Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

einen Fußboden aus Lehm, der mit Kuhmist gemischt und festgestampft ist, und
besteht aus zwei Stuben und einer eingezäunten Veranda. An Gerüthschaften
bemerkt man einige mit grellen Farben bemalte Schränke, welche die Kleider
und das sonstige bewegliche Eigenthum der Hausbewohner einschließen, einige
Töpfe und Pfannen und eine Feuerstelle mit einem Rauchfange. Tische und
Stühle fehlen. Die Zimmer werden meistentheils sauber gehalten und gehörig
ausgefegt. Aber äußerlich sehen die Häuser gewöhnlich nicht einladend aus.
Neben den meisten stehen in einer Umzäunung ein Stall und eine Stroh¬
scheune. Oft befindet sich dabei auch ein Obstgarten, selten aber Gemüsebeete,
obwohl das Land in vielen Gegenden, z. B. bei Burgas, mit seinem fetten,
schwarzen Boden sich dazu ganz wohl eignet. Diese Vernachlässigung erklärt sich
aus der Genügsamkeit, die dem Volke in Betreff der Küche innewohnt. Gutes
Weizenbrod, gesalzene Fische, etwas Oel, Schafmilch, Käse aus solcher, dann
und wann ein Lamm oder ein Zicklein, an Feiertagen ganz gebraten, bilden
die gewöhnliche Kost des Landmannes der untersten Klasse. Die um einen
Grad besser gestellten leben ungefähr ebenso, nur fügen sie noch eine Suppe
und ein vortreffliches flaches Backwerk hinzu, das den Namen Melena führt.

Auf Reinlichkeit des Körpers wird im Allgemeinen nicht viel gegeben, und
ein Mann oder eine Frau von achtzig Jahren könnte, wie Baker meint, wahr¬
scheinlich die Fälle von Abspülung des ganzen Leibes während ihrer Lebens¬
zeit an den Fingern der einen Hand herzählen, während man an einem hübschen
Anzug große Freude hat.

Die Tracht der Weiber ist sehr malerisch. Sie tragen Kleider von bunten
und gutgewähltem Farben, die immer in einem Dorfe dieselben sind, ein auch
sonst hervortretender Zug uach Ausgehen der Individualität in der Allgemein¬
heit, der beiläufig auch bei anderen Slaven zu beobachten ist. Ihr Kopfschmuck,
ihre Gürtel und Armspangen sind von Silber, dem andere Metalle beigegeben
sind. Sie sind sorgfältig gearbeitet und vererben sich als werthgehaltener
Familienbesitz von der Mutter auf die Tochter. Merkwürdig ist es, daß die
großen runden Schlösser an den Gürteln stark an die der Etrusker erinnern, die
man in Italien ausgegraben hat. Die Bulgarinnen heirathen jung und ver¬
lieren in Folge der Gewohnheit, ihre Kinder bis in's dritte und vierte Jahr
zu säugen, frühzeitig die Frische der Jugend, sodaß sie mit vierundzwanzig
Jahren schon alt und hager aussehen. Sie sind sehr häuslich und selten
zänkisch. Auch werden sie von den Männern meist gut behandelt, wie denn
unter den Bulgaren viel Familienliebe herrscht, und nicht blos Mann und Frau,
Bruder und Schwester, sondern auch entferntere Verwandte sehr aneinander
hängen.

Zeremonieen spielen unter ihnen eine wichtige Rolle, besonders bei Hoch-


einen Fußboden aus Lehm, der mit Kuhmist gemischt und festgestampft ist, und
besteht aus zwei Stuben und einer eingezäunten Veranda. An Gerüthschaften
bemerkt man einige mit grellen Farben bemalte Schränke, welche die Kleider
und das sonstige bewegliche Eigenthum der Hausbewohner einschließen, einige
Töpfe und Pfannen und eine Feuerstelle mit einem Rauchfange. Tische und
Stühle fehlen. Die Zimmer werden meistentheils sauber gehalten und gehörig
ausgefegt. Aber äußerlich sehen die Häuser gewöhnlich nicht einladend aus.
Neben den meisten stehen in einer Umzäunung ein Stall und eine Stroh¬
scheune. Oft befindet sich dabei auch ein Obstgarten, selten aber Gemüsebeete,
obwohl das Land in vielen Gegenden, z. B. bei Burgas, mit seinem fetten,
schwarzen Boden sich dazu ganz wohl eignet. Diese Vernachlässigung erklärt sich
aus der Genügsamkeit, die dem Volke in Betreff der Küche innewohnt. Gutes
Weizenbrod, gesalzene Fische, etwas Oel, Schafmilch, Käse aus solcher, dann
und wann ein Lamm oder ein Zicklein, an Feiertagen ganz gebraten, bilden
die gewöhnliche Kost des Landmannes der untersten Klasse. Die um einen
Grad besser gestellten leben ungefähr ebenso, nur fügen sie noch eine Suppe
und ein vortreffliches flaches Backwerk hinzu, das den Namen Melena führt.

