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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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ohne Prüfung, einer fördernden Anerkennung seines Strebens erfreuen; ein
begabter Faulpelz, der sich nur gerade vor Schulstrafen zu retten gewußt hat,
darf ein paar Wochen früher als sein weniger glücklicher Kamerad in die
Ferien gehen. Kenn die Prüfungen finden nach vollständigem Abschluß der
Lektionen statt und sind höchst anstrengend für das Lehrerpersonal, von dem
je zwei, darunter natürlich der Lehrer des Faches, in demselben Gegenstande
prüfen. Die ehrliebenden Schüler leiden unter dieser Anhäufung von Prü¬
fungen am allermeisten. Dazu erscheint das Absetzen am Ende des Schul¬
jahres um so unnatürlicher, als zu Beginn des neuen Schuljahres Nachprü¬
fungen erlaubt sind und wiederum viele Zeit in Anspruch nehmen. Sehr selten
wird ein Schüler, der im Laufe des Jahres mittelmäßige Zensuren bekommen
hat (ganz schlechte Zeusuren haben die Ausschließung von der Prüfung zur
Folge), und dem vorerst die Versetzung verweigert worden ist, auf die Prüfung
verzichten; er probirt eben, ob er Glück hat, was ja recht gut'möglich ist.
Pädagogen werden begreifen, daß die sittliche Erziehung unter solchen Um¬
ständen nicht begünstigt wird.

1877--78 vertheilten sich die 1322 Schüler der allgemein-wissenschaftlichen
Abtheilung auf die 3 Jahreskurse, wie folgt: im 2. Kursus waren 553, im 3.
431, im 4. 338 Schüler. Wieviel davon auf die 37 Sektionen der königlichen
Institute kommen, ergibt sich, wenn man die in 24 Sektionen nicht-königlicher
Institute unterrichteten 146, 93 und 89, zusammen 328, in Abrechnung bringt.
Die allgemeine Frequenz ist der Erwartung gemäß wesentlich geringer in den
technischen Instituten, die nicht unmittelbar unter der Regierung stehen, als in
den königlichen Anstalten. Die Schwierigkeit des Fortkommens zeigt sich recht
deutlich in der immer noch geringen Zahl der Schüler des Oberkursus, der im
verflossenen Schuljahre nur in Bologna, Genua, Mailand, Neapel, Palermo,
Turin, Padua und Florenz von mehr als 10 Schülern besucht wurde. Es
liegt uns fern, den noch jungen technischen Unterricht, beziehungsweise die Ab¬
theilung, deren Betrachtung wir hier unternommen haben, nach der Zahl der¬
jenigen zu beurtheilen, welche die Entlassungsprüfung bestehen, wir schlagen
den Vortheil nicht gering an, daß eine größere Zahl von Schülern mindestens
einen Theil des angebotenen Unterrichtes genießt, auch wenn sie sich vor dem
Schlußjahre zurückziehen, wir sind nicht ungeduldig und möchten, daß auch
Andere es nicht wären. Aber da aus vielen Erscheinungen zu entnehmen ist,
daß die Opfer, welche das Bestehen von 70 Instituten, hier dem Staate, dort
den Provinzen und Gemeinden auferlegt, nicht allerseits gern getragen werden
und Neuerungen zu befürchten sind, so fragen wir uns doch, wo gespart werden
kann. Offenbar sind Abtheilungen, die mehrere Jahre hintereinander nur einen
oder zwei Schüler entlassen, viel zu kostspielig, und es liegt nahe, dieselben ein-


ohne Prüfung, einer fördernden Anerkennung seines Strebens erfreuen; ein
begabter Faulpelz, der sich nur gerade vor Schulstrafen zu retten gewußt hat,
darf ein paar Wochen früher als sein weniger glücklicher Kamerad in die
Ferien gehen. Kenn die Prüfungen finden nach vollständigem Abschluß der
Lektionen statt und sind höchst anstrengend für das Lehrerpersonal, von dem
je zwei, darunter natürlich der Lehrer des Faches, in demselben Gegenstande
prüfen. Die ehrliebenden Schüler leiden unter dieser Anhäufung von Prü¬
fungen am allermeisten. Dazu erscheint das Absetzen am Ende des Schul¬
jahres um so unnatürlicher, als zu Beginn des neuen Schuljahres Nachprü¬
fungen erlaubt sind und wiederum viele Zeit in Anspruch nehmen. Sehr selten
wird ein Schüler, der im Laufe des Jahres mittelmäßige Zensuren bekommen
hat (ganz schlechte Zeusuren haben die Ausschließung von der Prüfung zur
Folge), und dem vorerst die Versetzung verweigert worden ist, auf die Prüfung
verzichten; er probirt eben, ob er Glück hat, was ja recht gut'möglich ist.
Pädagogen werden begreifen, daß die sittliche Erziehung unter solchen Um¬
ständen nicht begünstigt wird.

