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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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Trümmern genistet. Die Kunst ist wie die Geschichte ein Complex, davon
wir den Effekt auf einem kleinen Punkte der Würcklichkeit vergebens suchen.

Ihre Briefe habe ich alle erhalten, den letzten von Neapel. Fahren Sie
fort mit ruhigem reinen Sinne Sich an allen Gegenständen Ihres Faches
zu üben, wie angenehm wäre es mir, wenn Sie das Verlangen mit zurück¬
brachten, ein Werk, es sei von welcher Art es wolle zu unternehmen. Wie
gerne würde ich was ich könnte dazu beitragen. Es wird sich davon reden
lassen und wenn ich gleich jetzt in unpoetischen Umständen bin, so wird doch
dieser schlafende Genius wieder zu wecken seyn.

Schreiben Sie mir von da wie es Ihnen weiter gegangen ist. Leben
Sie wohl und gedenken mein zu guter Stunde.

Eisenach den 24. Juni 1784.


G.

Weiter schreibt Goethe:

Sie werden ihn öden Brief vom 24. Juni^j vor diesem erhalten haben.
Daß Sie die muntere Oper lieben und sich nach Arbeit sehnen, freut mich
beides recht sehr.

Ich bin immer für die 0x. Kuü'a der Italiener und wünschte wohl ein¬
mal mit Ihnen ein Werkchen dieser Art zu Stande zu bringen.

Sobald ich uach Hause komme,*) werde ich Ihnen meine Gedanken weit¬
läufig schreiben. Geben Sie mir die Ihrigen dagegen. Ich habe seit letzten
Winter ein Dutzend der besten Productionen dieser Gattung, von einer zwar
mittelmäßigen Truppe"") gehört. Ich habe mir mancherley dabey gedacht und
recht gewünscht, daß Sie in dieses Fach einzugehen Lust und Muth hätten.
Leben Bewegung mit Empfindung gewürzt, alle Arten Leidenschaften finden
da ihren Schauplatz. Besonders erfreut mich die Delicatesse und Grazie
womit der Componist gleichsam als ein^himmlisches Wesen über der irdischen
Natur des Dichters schwebt.

Leben Sie wohl. Ich kann nicht weiter sortfcchren, doch will ich gern,
wenn Sie es hören mögen, meine Meinung auskramen und dagegen ver¬
nehmen, von welcher Seite Sie es gefaßt haben.

Leben Sie wohl und bringen von dieser schönen Reise recht viel Nutzen
und Freudigkeit zurück.

Eisenach den 28. Juni 1784.


G.




*) Goethe war in Eisenach bei dem Ausschußtage beschäftigt.
Von der Bellomo'schen.
Grenzboten I. 1379.si

Trümmern genistet. Die Kunst ist wie die Geschichte ein Complex, davon
wir den Effekt auf einem kleinen Punkte der Würcklichkeit vergebens suchen.

Ihre Briefe habe ich alle erhalten, den letzten von Neapel. Fahren Sie
fort mit ruhigem reinen Sinne Sich an allen Gegenständen Ihres Faches
zu üben, wie angenehm wäre es mir, wenn Sie das Verlangen mit zurück¬
brachten, ein Werk, es sei von welcher Art es wolle zu unternehmen. Wie
gerne würde ich was ich könnte dazu beitragen. Es wird sich davon reden
lassen und wenn ich gleich jetzt in unpoetischen Umständen bin, so wird doch
dieser schlafende Genius wieder zu wecken seyn.

Schreiben Sie mir von da wie es Ihnen weiter gegangen ist. Leben
Sie wohl und gedenken mein zu guter Stunde.

Eisenach den 24. Juni 1784.


G.

Weiter schreibt Goethe:

Sie werden ihn öden Brief vom 24. Juni^j vor diesem erhalten haben.
Daß Sie die muntere Oper lieben und sich nach Arbeit sehnen, freut mich
beides recht sehr.

Ich bin immer für die 0x. Kuü'a der Italiener und wünschte wohl ein¬
mal mit Ihnen ein Werkchen dieser Art zu Stande zu bringen.