Auf Reinlichkeit des Körpers wird im Allgemeinen nicht viel gegeben, und
ein Mann oder eine Frau von achtzig Jahren könnte, wie Baker meint, wahr¬
scheinlich die Fälle von Abspülung des ganzen Leibes während ihrer Lebens¬
zeit an den Fingern der einen Hand herzählen, während man an einem hübschen
Anzug große Freude hat.

Die Tracht der Weiber ist sehr malerisch. Sie tragen Kleider von bunten
und gutgewähltem Farben, die immer in einem Dorfe dieselben sind, ein auch
sonst hervortretender Zug uach Ausgehen der Individualität in der Allgemein¬
heit, der beiläufig auch bei anderen Slaven zu beobachten ist. Ihr Kopfschmuck,
ihre Gürtel und Armspangen sind von Silber, dem andere Metalle beigegeben
sind. Sie sind sorgfältig gearbeitet und vererben sich als werthgehaltener
Familienbesitz von der Mutter auf die Tochter. Merkwürdig ist es, daß die
großen runden Schlösser an den Gürteln stark an die der Etrusker erinnern, die
man in Italien ausgegraben hat. Die Bulgarinnen heirathen jung und ver¬
lieren in Folge der Gewohnheit, ihre Kinder bis in's dritte und vierte Jahr
zu säugen, frühzeitig die Frische der Jugend, sodaß sie mit vierundzwanzig
Jahren schon alt und hager aussehen. Sie sind sehr häuslich und selten
zänkisch. Auch werden sie von den Männern meist gut behandelt, wie denn
unter den Bulgaren viel Familienliebe herrscht, und nicht blos Mann und Frau,
Bruder und Schwester, sondern auch entferntere Verwandte sehr aneinander
hängen.

