Sonnenwärme.
Sie findet sich ausführlich in der 1848 veröffentlichten Schrift: „Beiträge zur
Dynamik des Himmels". Mayer berechnet dort die Menge der von der Sonne
in einer gewissen Zeit verausgabten Wärme, zeigt, daß dieselbe durch einen
chemischen Prozeß, etwa durch Verbrennung einer Kohle von der Größe der
Sonne, nicht entstehen kann — diese Wärme würde nur 5000 Jahre aus¬
reichen —, erörtert die Schwierigkeiten, welche aus der Annahme entspringen
würden, die Sonne sei ein sich abkühlender Körper — sie würde sich in diesem
Falle innerhalb 5000 Jahre etwa um 15 000° abkühlen — und zieht daraus
endlich den Schluß, daß nur mechanische Wirkungen das große Budget der
Sonnenwärme zu decken vermögen. In Folge dieser Nothwendigkeit nimmt er
dann an, es stürzen jährlich große Massen von Meteoren auf die Sonne, deren
Bewegung durch den Sturz in Wärme umgesetzt werde, und sucht diese Theorie
uach allen Seiten hin zu begründen. Es kann nicht geleugnet werden, daß
uns durch dieselbe in die kosmischen Erscheinungen, die wir bisher nur im
Sinne der gegenseitigen Massenanziehung kannten, auch in Bezug auf die
Wärme ein tieferer Einblick gewährt wird. Trotz diesen unschätzbaren Ver¬
diensten darf sie aber doch erst dann für völlig bewahrheitet gelten, wenn sich
das Quantum der in die Sonne fallenden Massen thatsächlich bestimmen und
die entsprechende Wärmemenge berechnen und mit der verausgabten vergleichen
läßt. Dann erst ist jede andere ErMrungsmöglichkeit ausgeschlossen und
Mayer's geniale Theorie eine Gewißheit geworden.

In den genannten „Beiträgen" befindet sich auch jene Untersuchung auf
den Einfluß der Ebbe und Fluth und der Passatwinde auf die Rotationsge-
schwindigkeit der Erde und im Anschluß daran die geistvolle Erörterung über
die Wärme und die Abkühlung des Erdkörpers, auf welche einzugehen der
Raum uns nicht gestattet.

In der Zeit von 1851—69 hat Mayer nur eine einzige Abhandlung, die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0059" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141470"/>
          <p xml:id="ID_161" prev="#ID_160"> Spuk in der Wissenschaft trieb, und von der man annahm, daß sie den Lebens¬<lb/>
prozeß unterhalte, den Garaus machte. &#x201E;Durch die Annahme einer solchen<lb/>
hypothetischen Aktion der Lebenskraft wird jede weitere Forschung abgeschnitten<lb/>
und d:e Anwendung der Gesetze exakter Wissenschaft auf die Lehre von den<lb/>
Lebenserscheinungen unmöglich gemacht. Während des Lebensprozesses geht<lb/>
nur eine Umwandlung, wie der Materie, so der Kraft, niemals aber eine Er¬<lb/>
schaffung der einen oder der andern vor sich."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_162"> Außer der physiologischen Anwendung seiner Entdeckung hat Mayer auch<lb/>
eine auf die allgemeine Pathologie unternommen, welche in dem Aufsatze &#x201E;Ueber<lb/>
das Fieber" niedergelegt worden ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_163"> Die bereits erwähnte kosmische Konsequenz, welche Mayer aus seinem Ge¬<lb/>
setze zog, ist die sehr bekannt gewordene meteorische Theorie der Sonnenwärme.<lb/>
Sie findet sich ausführlich in der 1848 veröffentlichten Schrift: &#x201E;Beiträge zur<lb/>
Dynamik des Himmels". Mayer berechnet dort die Menge der von der Sonne<lb/>
in einer gewissen Zeit verausgabten Wärme, zeigt, daß dieselbe durch einen<lb/>
chemischen Prozeß, etwa durch Verbrennung einer Kohle von der Größe der<lb/>
Sonne, nicht entstehen kann &#x2014; diese Wärme würde nur 5000 Jahre aus¬<lb/>
reichen &#x2014;, erörtert die Schwierigkeiten, welche aus der Annahme entspringen<lb/>
würden, die Sonne sei ein sich abkühlender Körper &#x2014; sie würde sich in diesem<lb/>
Falle innerhalb 5000 Jahre etwa um 15 000° abkühlen &#x2014; und zieht daraus<lb/>
endlich den Schluß, daß nur mechanische Wirkungen das große Budget der<lb/>
Sonnenwärme zu decken vermögen. In Folge dieser Nothwendigkeit nimmt er<lb/>
dann an, es stürzen jährlich große Massen von Meteoren auf die Sonne, deren<lb/>
Bewegung durch den Sturz in Wärme umgesetzt werde, und sucht diese Theorie<lb/>
uach allen Seiten hin zu begründen. Es kann nicht geleugnet werden, daß<lb/>
