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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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Wasser gießen, so können sie aus den Figuren, die sich bilden, das Gewerbe
ihres Zukünftigen erkennen, sagt man im südlichen Schwaben. Ebendaselbst
wird in dieser Nacht das Wetter des nächsten Jahres auf folgende Weise er¬
rathen. Man schneidet eine Zwiebel mitten durch, nimmt sie auseinander
und stellt zwölf aus ihren Häuten gebildete Schüsselchen in einer Reihe auf
den Tisch. Mit der ersten Stunde des kommenden Tages thut man in jedes
ein wenig Salz. Daraus kann man schließen, wie die Witterung in den
folgenden zwölf Monaten sein wird, trocken oder naß. Schmilzt nämlich das
Salz in der ersten Schüssel, die den Januar bedeutet, gar nicht, so wird der
Monat trocken sein, schmilzt es ganz , so wird er naß werden. So geht es
fort zum Februar, dem das zweite Schüsselchen gilt, und durch alle andern
Monate. Die Beobachtung wird in den Kalender eingetragen, und man
richtet sich danach in der Feldwirthschaft. Bei Innsbruck herrscht der Glaube,
daß man sich durch Befragen des einem am Neujahrsmorgen zuerst Begegnen¬
den um seinen Taufnamen Gewißheit verschaffen könne, wie der oder die Zu¬
künftige heiße.

Andere abergläubische Gebräuche der Sylvesternacht und des Neujahrsiages
sind folgende: In Thüringen und Sachsen umwindet man die Bäume feines
Gartens in der Mitternachtsstunde unter Gebeten oder Zaubersprüchen mit
Strohseilen, "damit sie viel Obst geben". In Mecklenburg beschenkt man zu
gleichem Zwecke die, welche nicht tragen, mit Geld, das man unter die Rinde
schiebt. In Ostpreußen bindet man die Zäume an den Eßtisch, "weil die
Pferde dann das ganze Jahr über gut fressen". In Hessen ißt man Wei߬
kraut, in Schwaben gelbe Rüben; "denn dann geht einem in der nächsten Zeit
das Geld nicht aus". Im Altenburgischen, im Meißnischen, sowie im Branden-
burgischen sind Hering und Hirsebrei die für Sylvester und Neujahr von der
Ueberlieferung vorgeschriebenen Gerichte. Wer in Hessen in der letzten Nacht
des Jahres Aepfel ißt, zieht sich Geschwüre zu. Wer in der Mark in ihr mit
dem Hammer klopft, ruft einen aus dem Hause zu Grabe. Anderswo glaubt
man, daß Bier am Neujahrstage gebraut verjünge. Wieder anderswo soll
man an diesem Tage so viele kleine Kuchen machen, als Personen im Hause
sind, und jedem Kuchen den Namen einer dieser Personen geben und mit dem
Finger ein Loch hineiudrücken. Wessen Loch beim Backen zugeht, der muß
im nächsten Jahre sterben, wem dies nicht beschicken ist, dessen Loch bleibt.
Ferner schenkt man sich in gewissen Gegenden am Neujahrstage eine Muskatnuß;
wer die bei sich trügt, dem schadet kein Fallen. Endlich soll man an diesem Tage
die Hühner mit acht verschiedenen Arten Futter versehen, vermuthlich, weil sie
daran gedeihen. Wir bemerken, daß die letzten vier Vorschriften den Mit-


Wasser gießen, so können sie aus den Figuren, die sich bilden, das Gewerbe
ihres Zukünftigen erkennen, sagt man im südlichen Schwaben. Ebendaselbst
wird in dieser Nacht das Wetter des nächsten Jahres auf folgende Weise er¬
rathen. Man schneidet eine Zwiebel mitten durch, nimmt sie auseinander
und stellt zwölf aus ihren Häuten gebildete Schüsselchen in einer Reihe auf
den Tisch. Mit der ersten Stunde des kommenden Tages thut man in jedes
ein wenig Salz. Daraus kann man schließen, wie die Witterung in den
folgenden zwölf Monaten sein wird, trocken oder naß. Schmilzt nämlich das
Salz in der ersten Schüssel, die den Januar bedeutet, gar nicht, so wird der
Monat trocken sein, schmilzt es ganz , so wird er naß werden. So geht es
fort zum Februar, dem das zweite Schüsselchen gilt, und durch alle andern
Monate. Die Beobachtung wird in den Kalender eingetragen, und man
richtet sich danach in der Feldwirthschaft. Bei Innsbruck herrscht der Glaube,
daß man sich durch Befragen des einem am Neujahrsmorgen zuerst Begegnen¬
den um seinen Taufnamen Gewißheit verschaffen könne, wie der oder die Zu¬
künftige heiße.

Andere abergläubische Gebräuche der Sylvesternacht und des Neujahrsiages
sind folgende: In Thüringen und Sachsen umwindet man die Bäume feines
Gartens in der Mitternachtsstunde unter Gebeten oder Zaubersprüchen mit
Strohseilen, „damit sie viel Obst geben". In Mecklenburg beschenkt man zu
gleichem Zwecke die, welche nicht tragen, mit Geld, das man unter die Rinde
schiebt. In Ostpreußen bindet man die Zäume an den Eßtisch, „weil die
Pferde dann das ganze Jahr über gut fressen". In Hessen ißt man Wei߬
kraut, in Schwaben gelbe Rüben; „denn dann geht einem in der nächsten Zeit
das Geld nicht aus". Im Altenburgischen, im Meißnischen, sowie im Branden-
burgischen sind Hering und Hirsebrei die für Sylvester und Neujahr von der
Ueberlieferung vorgeschriebenen Gerichte. Wer in Hessen in der letzten Nacht
des Jahres Aepfel ißt, zieht sich Geschwüre zu. Wer in der Mark in ihr mit
dem Hammer klopft, ruft einen aus dem Hause zu Grabe. Anderswo glaubt
man, daß Bier am Neujahrstage gebraut verjünge. Wieder anderswo soll
man an diesem Tage so viele kleine Kuchen machen, als Personen im Hause
sind, und jedem Kuchen den Namen einer dieser Personen geben und mit dem
Finger ein Loch hineiudrücken. Wessen Loch beim Backen zugeht, der muß
im nächsten Jahre sterben, wem dies nicht beschicken ist, dessen Loch bleibt.
Ferner schenkt man sich in gewissen Gegenden am Neujahrstage eine Muskatnuß;
wer die bei sich trügt, dem schadet kein Fallen. Endlich soll man an diesem Tage
die Hühner mit acht verschiedenen Arten Futter versehen, vermuthlich, weil sie
daran gedeihen. Wir bemerken, daß die letzten vier Vorschriften den Mit-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/40>, abgerufen am 26.08.2024.