1877—78 vertheilten sich die 1322 Schüler der allgemein-wissenschaftlichen
Abtheilung auf die 3 Jahreskurse, wie folgt: im 2. Kursus waren 553, im 3.
431, im 4. 338 Schüler. Wieviel davon auf die 37 Sektionen der königlichen
Institute kommen, ergibt sich, wenn man die in 24 Sektionen nicht-königlicher
Institute unterrichteten 146, 93 und 89, zusammen 328, in Abrechnung bringt.
Die allgemeine Frequenz ist der Erwartung gemäß wesentlich geringer in den
technischen Instituten, die nicht unmittelbar unter der Regierung stehen, als in
den königlichen Anstalten. Die Schwierigkeit des Fortkommens zeigt sich recht
deutlich in der immer noch geringen Zahl der Schüler des Oberkursus, der im
verflossenen Schuljahre nur in Bologna, Genua, Mailand, Neapel, Palermo,
Turin, Padua und Florenz von mehr als 10 Schülern besucht wurde. Es
liegt uns fern, den noch jungen technischen Unterricht, beziehungsweise die Ab¬
theilung, deren Betrachtung wir hier unternommen haben, nach der Zahl der¬
jenigen zu beurtheilen, welche die Entlassungsprüfung bestehen, wir schlagen
den Vortheil nicht gering an, daß eine größere Zahl von Schülern mindestens
einen Theil des angebotenen Unterrichtes genießt, auch wenn sie sich vor dem
Schlußjahre zurückziehen, wir sind nicht ungeduldig und möchten, daß auch
Andere es nicht wären. Aber da aus vielen Erscheinungen zu entnehmen ist,
daß die Opfer, welche das Bestehen von 70 Instituten, hier dem Staate, dort
den Provinzen und Gemeinden auferlegt, nicht allerseits gern getragen werden
und Neuerungen zu befürchten sind, so fragen wir uns doch, wo gespart werden
kann. Offenbar sind Abtheilungen, die mehrere Jahre hintereinander nur einen
oder zwei Schüler entlassen, viel zu kostspielig, und es liegt nahe, dieselben ein-


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[0434] ohne Prüfung, einer fördernden Anerkennung seines Strebens erfreuen; ein begabter Faulpelz, der sich nur gerade vor Schulstrafen zu retten gewußt hat, darf ein paar Wochen früher als sein weniger glücklicher Kamerad in die Ferien gehen. Kenn die Prüfungen finden nach vollständigem Abschluß der Lektionen statt und sind höchst anstrengend für das Lehrerpersonal, von dem je zwei, darunter natürlich der Lehrer des Faches, in demselben Gegenstande prüfen. Die ehrliebenden Schüler leiden unter dieser Anhäufung von Prü¬ fungen am allermeisten. Dazu erscheint das Absetzen am Ende des Schul¬ jahres um so unnatürlicher, als zu Beginn des neuen Schuljahres Nachprü¬ fungen erlaubt sind und wiederum viele Zeit in Anspruch nehmen. Sehr selten wird ein Schüler, der im Laufe des Jahres mittelmäßige Zensuren bekommen hat (ganz schlechte Zeusuren haben die Ausschließung von der Prüfung zur Folge), und dem vorerst die Versetzung verweigert worden ist, auf die Prüfung verzichten; er probirt eben, ob er Glück hat, was ja recht gut'möglich ist. Pädagogen werden begreifen, daß die sittliche Erziehung unter solchen Um¬ ständen nicht begünstigt wird. 1877—78 vertheilten sich die 1322 Schüler der allgemein-wissenschaftlichen Abtheilung auf die 3 Jahreskurse, wie folgt: im 2. Kursus waren 553, im 3. 431, im 4. 338 Schüler. Wieviel davon auf die 37 Sektionen der königlichen Institute kommen, ergibt sich, wenn man die in 24 Sektionen nicht-königlicher Institute unterrichteten 146, 93 und 89, zusammen 328, in Abrechnung bringt. Die allgemeine Frequenz ist der Erwartung gemäß wesentlich geringer in den technischen Instituten, die nicht unmittelbar unter der Regierung stehen, als in den königlichen Anstalten. Die Schwierigkeit des Fortkommens zeigt sich recht deutlich in der immer noch geringen Zahl der Schüler des Oberkursus, der im verflossenen Schuljahre nur in Bologna, Genua, Mailand, Neapel, Palermo, Turin, Padua und Florenz von mehr als 10 Schülern besucht wurde. Es liegt uns fern, den noch jungen technischen Unterricht, beziehungsweise die Ab¬ theilung, deren Betrachtung wir hier unternommen haben, nach der Zahl der¬ jenigen zu beurtheilen, welche die Entlassungsprüfung bestehen, wir schlagen den Vortheil nicht gering an, daß eine größere Zahl von Schülern mindestens einen Theil des angebotenen Unterrichtes genießt, auch wenn sie sich vor dem Schlußjahre zurückziehen, wir sind nicht ungeduldig und möchten, daß auch Andere es nicht wären. Aber da aus vielen Erscheinungen zu entnehmen ist, daß die Opfer, welche das Bestehen von 70 Instituten, hier dem Staate, dort den Provinzen und Gemeinden auferlegt, nicht allerseits gern getragen werden und Neuerungen zu befürchten sind, so fragen wir uns doch, wo gespart werden kann. Offenbar sind Abtheilungen, die mehrere Jahre hintereinander nur einen oder zwei Schüler entlassen, viel zu kostspielig, und es liegt nahe, dieselben ein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/434>, abgerufen am 03.07.2024.