Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.von einem 1876 gemalten Porträt einer Wiener Aristokratin, der Gräfin Wald¬ Seinem dekorativen Hange gab Makart nach der Ueberwindung und Zurück¬ In die Jahre 1873--76 fällt eine Reihe von Gemälden und Skizzen, deren von einem 1876 gemalten Porträt einer Wiener Aristokratin, der Gräfin Wald¬ Seinem dekorativen Hange gab Makart nach der Ueberwindung und Zurück¬ In die Jahre 1873—76 fällt eine Reihe von Gemälden und Skizzen, deren <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0515" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141926"/> <p xml:id="ID_1528" prev="#ID_1527"> von einem 1876 gemalten Porträt einer Wiener Aristokratin, der Gräfin Wald¬<lb/> stein v. Wartenberg, an welchem ein feinsinniger Beurtheiler bereits die bedenk¬<lb/> liche Genialität Bernini's konstatiren konnte. Damit ist zugleich eine Seite in<lb/> Makart's Künstlerphysioguomie berührt, die wir noch nicht angedeutet haben —<lb/> die Manierirtheit, welche stets die Begleiterin einer barocken Genialität war.<lb/> Makart war mcmierirt, als er sein erstes Bild malte, und er ist es bis auf<lb/> den heutigen Tag geblieben, weil er stets der Natur, welche doch die oberste<lb/> Lehrmeisterin aller Kunst ist, schnöde den Rücken gekehrt hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1529"> Seinem dekorativen Hange gab Makart nach der Ueberwindung und Zurück¬<lb/> haltung, welche ihm unzweifelhaft „Katharina Cornaro" gekostet hat, wieder<lb/> voll und ganz nach, als er einen großen, ans acht Gemälden bestehenden Cyclus<lb/> unter der gemeinsamen Etikette „Der Erde und des Meeres Gaben" schuf, auf<lb/> welchem er den Gedanken, der den Abundantiabildern zu Grunde lag, in's<lb/> Unerträgliche ausspann. In keiner zweiten Arbeit zeigt sich die Makart'sche Art<lb/> von einer so widerwärtigen Seite wie hier. Wir sehen wiederum nackte, über¬<lb/> reife Frauen, die ihre Glieder in allen erdenklichen, meist unmöglichen Positionen<lb/> zur Schau stellen, und körperlich unreife Knaben mit den Mienen übersättigter<lb/> Lebemänner, alle beladen mit Früchten, Fischen, Muscheln und Perlen. Im<lb/> Großen und Ganzen roh und handwerksmäßig behandelt, sind diese Bilder nur<lb/> da seiner ausgeführt, wo es ihrem Schöpfer auf einen grobsinnlichen Effekt an¬<lb/> kam. So ist z. B. hie und da die Rückenpartie einer Schönheit im Makart'schen<lb/> Sinne sehr zart und sauber, mit großem Raffinement modellirt und abgetönt;<lb/> hie und da erfreut sich auch eine Gewandpartie oder ein besonders glänzender<lb/> Schmuckgegenstand einer sorgfältigeren Ausführung; in Summa haben wir es<lb/> hier mit einer Schöpfung zu thun, die aus demselben Sumpfe emporgewachsen ist<lb/> wie die „sieben Todsünden" und die „Abundantiabilder", mit einer flachen, deko¬<lb/> rativen Mache, die mit allen Mitteln, erlaubten und unerlaubten, auf die<lb/> Sinne einstürmt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1530" next="#ID_1531"> In die Jahre 1873—76 fällt eine Reihe von Gemälden und Skizzen, deren<lb/> Stoffe der klassischen Mythologie, der antiken Geschichte und den Sagen des<lb/> Mittelalters entnommen sind. Als Makart den Auftrag erhielt, eine Skizze zum<lb/> Vorhang für das neuerbaute Wiener Stadttheater zu entwerfen, ging man sicher¬<lb/> lich von der Ansicht aus, daß eine solche Aufgabe der eigenthümlichen Begabung<lb/> des Künstlers wie kaum eine andere entsprechen würde. Aber der launenhafte<lb/> Kolorist wirft jede vorherige Berechnung über den Haufen. Er entwarf eine<lb/> Reihe von Skizzen, deren Mittelpunkt immer Titcmia nach Shakespeare's Som¬<lb/> mernachtstraum einnahm; aber vor lauter Farbenexperimenten blieb die erhoffte<lb/> dekorative Wirkung schließlich in den grünen und blauen Tinten der Skizze,.<lb/> durch welche der Maler Luft und Terrain andeuten wollte, stecken. Auf</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0515]
von einem 1876 gemalten Porträt einer Wiener Aristokratin, der Gräfin Wald¬
stein v. Wartenberg, an welchem ein feinsinniger Beurtheiler bereits die bedenk¬
liche Genialität Bernini's konstatiren konnte. Damit ist zugleich eine Seite in
Makart's Künstlerphysioguomie berührt, die wir noch nicht angedeutet haben —
die Manierirtheit, welche stets die Begleiterin einer barocken Genialität war.