uns durch dieselbe in die kosmischen Erscheinungen, die wir bisher nur im<lb/>
Sinne der gegenseitigen Massenanziehung kannten, auch in Bezug auf die<lb/>
Wärme ein tieferer Einblick gewährt wird. Trotz diesen unschätzbaren Ver¬<lb/>
diensten darf sie aber doch erst dann für völlig bewahrheitet gelten, wenn sich<lb/>
das Quantum der in die Sonne fallenden Massen thatsächlich bestimmen und<lb/>
die entsprechende Wärmemenge berechnen und mit der verausgabten vergleichen<lb/>
läßt. Dann erst ist jede andere ErMrungsmöglichkeit ausgeschlossen und<lb/>
Mayer's geniale Theorie eine Gewißheit geworden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_164"> In den genannten &#x201E;Beiträgen" befindet sich auch jene Untersuchung auf<lb/>
den Einfluß der Ebbe und Fluth und der Passatwinde auf die Rotationsge-<lb/>
schwindigkeit der Erde und im Anschluß daran die geistvolle Erörterung über<lb/>
die Wärme und die Abkühlung des Erdkörpers, auf welche einzugehen der<lb/>
Raum uns nicht gestattet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_165" next="#ID_166"> In der Zeit von 1851&#x2014;69 hat Mayer nur eine einzige Abhandlung, die</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0059] Spuk in der Wissenschaft trieb, und von der man annahm, daß sie den Lebens¬ prozeß unterhalte, den Garaus machte. „Durch die Annahme einer solchen hypothetischen Aktion der Lebenskraft wird jede weitere Forschung abgeschnitten und d:e Anwendung der Gesetze exakter Wissenschaft auf die Lehre von den Lebenserscheinungen unmöglich gemacht. Während des Lebensprozesses geht nur eine Umwandlung, wie der Materie, so der Kraft, niemals aber eine Er¬ schaffung der einen oder der andern vor sich." Außer der physiologischen Anwendung seiner Entdeckung hat Mayer auch eine auf die allgemeine Pathologie unternommen, welche in dem Aufsatze „Ueber das Fieber" niedergelegt worden ist. Die bereits erwähnte kosmische Konsequenz, welche Mayer aus seinem Ge¬ setze zog, ist die sehr bekannt gewordene meteorische Theorie der Sonnenwärme. Sie findet sich ausführlich in der 1848 veröffentlichten Schrift: „Beiträge zur Dynamik des Himmels". Mayer berechnet dort die Menge der von der Sonne in einer gewissen Zeit verausgabten Wärme, zeigt, daß dieselbe durch einen chemischen Prozeß, etwa durch Verbrennung einer Kohle von der Größe der Sonne, nicht entstehen kann — diese Wärme würde nur 5000 Jahre aus¬ reichen —, erörtert die Schwierigkeiten, welche aus der Annahme entspringen würden, die Sonne sei ein sich abkühlender Körper — sie würde sich in diesem Falle innerhalb 5000 Jahre etwa um 15 000° abkühlen — und zieht daraus endlich den Schluß, daß nur mechanische Wirkungen das große Budget der Sonnenwärme zu decken vermögen. In Folge dieser Nothwendigkeit nimmt er dann an, es stürzen jährlich große Massen von Meteoren auf die Sonne, deren Bewegung durch den Sturz in Wärme umgesetzt werde, und sucht diese Theorie uach allen Seiten hin zu begründen. Es kann nicht geleugnet werden, daß uns durch dieselbe in die kosmischen Erscheinungen, die wir bisher nur im Sinne der gegenseitigen Massenanziehung kannten, auch in Bezug auf die Wärme ein tieferer Einblick gewährt wird. Trotz diesen unschätzbaren Ver¬ diensten darf sie aber doch erst dann für völlig bewahrheitet gelten, wenn sich das Quantum der in die Sonne fallenden Massen thatsächlich bestimmen und die entsprechende Wärmemenge berechnen und mit der verausgabten vergleichen läßt. Dann erst ist jede andere ErMrungsmöglichkeit ausgeschlossen und Mayer's geniale Theorie eine Gewißheit geworden. In den genannten „Beiträgen" befindet sich auch jene Untersuchung auf den Einfluß der Ebbe und Fluth und der Passatwinde auf die Rotationsge- schwindigkeit der Erde und im Anschluß daran die geistvolle Erörterung über die Wärme und die Abkühlung des Erdkörpers, auf welche einzugehen der Raum uns nicht gestattet. In der Zeit von 1851—69 hat Mayer nur eine einzige Abhandlung, die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/59
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/59>, abgerufen am 05.02.2025.