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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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heftigsten Empfindung. Melodie und Accompagnement müssen sehr gewissen¬
haft behandelt-werden.

Drittens kommt der rytmische Dialog, dieser giebt der ganzen Sache die
Bewegung;'Z durch diesen kann der Componist die Sache bald beschleunigen,
bald wieder anhalten, ihn bald als Deklamation in zerrissenen Takten trak-
tiren, bald ihn in einer rollenden Melodie sich geschwind fortbewegen lassen.
Dieser muß eigentlich der Stellung, Handlung und Bewegung des Akteurs
angemessen seyn und der Komponist muß diesen immerfort vor Augen haben,
damit er ihm die Pantomime und die Aktion nicht erschwere. Dieser Dialog,
werden^Sie finden, hat in meinem Stück sast einerley Sylbenmaas und wenn
Sie so glücklich sind, ein Hauptthema zu finden, daß sich gut dazu schickt, so
werden Sie wohl thun, solches immer wieder hervorkommen zu lassen und
nur durch veränderte Modulation, durch Major und Minor, durch angehal¬
tenes^ oder'lschneller fortgetriebenes Isinxo die einzelnen Stellen zu nüanciren.
Da gegen das Ende meines Stücks der Gesang anhaltend fortgehen soll, so
werden Sie mich wohl verstehen, was ich sage, denn man muß sich alsdann
in Acht nehmen, daß es nicht gar zu bunt wird. Der Dialog muß wie ein
glatter goldner Ring seyn, auf dem Arien und Lieder wie Edelgesteine auf¬
sitzen.

Und weiter fügte er unterm 20. Januar 1780") hinzu:

Den Charakter des Ganzen werden Sie nicht verkennen, leicht, gefällig,
offen, ist das Element, worin so viele andere Leidenschaften von der innigsten
Rührung bis zum ausfahrendsten Zorn u. s. w. abwechseln. Edle Gestalten
sind in die Bauernkleider gesteckt und der reine einfache Adel der Natur soll
in einem wahren angemessenen Ausdruck sich immer gleichbleiben. Sie haben
in dem Augenblick, da ich dieses schreibe, vielleicht schon mehr über das Stück
nachgedacht, als ich Ihnen sagen kann, doch erinnere ich Sie nochmals,
machen Sie sich mit dem Stücke recht bekannt ehe Sie es zu komponiren
anfangen, disponiren Sie Ihre Melodien, Ihre ^OeoraxgSiiörasQts u. f. w.,
daß alles aus dem Ganzen in das Ganze hineinarbeitet. Das ^ecorax^QS-
ro,6ur rathe ich Ihnen sehr mäßig zu halten, nur in der Mäßigkeit ist der
Reichthum, wer seine Sache versteht, thut mit zwei Violinen, Viola und Baß
mehr, als andere mit der ganzen Jnstrumentenkammer. Bedienen Sie Sich
der blasenden Instrumente als eines Gewürzes und einzeln; bei der Stelle
die Flöte, bei einer die Fagot, dort Hautbo, das bestimmt den Ausdruck und



*) Bei Riemer, der eine Stelle aus diesem Briefe gibt, findet sich das abweichende
Datum: 3V. Januar.

heftigsten Empfindung. Melodie und Accompagnement müssen sehr gewissen¬
haft behandelt-werden.

Drittens kommt der rytmische Dialog, dieser giebt der ganzen Sache die
Bewegung;'Z durch diesen kann der Componist die Sache bald beschleunigen,
bald wieder anhalten, ihn bald als Deklamation in zerrissenen Takten trak-
tiren, bald ihn in einer rollenden Melodie sich geschwind fortbewegen lassen.
Dieser muß eigentlich der Stellung, Handlung und Bewegung des Akteurs
angemessen seyn und der Komponist muß diesen immerfort vor Augen haben,
damit er ihm die Pantomime und die Aktion nicht erschwere. Dieser Dialog,
werden^Sie finden, hat in meinem Stück sast einerley Sylbenmaas und wenn
Sie so glücklich sind, ein Hauptthema zu finden, daß sich gut dazu schickt, so
werden Sie wohl thun, solches immer wieder hervorkommen zu lassen und
nur durch veränderte Modulation, durch Major und Minor, durch angehal¬
tenes^ oder'lschneller fortgetriebenes Isinxo die einzelnen Stellen zu nüanciren.
Da gegen das Ende meines Stücks der Gesang anhaltend fortgehen soll, so
werden Sie mich wohl verstehen, was ich sage, denn man muß sich alsdann
in Acht nehmen, daß es nicht gar zu bunt wird. Der Dialog muß wie ein
glatter goldner Ring seyn, auf dem Arien und Lieder wie Edelgesteine auf¬
sitzen.

Und weiter fügte er unterm 20. Januar 1780") hinzu:

Den Charakter des Ganzen werden Sie nicht verkennen, leicht, gefällig,
offen, ist das Element, worin so viele andere Leidenschaften von der innigsten
Rührung bis zum ausfahrendsten Zorn u. s. w. abwechseln. Edle Gestalten
sind in die Bauernkleider gesteckt und der reine einfache Adel der Natur soll
in einem wahren angemessenen Ausdruck sich immer gleichbleiben. Sie haben
in dem Augenblick, da ich dieses schreibe, vielleicht schon mehr über das Stück
nachgedacht, als ich Ihnen sagen kann, doch erinnere ich Sie nochmals,
machen Sie sich mit dem Stücke recht bekannt ehe Sie es zu komponiren
anfangen, disponiren Sie Ihre Melodien, Ihre ^OeoraxgSiiörasQts u. f. w.,
daß alles aus dem Ganzen in das Ganze hineinarbeitet. Das ^ecorax^QS-
ro,6ur rathe ich Ihnen sehr mäßig zu halten, nur in der Mäßigkeit ist der
Reichthum, wer seine Sache versteht, thut mit zwei Violinen, Viola und Baß
mehr, als andere mit der ganzen Jnstrumentenkammer. Bedienen Sie Sich
der blasenden Instrumente als eines Gewürzes und einzeln; bei der Stelle
die Flöte, bei einer die Fagot, dort Hautbo, das bestimmt den Ausdruck und



*) Bei Riemer, der eine Stelle aus diesem Briefe gibt, findet sich das abweichende
Datum: 3V. Januar.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/480>, abgerufen am 23.07.2024.