Makart war mcmierirt, als er sein erstes Bild malte, und er ist es bis auf
den heutigen Tag geblieben, weil er stets der Natur, welche doch die oberste
Lehrmeisterin aller Kunst ist, schnöde den Rücken gekehrt hat.
Seinem dekorativen Hange gab Makart nach der Ueberwindung und Zurück¬
haltung, welche ihm unzweifelhaft „Katharina Cornaro" gekostet hat, wieder
voll und ganz nach, als er einen großen, ans acht Gemälden bestehenden Cyclus
unter der gemeinsamen Etikette „Der Erde und des Meeres Gaben" schuf, auf
welchem er den Gedanken, der den Abundantiabildern zu Grunde lag, in's
Unerträgliche ausspann. In keiner zweiten Arbeit zeigt sich die Makart'sche Art
von einer so widerwärtigen Seite wie hier. Wir sehen wiederum nackte, über¬
reife Frauen, die ihre Glieder in allen erdenklichen, meist unmöglichen Positionen
zur Schau stellen, und körperlich unreife Knaben mit den Mienen übersättigter
Lebemänner, alle beladen mit Früchten, Fischen, Muscheln und Perlen. Im
Großen und Ganzen roh und handwerksmäßig behandelt, sind diese Bilder nur
da seiner ausgeführt, wo es ihrem Schöpfer auf einen grobsinnlichen Effekt an¬
kam. So ist z. B. hie und da die Rückenpartie einer Schönheit im Makart'schen
Sinne sehr zart und sauber, mit großem Raffinement modellirt und abgetönt;
hie und da erfreut sich auch eine Gewandpartie oder ein besonders glänzender
Schmuckgegenstand einer sorgfältigeren Ausführung; in Summa haben wir es
hier mit einer Schöpfung zu thun, die aus demselben Sumpfe emporgewachsen ist
wie die „sieben Todsünden" und die „Abundantiabilder", mit einer flachen, deko¬
rativen Mache, die mit allen Mitteln, erlaubten und unerlaubten, auf die
Sinne einstürmt.
In die Jahre 1873—76 fällt eine Reihe von Gemälden und Skizzen, deren
Stoffe der klassischen Mythologie, der antiken Geschichte und den Sagen des
Mittelalters entnommen sind. Als Makart den Auftrag erhielt, eine Skizze zum
Vorhang für das neuerbaute Wiener Stadttheater zu entwerfen, ging man sicher¬
lich von der Ansicht aus, daß eine solche Aufgabe der eigenthümlichen Begabung
des Künstlers wie kaum eine andere entsprechen würde. Aber der launenhafte
Kolorist wirft jede vorherige Berechnung über den Haufen. Er entwarf eine
Reihe von Skizzen, deren Mittelpunkt immer Titcmia nach Shakespeare's Som¬
mernachtstraum einnahm; aber vor lauter Farbenexperimenten blieb die erhoffte
dekorative Wirkung schließlich in den grünen und blauen Tinten der Skizze,.
durch welche der Maler Luft und Terrain andeuten wollte, stecken. Auf
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