Zeremonieen spielen unter ihnen eine wichtige Rolle, besonders bei Hoch-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0536" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141947"/>
          <p xml:id="ID_1635" prev="#ID_1634"> einen Fußboden aus Lehm, der mit Kuhmist gemischt und festgestampft ist, und<lb/>
besteht aus zwei Stuben und einer eingezäunten Veranda. An Gerüthschaften<lb/>
bemerkt man einige mit grellen Farben bemalte Schränke, welche die Kleider<lb/>
und das sonstige bewegliche Eigenthum der Hausbewohner einschließen, einige<lb/>
Töpfe und Pfannen und eine Feuerstelle mit einem Rauchfange. Tische und<lb/>
Stühle fehlen. Die Zimmer werden meistentheils sauber gehalten und gehörig<lb/>
ausgefegt. Aber äußerlich sehen die Häuser gewöhnlich nicht einladend aus.<lb/>
Neben den meisten stehen in einer Umzäunung ein Stall und eine Stroh¬<lb/>
scheune. Oft befindet sich dabei auch ein Obstgarten, selten aber Gemüsebeete,<lb/>
obwohl das Land in vielen Gegenden, z. B. bei Burgas, mit seinem fetten,<lb/>
schwarzen Boden sich dazu ganz wohl eignet. Diese Vernachlässigung erklärt sich<lb/>
aus der Genügsamkeit, die dem Volke in Betreff der Küche innewohnt. Gutes<lb/>
Weizenbrod, gesalzene Fische, etwas Oel, Schafmilch, Käse aus solcher, dann<lb/>
und wann ein Lamm oder ein Zicklein, an Feiertagen ganz gebraten, bilden<lb/>
die gewöhnliche Kost des Landmannes der untersten Klasse. Die um einen<lb/>
Grad besser gestellten leben ungefähr ebenso, nur fügen sie noch eine Suppe<lb/>
und ein vortreffliches flaches Backwerk hinzu, das den Namen Melena führt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1636"> Auf Reinlichkeit des Körpers wird im Allgemeinen nicht viel gegeben, und<lb/>
ein Mann oder eine Frau von achtzig Jahren könnte, wie Baker meint, wahr¬<lb/>
scheinlich die Fälle von Abspülung des ganzen Leibes während ihrer Lebens¬<lb/>
zeit an den Fingern der einen Hand herzählen, während man an einem hübschen<lb/>
Anzug große Freude hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1637"> Die Tracht der Weiber ist sehr malerisch. Sie tragen Kleider von bunten<lb/>
und gutgewähltem Farben, die immer in einem Dorfe dieselben sind, ein auch<lb/>
sonst hervortretender Zug uach Ausgehen der Individualität in der Allgemein¬<lb/>
heit, der beiläufig auch bei anderen Slaven zu beobachten ist. Ihr Kopfschmuck,<lb/>
ihre Gürtel und Armspangen sind von Silber, dem andere Metalle beigegeben<lb/>
sind. Sie sind sorgfältig gearbeitet und vererben sich als werthgehaltener<lb/>
Familienbesitz von der Mutter auf die Tochter. Merkwürdig ist es, daß die<lb/>
großen runden Schlösser an den Gürteln stark an die der Etrusker erinnern, die<lb/>
man in Italien ausgegraben hat. Die Bulgarinnen heirathen jung und ver¬<lb/>
lieren in Folge der Gewohnheit, ihre Kinder bis in's dritte und vierte Jahr<lb/>
zu säugen, frühzeitig die Frische der Jugend, sodaß sie mit vierundzwanzig<lb/>
Jahren schon alt und hager aussehen. Sie sind sehr häuslich und selten<lb/>
zänkisch. Auch werden sie von den Männern meist gut behandelt, wie denn<lb/>
unter den Bulgaren viel Familienliebe herrscht, und nicht blos Mann und Frau,<lb/>
Bruder und Schwester, sondern auch entferntere Verwandte sehr aneinander<lb/>
hängen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1638" next="#ID_1639"> Zeremonieen spielen unter ihnen eine wichtige Rolle, besonders bei Hoch-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0536] einen Fußboden aus Lehm, der mit Kuhmist gemischt und festgestampft ist, und besteht aus zwei Stuben und einer eingezäunten Veranda. An Gerüthschaften bemerkt man einige mit grellen Farben bemalte Schränke, welche die Kleider und das sonstige bewegliche Eigenthum der Hausbewohner einschließen, einige Töpfe und Pfannen und eine Feuerstelle mit einem Rauchfange. Tische und Stühle fehlen. Die Zimmer werden meistentheils sauber gehalten und gehörig ausgefegt. Aber äußerlich sehen die Häuser gewöhnlich nicht einladend aus. Neben den meisten stehen in einer Umzäunung ein Stall und eine Stroh¬ scheune. Oft befindet sich dabei auch ein Obstgarten, selten aber Gemüsebeete, obwohl das Land in vielen Gegenden, z. B. bei Burgas, mit seinem fetten, schwarzen Boden sich dazu ganz wohl eignet. Diese Vernachlässigung erklärt sich aus der Genügsamkeit, die dem Volke in Betreff der Küche innewohnt. Gutes Weizenbrod, gesalzene Fische, etwas Oel, Schafmilch, Käse aus solcher, dann und wann ein Lamm oder ein Zicklein, an Feiertagen ganz gebraten, bilden die gewöhnliche Kost des Landmannes der untersten Klasse. Die um einen Grad besser gestellten leben ungefähr ebenso, nur fügen sie noch eine Suppe und ein vortreffliches flaches Backwerk hinzu, das den Namen Melena führt. Auf Reinlichkeit des Körpers wird im Allgemeinen nicht viel gegeben, und ein Mann oder eine Frau von achtzig Jahren könnte, wie Baker meint, wahr¬ scheinlich die Fälle von Abspülung des ganzen Leibes während ihrer Lebens¬ zeit an den Fingern der einen Hand herzählen, während man an einem hübschen Anzug große Freude hat. Die Tracht der Weiber ist sehr malerisch. Sie tragen Kleider von bunten und gutgewähltem Farben, die immer in einem Dorfe dieselben sind, ein auch sonst hervortretender Zug uach Ausgehen der Individualität in der Allgemein¬ heit, der beiläufig auch bei anderen Slaven zu beobachten ist. Ihr Kopfschmuck, ihre Gürtel und Armspangen sind von Silber, dem andere Metalle beigegeben sind. Sie sind sorgfältig gearbeitet und vererben sich als werthgehaltener Familienbesitz von der Mutter auf die Tochter. Merkwürdig ist es, daß die großen runden Schlösser an den Gürteln stark an die der Etrusker erinnern, die man in Italien ausgegraben hat. Die Bulgarinnen heirathen jung und ver¬ lieren in Folge der Gewohnheit, ihre Kinder bis in's dritte und vierte Jahr zu säugen, frühzeitig die Frische der Jugend, sodaß sie mit vierundzwanzig Jahren schon alt und hager aussehen. Sie sind sehr häuslich und selten zänkisch. Auch werden sie von den Männern meist gut behandelt, wie denn unter den Bulgaren viel Familienliebe herrscht, und nicht blos Mann und Frau, Bruder und Schwester, sondern auch entferntere Verwandte sehr aneinander hängen. Zeremonieen spielen unter ihnen eine wichtige Rolle, besonders bei Hoch-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/536
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/536>, abgerufen am 23.07.2024.