Sobald ich uach Hause komme,*) werde ich Ihnen meine Gedanken weit¬
läufig schreiben. Geben Sie mir die Ihrigen dagegen. Ich habe seit letzten
Winter ein Dutzend der besten Productionen dieser Gattung, von einer zwar
mittelmäßigen Truppe"") gehört. Ich habe mir mancherley dabey gedacht und
recht gewünscht, daß Sie in dieses Fach einzugehen Lust und Muth hätten.
Leben Bewegung mit Empfindung gewürzt, alle Arten Leidenschaften finden
da ihren Schauplatz. Besonders erfreut mich die Delicatesse und Grazie
womit der Componist gleichsam als ein^himmlisches Wesen über der irdischen
Natur des Dichters schwebt.

Leben Sie wohl. Ich kann nicht weiter sortfcchren, doch will ich gern,
wenn Sie es hören mögen, meine Meinung auskramen und dagegen ver¬
nehmen, von welcher Seite Sie es gefaßt haben.

Leben Sie wohl und bringen von dieser schönen Reise recht viel Nutzen
und Freudigkeit zurück.

Eisenach den 28. Juni 1784.


G.




*) Goethe war in Eisenach bei dem Ausschußtage beschäftigt.
Von der Bellomo'schen.
Grenzboten I. 1379.si
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[0485] Trümmern genistet. Die Kunst ist wie die Geschichte ein Complex, davon wir den Effekt auf einem kleinen Punkte der Würcklichkeit vergebens suchen. Ihre Briefe habe ich alle erhalten, den letzten von Neapel. Fahren Sie fort mit ruhigem reinen Sinne Sich an allen Gegenständen Ihres Faches zu üben, wie angenehm wäre es mir, wenn Sie das Verlangen mit zurück¬ brachten, ein Werk, es sei von welcher Art es wolle zu unternehmen. Wie gerne würde ich was ich könnte dazu beitragen. Es wird sich davon reden lassen und wenn ich gleich jetzt in unpoetischen Umständen bin, so wird doch dieser schlafende Genius wieder zu wecken seyn. Schreiben Sie mir von da wie es Ihnen weiter gegangen ist. Leben Sie wohl und gedenken mein zu guter Stunde. Eisenach den 24. Juni 1784. G. Weiter schreibt Goethe: Sie werden ihn öden Brief vom 24. Juni^j vor diesem erhalten haben. Daß Sie die muntere Oper lieben und sich nach Arbeit sehnen, freut mich beides recht sehr. Ich bin immer für die 0x. Kuü'a der Italiener und wünschte wohl ein¬ mal mit Ihnen ein Werkchen dieser Art zu Stande zu bringen. Sobald ich uach Hause komme,*) werde ich Ihnen meine Gedanken weit¬ läufig schreiben. Geben Sie mir die Ihrigen dagegen. Ich habe seit letzten Winter ein Dutzend der besten Productionen dieser Gattung, von einer zwar mittelmäßigen Truppe"") gehört. Ich habe mir mancherley dabey gedacht und recht gewünscht, daß Sie in dieses Fach einzugehen Lust und Muth hätten. Leben Bewegung mit Empfindung gewürzt, alle Arten Leidenschaften finden da ihren Schauplatz. Besonders erfreut mich die Delicatesse und Grazie womit der Componist gleichsam als ein^himmlisches Wesen über der irdischen Natur des Dichters schwebt. Leben Sie wohl. Ich kann nicht weiter sortfcchren, doch will ich gern, wenn Sie es hören mögen, meine Meinung auskramen und dagegen ver¬ nehmen, von welcher Seite Sie es gefaßt haben. Leben Sie wohl und bringen von dieser schönen Reise recht viel Nutzen und Freudigkeit zurück. Eisenach den 28. Juni 1784. G. *) Goethe war in Eisenach bei dem Ausschußtage beschäftigt. Von der Bellomo'schen. Grenzboten I. 1379.si

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/485>, abgerufen am 23.07.2024.